Bochum, 9. Januar 2014:
Am 19. November 2013 verstarb in Cambridge im Alter von 95 Jahren der zweifache Nobelpreisträger Frederick Sanger. Im Jahre 1951 publizierte er zusammen mit dem Wiener Biochemiker Hans Tuppy die Aminosäuresequenz der B-Kette des Rinderinsulins (1). Diese Sequenzierung stellte einen Markstein der Eiweißchemie dar: Erstmals wurde die komplette Aminosäurefolge eines Eiweißmoleküls beschrieben und damit nachgewiesen, dass ein Eiweißmolekül aus einer spezifischen, linearen Anordnung von Aminosäuren besteht (2). Dazu hatte er eine Technik zur Farbmarkierung der einzelnen Aminosäuren entwickelt. Im Jahre 1958 erhielt er den Nobelpreis für Chemie. Die „Sanger-Methode“ fand auch Verwendung zur Sequenzierung der Desoxyribonukleinsäuren im menschlichen Genom-Projekt. Dies brachte ihm im Jahre 1980 den zweiten Nobelpreis für Chemie. Nur vier Menschen erhielten bisher zwei Nobelpreise.
Frederick Sanger war sein ganzes Leben lang ein Muster für Bescheidenheit, aber auch für konsequente Arbeit. Er hätte gewiss, wie Geoff Watts im LANCET schreibt (3), auch einen dritten Nobelpreis erhalten, wenn es einen solchen gäbe: den für „self-effacing modesty and understatement“. Die beabsichtigte Erhebung in den Adelsstand lehnte er mit den Worten ab: „I don´t think it would suit me“. Seine Einstellung zum Leben und auch zur Wissenschaft verdanke er, dass er als Quäker herangewachsen und in deren Geist erzogen worden sei.
Auf die Frage eines Nobelpreis-Kollegen, woher seine Begeisterung zum Sequenzieren von Proteinen gekommen sei, antwortete er: „Well, passionate´s a bit of a big word….I don´t think it was really like that at all. I was getting a job really… my professor ….happened to be working on insulin at the time…He gave me the problem” (3). Nach seiner Emeritierung verließ er gleichsam über Nacht sein Laboratorium und widmete sich 30 Jahre lang seinem Garten. Auf eine Reporterfrage, was sein größter Erfolg in der Hortologie nun sei, antwortete er in seiner typischen Art: „I don´t know really. I am just enjoying myself“.
Der Referent fühlt sich Frederick Sanger insofern verbunden, als er sich in Ulm in seiner Habilitationsarbeit intensiv mit der Insulinbiosynthese befaßt hat (2). Während seiner Internistenausbildungt an der Wiener Klinik hatte er auch Kontakt mit Hans Tuppy, dem damals jungen Professor für Biochemie und späteren Wissenschaftsminister der Republik Österreich. Mit dessen Wiener Institut hatte er schon 1961 an der Reise zum Weltkongreß für Biochemie in Moskau teilgenommen. Er war sehr beeindruckt, dass dieser schon in seinen ganz jungen Jahren Mitautor an der grundlegenden Arbeit des berühmten Nobelpreisträgers Frederick Sanger gewesen war (1). Frederick Sangers Lebensstil hebt sich wohltuend vom Verhalten mancher Wissenschaftler ab, in deren Leben die Karriere und die Selbstdarstellung eine nicht so unwichtige Rolle spielen.
Helmut Schatz
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Literatur
(1) F. Sanger, H. Tuppy: The amino acid sequence of the phenylalanine chain of insulin. I, II.
Biochem J. 49 (1951): 463-481, 481-490
(2) H.Schatz: Insulin: Biosynthese und Sekretion.
Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1976. p. 1
(3) G. Watts: Frederick Sanger. Obituary. Lancet 382 (2013): 1872
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