+ Klaus Ehrenberger
Wien, 16. Dezember 2024 (posth.)
Permanenter Friede auf Erden ist ein uralter Menschheitstraum.
Heerscharen von antiken Göttern, deren Hohepriester und Propheten, suchten mit drakonischen Maßnahmen bis hin zu Menschenopfern die Wirkung des Bösen aus der Welt zu vertreiben und so den Frieden zu sichern.
Jesus Christus lehrte dagegen, dass tätige Nächstenliebe, Demut, Verzeihung und Versöhnung das geeignete Vorgehen sei, um dieses Ziel zu erreichen. Dieser radikale Paradigmenwechsel war für die alten zornigen Gottheiten und deren weltliche Vertreter eine ungeheure Provokation. Christus musste sterben. Aber wie ein Pfingstwunder entstanden nach dem Kreuzestod im großen Römischen Reich zahlreiche kleine Christgemeinden, die dem Wort Gottes folgten und trotz aller Verfolgungen allmählich an Größe zunahmen und schließlich regionale und nationale Kirchen gründeten, die vielfach noch heute Bestand haben.
In Europa setzte sich die überregionale Kirche der Katholiken durch, die den römischen Bischof zum Papst bestimmte. Ausgehend von den Keimzellen der Klöster gründeten Mönche Schulen, Spitäler, Hospize, rodeten Wälder, förderten die Landwirtschaft und urbanisierten so Land und Leute. Die Gelehrsamkeit der Mönche förderte die Kultur und es entstand allmählich aus dem Zusammenwachsen der germanischen, slawischen und romanischen Lebensräume ein einheitliches christliches Abendland.
Die römischen Bischöfe, die Päpste, waren meist Mitglieder römischer Familien. Die zunehmende Machtfülle der Kirche liess sie allmählich die christliche Demut vergessen. Dagegen rebellierte eine Reihe von Reformatoren: Jan Hus, Martin Luther, Ulrich Zwingli, Johannes Calvin. Die katholische Kirche war nicht gewillt oder nicht imstande, die Reformatoren und ihre Gedanken aufzunehmen und zu integrieren. So kam es zum europäischen Schisma und heftige Religionskriege brachen aus. Das Christentum hatte seine Unschuld verloren und konnte das Böse in den eigenen Reihen nicht mehr abwehren.
In diesem lebensbedrohlichen Tumult übersahen die Kirchen das Aufkeimen einer weiteren, für sie tödlichen Gefahr: die Aufklärung. Für ein Verständnis der Welt brauchte es nun keine Kirchen mehr, sondern Messinstrumente. Eine Überfülle von Daten und deren Interpretationen stimulierten Wissenschaft und Technik als Voraussetzung der von Europa ausgehenden, die ganze Welt umfassenden modernen Zivilisation. Wissenschaft und Technik entwickelten sich zu dieser Zeit in Opposition zu den Kirchen und lösten eine atheistische Welle aus. Diese mündete in der mächtigen politischen Bewegung des Marxismus.
Gott wurde als veraltetes Denkmodell angesehen, seine Lehren als Geschichten für Sonntagsblätter. Schließlich wurde Gott für tot erklärt. Dostojewskis lakonischer Kommentar zu dieser Entwicklung: „Wenn Gott tot ist, ist alles erlaubt“. Diese prophetischen Worte wurden im 20. Jahrhundert grausame Wirklichkeit.
Und heute?
Nicht Gott ist tot, sondern seine Totengräber sind tot, allerdings unter Hinterlassung einer sich weiterhin ausbreitenden Säkularisierung. Religion und Staat sind getrennt, es gibt keine religiöse Kontrolle des gesellschaftlichen Lebens mehr. Laizistische Staaten und Organisationen übernahmen die zuvor ausschließlich kirchlichen sozialen Aufgaben. Sie bauen, wie früher die Mönche, Schulen, Hochschulen, Spitäler, Hospize, erklären die allgemeinen Menschenrechte, bauen die soziale Marktwirtschaft auf und schließen sich zu Hilfsorganisationen zusammen, um weltweit das Los der Menschheit zu lindern. Das ist friedensfördernde, tätige Nächstenliebe, die zum Teil viel Demut erfordert.
