DISKUSSIONSFORUM
Eine Untersuchung an >5000 unfruchtbaren Paaren ergab, dass 98% emotionalen Stress entweder als Ursache oder zusätzlichen Faktor für ihre Infertilität ansahen, und 31% als Ursache für Fehlgeburten (1). Viele der Leserinnen und Lesern werden wahrscheinlich ähnliche Erlebnisse gehabt haben wie der Referent (H.S.): Einer seiner Jugendfreunde bekam nach der Eheschließung 3 Jahre keine Kinder, worauf das Paar eines adoptierte. Drei Monate später wurde seine Frau schwanger. Und bei einem Medizinerkollegen, schon zu der Zeit, wo es die in-vitro-Fertilisationen gab, war es ebenso: 6 Monate nach der Adoption eines Kindes klappte es mit der Schwangerschaft.
Den Stress-Einfluss auf den weiblichen Zyklus sieht man bei der funktionellen hypothalamischen Amenorrhoe von Athletinnen, ein typisches Beispiel für sekundäres Ausbleiben der Menstruation von Frauen im gebärfähigen Alter. Diese ist verursacht durch Stress bei exzessivem Training und oft mentalen Traumata (2). Nach Wegfall des Stress ist sie reversibel. Auch der Stress bei der Diagnose von Krebs und anderen schweren Erkrankungen kann zu Infertilität führen (3). Chronischer Stress kann sich ebenfalls bei den Männern in verminderter Libido und nach vorliegenden Berichten in verminderter Spermienqualität auswirken.
Ein Zusammenhang zwischen Stress und Infertilität ist aber keineswegs bewiesen: Einige Studien weisen auf einen Zusammenhang hin (4), andere wieder nicht wie in zwei Metaanalysen, die keinerlei Zusammenhang von Stress mit dem Ergebnissen bei assistierten Reproduktionstechnologien (ART) fanden (5,6).
Historisches
Schon Hippokrates beobachtete im 5. Jhdt. v.Chr. einen Zusammenhang zwischen dem psychologischen Zustand einer Frau und ihrer Reproduktionsfähigkeit. Er nahm an, dass bei Frauen als körperlicher Ausdruck von psychischem Stress Sterilität resultiere. Seine Schüler nannten einen derartigen Zustand „Hysterie“ (nach dem altgriechischen Ausdruck für Gebärmutter). Im Mittelalter sah Hildegard von Bingen Unfruchtbarkeit als Folge von Melancholie; heute würde man dafür den Ausdruck „Depression“ verwenden.
Basierend auf der jahrtausendealten Erfahrungsmedizin und auch den neueren Erkenntnissen richten sich heute viele Fertilitätskliniken vor Beginn einer Behandlung von Unfruchtbarkeit sowohl bei der Frau als auch ihrem Partner nach dem hier abgebildeten Schema (7):
Wie sind Ihre Erfahrungen, wie ist Ihre Meinung dazu, liebe Leserinnen und Leser? Bitte um Kommentare!
Helmut Schatz
Literatur
(1) Mark P. Trolice, J Assist Reprod Genet. 2021, Apr; 38(4):877-887
(2) Endocrines. 2021;2:203-211
(3) J Psychosom Obstet Gynaecol. 1993; 14(Suppl):45-52
(4) J Hum Reprod Sci. 2018;!!.172-179
(5) Hum Reprod. 2011;26:2763-2776
(6) Brit Med J. 2011;342:d223
(7) Hum Reprod. 2006; 21(7):1651-1658
Meine Überlegungen zur Unfruchtbarkeit gehen dahin, dass ich annehme, es sei kein von außen kommender Stress, sondern eher die Angst, dass es wieder nicht klappen wird. Bei Sportlerinnen allerdings sind sicherlich das übermäßige Training und die damit verknüpften (Sieges-) Erwartungen Schuld. Außerdem glaube ich ,dass das höhere Alter (späte Erstgebärende!) auch eine Rolle spielt. Denke ich an meine Jugend, so weiß ich, dass wir damals (ohne Pille) immer Angst hatten, ein Kind zu bekommen, was ja auch häufig der Fall war. Wir waren aber auch mindestens 10 Jahre jünger als es heute der Fall ist.
Elli Wilsberg
Dem Beitrag von Frau Wilsberg stimme ich zu, nämlich dass der Stress „selbstgemacht“ ist. Im Nachhinein gesehen, wird es mir ähnlich so gegangen sein: .Ich habe für damalige Verhältnisse allerdings spät mit 30 Jahren geheiratet, wurde ENDLICH mit 36 Jahren schwanger und hatte einen Abort nach 3 Monaten, was biologisch begründet war. Danach hat es nicht mehr geklappt, und wir haben uns unser Leben ohne Kind eingerichtet.