Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Erhöhte Fettmasse lässt den FT3-Spiegel bei Kindern ansteigen – verstärke Dejodasenaktivität bei vermehrtem Fettgewebe?


Bochum, 6. Oktober 2014:

Es ist seit langem bekannt, dass Schilddrüsenhormone mit der Körperzusammensetzung korrelieren (1–6), aber welche Richtung eine mögliche Kausalität annimmt ist bislang weitgehend ungeklärt (7). Auf der 38. Jahrestagung der European Thyroid Association 2014 in Santiago de Compostela stellte Peter N. Taylor von der Cardiff University die Ergebnisse einer großen Beobachtungsstudie an einer bevölkerungsbasierten Kohorte von 3014 Kindern vor (8). Im Alter von 7 Jahren wurde bei den Kindern die Schilddrüsenfunktion überprüft, gemessen mit TSH-, FT4- und FT3-Spiegeln. In Folgeuntersuchungen wurde zusätzlich die Körperzusammensetzung mittels DXA im Alter von 9 und 15 Jahren untersucht. Eine lineare Regression standardisierter Variablen diente dazu, den Zusammenhang zwischen TSH, FT4 und FT3 mit der Fettmasse und der fettfreien Masse zu untersuchen. Die Autoren versuchten der Frage nachzugehen, ob mögliche Veränderungen der Schilddrüsenfunktion Ursache oder Folge der Fettmasse darstellen, indem sie den Polymorphismus rs1558902 des FTO-Gens, der einen unabhängigen Prädiktor für die Entwicklung einer Adipositas darstellt, als Instrumentvariable einsetzten. Die Ergebnisse wurden für Alter, Geschlecht, soziale Schicht, Körperlänge und Entwicklungsmarker adjustiert.

Im Ergebnis zeigte sich keine Assoziation des TSH-Spiegels mit der Körperzusammensetzung. Die Autoren fanden aber, dass im Alter von 9 Jahren der FT3-Spiegel positiv mit BMI und Fettmasse und negativ mit der fettfreien Masse korrelierte. Umgekehrt korrelierte der FT4-Spiegel negativ mit BMI und Fettmasse. Ähnliche Verhältnisse zeigten sich in der Folgeuntersuchung im Alter von 15 Jahren. Die Analyse der Instrumentvariablen bestätigte die Korrelation zwischen Fettmasse und FT3 und sprach zudem dafür, dass die erhöhten FT3-Spiegel die Folge und nicht die Ursache der vermehrten Fettmasse darstellen.

Bekanntlich werden in Fettzellen auch Dejodinasen exprimiert. Eine einfache mechanistische Erklärung für diese Befunde könnte darin bestehen, dass es bei vermehrter Fettmasse durch eine gesteigerte Summenaktivität peripherer Dejodinasen zur Hyperdejodierung kommt.

Die Studie zeigt auch, dass sich selbst Variationen der Schilddrüsenhormonspiegel innerhalb des Referenzbereichs in der Körperzusammensetzung niederschlagen. Es ist seit längerem bekannt, dass das Risiko für Vorhofflimmern bei Übergewicht unabhängig von den Variablen des CHA2DS2-VASc-Scores ansteigt. Angesichts der zunehmenden Adipositas-Epidemie könnte der resultierenden Hyperdejodierung eine bedeutende Rolle für die Entstehung kardiovaskulärer und metabolischer Komplikationen des Übergewichts zukommen.

Johannes W. Dietrich, Bochum

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Literatur

(1) Chomard P et al., Eur J Clin Nutr. 1988 Apr;42(4):285-93. PMID 3396520.

(2) Knudsen N et al.: J Clin Endocrinol Metab. 2005 Jul;90(7):4019-24. Epub 2005 May 3. PMID 15870128.

(3) Fox CS et al.: Arch Intern Med. 2008 Mar 24;168(6):587-92. doi: 10.1001/archinte.168.6.587. PMID 18362250.

(4) Dietrich JW et al.: J Thyroid Res. 2012;2012:351864. doi: 10.1155/2012/351864. Epub 2012 Dec 30. PMID 23365787

(5) Hoermann R et al.: Clin Endocrinol (Oxf). 2014 Jun 23. doi: 10.1111/cen.12527. [Epub ahead of print] PMID 24953754.

(6) Roef GL et al.: Thyroid. 2014 Feb;24(2):223-31. doi: 10.1089/thy.2013.0314. Epub 2013 Nov 14. PMID 24032604

(7) Dietlein M et al.: Nuklearmedizin. 2008;47(5):181-7. PMID 18852923.

(8) Taylor PN: Vortrag im September 2014: Abstract-# OP14, Eur Thyroid J, Vol 3, Suppl 1, 78, doi:10.1159/000365244

Publiziert am von Dr. Johannes W. Dietrich
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