Entspricht dies Gottes Wille, wie ihn die Kirchen verkünden und benennen?
Ich bin überzeugt davon.
Klaus Ehrenberger
Wien, im Juni 2024
Nachruf für Klaus Ehrenberger
Über viele Jahre hinweg hat Herr Univ.-Prof. (emer.) Dr. med. Klaus Ehrenberger, Direktor a.D. der HNO-Klinik der Universität Wien zusammen mit mir, seinem Schulfreund aus Grazer Tagen, zum Weihnachtsfest Beiträge im DGE-Blog über die Religionen und Weltanschauungen der Erde geschrieben. Für dieses Jahr hatten wir das Christentum als Thema gewählt. Klaus Ehrenberger schickte mir zu meiner Überraschung seinen Beitrag schon im Juni 2024. Im Juli erfuhr ich dann von seiner Frau Heidi über seinem Tod nach kurzer, schwerer Krankheit. Die Illustrationen mit dem Text zu seinen Todesanzeigen – privat und für die Zeitung – entwarf Klaus vor seinem Ableben noch selbst. Er hatte sich nach seiner Emeritierung intensiv der Malerei gewidmet (siehe Abbildungen).
Klaus Ehrenberger (re) mit mir vor dem Plakat zu seiner Ausstellung im Wiener Künstlerhaus 2015
Ruhe in Frieden, lieber Klaus!
Ein besinnliches Weihnachtsfest und Friede auf Erden wünscht,
auch im Sinne von + Klaus Ehrenberger
Helmut Schatz
Bochum, 16. Dezember 2024
Wusste nicht, dass Prof. Ehrenberger, einer der letzten Herren unserer Zeit, gestorben ist. Auch, dass er Grazer war ist mir neu.
In der Nachsorge von Patienten mit Schilddrüsenkarzinom hatten wir eine gemeinsame Zeit. Sein Einsatz für Patienten war vorbildlich.
Dass die Zusammenlegung der beiden Wiener HNO Uni-Kliniken mit ihm als Leiter der neuen Klinik so problemlos klappte, war seinem Charisma zu verdanken.
Requiescat in pacem!
Ein interessanter Artikel von Prof. Ehrenberger, dem ich teilweise zustimmen möchte. Zu bedenken ist aber, wenn er meint daß laizistische und soziale Institutionen die Funktionen der Kirchen übernommen haben zum Wohle aller. stimmt das zwar, aber nach dem bekannten Böckenfördeschen Diktum muß,es Werte geben, welche der freiheitliche Staat nicht aus sich selbst heraus garantieren kann. Und da liegt das Problem. Man erlebt doch in total entchristlichten Gesellschaften, wie sich Ungeist ausbreitet, siehe AFD etc. Ausländerhaß ist im christlichen Kontext völlig undenkbar, man denke an den barmherzigen Samariter.Und wie wird unsrere Gesellschaft ohne Kirchen in 50 Jahren aussehen? Ich glaube, radikal verändert. In Diesem Sinne ein frohes Weihnachtsfest., und anbei noch ein Artikel aus der heutigen FAZ
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Die Hinführung des + Herrn Ehrenberger ist kompakt und detailliert gleichzeitig. Und grandios finde ich seine Schlussfolgerung – Gottes Totengräber sind tot, alles ist erlaubt.
Es gibt von mir jedoch ein ABER – es ist NICHT alles erlaubt,nur viele Menschen sind dieser Meinung und nehmen einfach sich das Recht heraus, zu tun, was sie für richtig und gut halten. Ohne Rücksicht auf Verluste.
Obwohl die meisten Christen aus der Bibel genau wissen, was sie tun sollten/müssten/dürften, handeln viele so, als ob sie nur ihre eigenen Gesetze, Vorstellungen, Interessen im Vordergrund stehen. Das macht es leider auch notwendig, dass nicht religiöse Organisationen das übernommen haben bzw. übernehmen, was Aufgabe der Kirche wäre.
Und noch ein Gedanke – die Totengräber leben beauftragt durch den Menschen noch immer: Egoismus, Hass, Geiz, Gier, Neid usw. Sie bewegen sich gestärkt durch die sozialen Medien noch durchdringender durch die Gesellschaft