Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Freezing von unbefruchteten und befruchteten Eizellen – höheres Risiko für Präeklampsie


Medical Freezing und Social Freezing

Bochum, 16. August 2022:

Auf dem Jahreskongress der European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) in Mailand wurde am 6. Juli 2022 von Sindre Hoff Petersen aus Trondheim eine Untersuchung an mehr als 4,5 Millionen Schwangerschaften in Dänemark, Norwegen und Schweden vorgestellt (1), die demnächst im Journal Hypertension publiziert werden wird. Frauen nach assistierter Reproduktion hatten ein signifikant höheres Risiko für Präeklampsie mit Hypertonie als Frauen nach natürlicher Konzeption (7.4% vs. 4.3%; adjusted odds ratio, 1.74<, 95%CI, p<0.01). Dies bezog sich nur auf Schwangerschaften nach Transfer von kryokonservierten Embryonen. Bei Verwendung von frischen Embryonen zur in-vitro-Fertilisierung (IVF) fand sich kein unterschiedliches Hypertonie-Risiko. Als eine Erklärungsmöglichkeit wurde das Fehlen von Hormonen aus dem nicht vorhandenen Corpus luteum nach Embryotransfers in hormonell substituierten Zyklen angeführt (2). Elizabeth Ginsburg von der Gynäkologischen Abteilung des Brigham and Women´s Hospital in der Harvard Medical School, Boston  betonte aber  ausdrücklich, dass der ganz überwiegende Anteil der Kindern nach Transfer von tiefgefrorenen Embryonen gesund sei. Man solle aber die Schwangeren nach IVF besonders sorgfältig auf Hochdruckerkrankungen kontrollieren (3).

Kommentar

Im Jahre 2014 ging auch in Deutschland durch die Zeitungen, dass Apple und Facebook  ihren Mitarbeiterinnen unter 35 Jahren ein „Social Freezing“ angeboten haben, d.h., unbefruchtete Eizellen von ihnen auf Firmenkosten einfrieren („vitrifizieren“) zu lassen, wenn sie länger so wie bisher tätig beruflich tätig bleiben wollen , aber später, etwa um die 40 Jahre, Kinder bekommen wollen. Politiker und Kirchen waren empört.

Heute ist das Internet auch in Deutschland voll von Institutionen, die Eizellen tieffrieren und aufbewahren. Das Alter unter 35 Jahre sollte eine (noch) gute Qualität der Eizellen gewährleisten.  Vor der Eizell-Entnahme erfolgt eine subkutane Hormonbehandlung, die Eizellen werden ambulant unter vaginaler Ultraschallkontrolle durch Punktion unter leichter Sedierung gewonnen. Der Vorgang dauert etwa 15 min. Die Eizellen werden unter flüssigem Stickstoff bei -196 Grad C aufbewahrt. Social Freezing erfolgt ohne medizinischen Grund und muß von der Frau selbst bezahlt werden. Es ist in Deutschland auch legal und nicht verboten.

Beim „Medical Freezing“ liegen medizinische Gründe vor, so zur Fertilitätserhaltung bei Krankheiten oder vor medizinischen Behandlung mit irreversiblem Verlust der Gameten, Spermien oder Eizellen . Dies betrifft je nach Institution bis zu >70% aller Kryopräservierungen, etwa vor Chemo- oder Strahlentherapie bei Krebserkrankungen. Auch genetische Erkrankungen  können eine medizinische Indikation darstellen. Die Kosten für das Medical Freezing übernehmen i.d.R. die Krankenkassen.

Die Zahl von Frauen, die Eier einfrieren lassen, lag nach Erhebungen von STATISTA im Jahre 2013 in Deutschland bei ~1000, und stieg nach Einschätzungen von Fachkreisen bis 2022 auf etwa 10.000  mit weiter zunehmender Tendenz.

Die meisten kryokonservierten befruchteten Eizellen stammen aber aus Routinemaßnahmen der assistierten Reproduktion. In den USA wurden nach Zahlen des Centers for Disease Control and Prevention im Jahre 2020 320.000 IVF-Behandlungen insgesamt vorgenommen, davon ~123.000x mit tiefgefrorenen Eizellen oder Embryonen. Heute werden in den USA etwa 2% aller Kinder nach IVF geboren.

Nur am Rande sei hier erwähnt, dass auch bei Männern Spermien und Hodengewebe eingefroren und konserviert werden können (Kosten 500-800 Euro plus Lagerungskosten).

Helmut Schatz

Literatur

(1) Sindre Hoff Petersen et al: Abstract, presented at the 38th Annual Meeting of the European Society of Human Reproduction and Embryology, presented July 6, 2022

(2) Bhuchitra Sing et al.: Frozen-thawed embryo transfer: the potential importance of there corpus luteum in preventing obstetrical complications. Fertil Steril. Feb 2020; 113(2):252-257. Doi:10.1016/j.fertnstert.2019.12.007

(3) Olivia Dimmer; Mums Using Frozen Embryos Carry Higher Hypertensive Risk.
Medscape – July 26, 2022.

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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2 Antworten auf Freezing von unbefruchteten und befruchteten Eizellen – höheres Risiko für Präeklampsie

  1. Friedrich M. sagt:

    Kennt jemand Firmen, die auf der Welt, insbesondere aber in Deutschland auch heute ihren Mitarbeiterinnen Social Freezing anbieten?

  2. Johannes W. Dietrich sagt:

    Waren denn die Frauen in beiden Gruppen gleich alt? Eines der Hauptmotive für „Social Freezing“ stellt ja das Aufschieben einer möglichen Schwangerschaft dar. Und bekanntlich steigt das Risiko für eine Präeklampsie mit dem Alter. Für diesen statistischen Confounder müsste also kontrolliert worden sein.

    Literatur

    1. Sheen JJ, Huang Y, Andrikopoulou M, Wright JD, Goffman D, D’Alton ME, Friedman AM. Maternal Age and Preeclampsia Outcomes during Delivery Hospitalizations. Am J Perinatol. 2020 Jan;37(1):44-52. doi: 10.1055/s-0039-1694794. PMID: 31430824. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31430824/

    2. Lamminpää R, Vehviläinen-Julkunen K, Gissler M, Heinonen S. Preeclampsia complicated by advanced maternal age: a registry-based study on primiparous women in Finland 1997-2008. BMC Pregnancy Childbirth. 2012 Jun 11;12:47. doi: 10.1186/1471-2393-12-47. PMID: 22687260; PMCID: PMC3495042. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22687260/

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