Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Fournier-Gangrän unter SGLT2-Hemmern bei schlechter Genitalhygiene?


Bochum, 17. Mai 2019

Am 6. Mai 2019 publizierte das für Nebenwirkungen zuständige FDA-Gremium FAERS über die Fournier-Gangrän bei Typ-2-Diabetespatienten. Dies ist eine nekrotisierende Fasziitis vorwiegend im Genitalbereich. In zwei Fällen wurde sie aber auch an der unteren Extremität gemeldet. Drei Patienten starben. Eine Fournier-Gangrän wurde unter allen drei der schon länger verwendeten SGLT2-Hemmer in den USA, insbesondere Canagliflozin beobachtet (der vierte, Ertugliflozin ist erst im Dezember 2017 zugelassen worden). Im August 2018 sprach die FDA eine Warnung davor für Dapagliflozin, Empagliflozin, Canagliflozin und deren Kombinationspräpate aus, basierend auf 12 Fällen seit 1. März 2013, dem Tag der FDA-Zulassung von Canagliflozin. Im DGE-Blog wurde darüber berichtet (2). Jetzt gingen bei FAERS bis Januar 2019 bereits 55 Meldungen ein. Der Zeitraum vom Beginn der Behandlung mit SGLT2-Hemmern bis zum Auftreten der Gangrän betrug im Mittel 9 Monate (Bereich 5 Tage bis 49 Monate). Alle 55 Patienten hatten eine nekrotisierende Infektion im Bereich des Perineums (Vulva/Vagina, Skrotum, Gesäß). Zur Infektionsbeherrschung erfolgte zusätzlich zu Antibiotika ein Debridement (1).

Kommentar

Wie im DGE-Blogbeitrag vom 4. August 2018 diskutiert (2), liegt Grund für den Unterschied zwischen den in den USA zahlreicher werdenden Meldungen und Deutschland möglicherweise in einer unzureichenden Genital-Hygiene, die bei Adipösen noch erschwert ist. Dies kommt auch in den sehr vielen, allesamt äußerst kritischen Leserkommentaren zum Bericht in Medscape (3) hervor, von denen hier nur einige wenige zitiert werden sollen:

– „Patient selection and rather frank conversation around proper genital hygiene are probably the two most important considerations when using SGLT-2. If someone who is morbidly obese has trouble with hygiene in general this class shouldn’t be used”.

– “Necrotizing perineum! What a horrible complication and what a terrible way for your patient to die. If such complications were caused by metformin or sulfonylureas, these latter agents would’ve long been banned!”

– “There is no reason to prescribe this class of drugs, in spite of their heavy promotion. They are not very effective at controlling blood sugar and have an alarming side-effect profile, which also includes DKA and limb amputation, as well as sepsis. They are also high-priced”.

– “Much of the world’s population doesn’t have the cost of one SGLT2 pill as their food budget for a week”.

Erfreulicherweise kommt eine Fournier-Gangrän unter SGLT2-Hemmern bei uns kaum vor. Zumindest sind dem Referenten bisher keine Berichte aus Europa bekannt geworden. Dennoch soll und muss man das Krankheitsbild kennen und an diese Möglichkeit denken, da sofort therapeutisch eingegriffen werden muss. Sonst kann es zu Todesfällen kommen. Wichtig erscheint es dem Referenten auch, insbesondere bei Adipösen oder solchen Patienten, die nicht sehr gepflegt wirken und vermutlich nicht sehr auf ihre Hygiene achten, darauf hinzuweisen, wenn man ihnen SGLT2-Hemmer verschreiben will, dass wegen der Zuckerausscheidung im Urin eine sorgfältige Genitalhygiene erfolgen soll.

Helmut Schatz

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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Eine Antwort auf Fournier-Gangrän unter SGLT2-Hemmern bei schlechter Genitalhygiene?

  1. Jörg Stefanovitch sagt:

    Auch ich habe unter SGLT2-Hemmern Balanitiden, bes.bei Patienten mit Phimose gesehen. Die Patienten sollen und müssen täglich die Unterhose wechseln!

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