Bochum, 12. Mai 2024:
Der Wiener Biochemiker Hans Tuppy, geboren am 22. Juli 1924 und gestorben am 24. April 2024 in Wien, arbeitete nach dem Chemiestudium in Wien als junger Forscher mit einem Stipendium 1949 in Cambridge am Institut von Frederick Sanger. Dort analysierte er zusammen mit dem Institutschef die Struktur der B-Kette des Rinderinsulins und bewies damit, dass das Eiweißmolekül aus einer spezifischen, genau festgelegten Abfolge von Aminosäuren besteht und nicht, wie vorher vielfach angenommen wurde, aus einer mehr oder minder willkürlichen Ansammlung von Aminosäuren (1). Frederick Sanger erhielt für diese gemeinsam mit Hans Tuppy gewonnene Erkenntnis und seine späteren Arbeiten zur Proteinsequenzierung im Jahre 1958 allein den Chemie-Nobelpreis.
Hans Tuppy (Foto privat)
Hans Tuppy arbeitete nach nur 1 Jahr in Cambridge am Karlsberg-Laboratorium in Kopenhagen und kehrte 1951 an die damalige Biochemische Abteilung des II. Chemischen Instituts an der Wiener Medizinischen Fakultät in der Wasagasse im 9. Wiener Gemeindebezirk zurück, später von Vielen als „Fast-Nobelpraisträger“ bezeichnet. Seine Interessen galten nicht nur der Strukturaufklärung von Peptiden und Proteinen. Er forschte auch über Nukleinsäuren, Kohlenhydrate und Viren und entdeckte u.a. einen Neuraminsäure-Abkömmling mit antiviraler Wirkung. Weitere Forschungsgebiete betrafen die Zellatmung, Zelloberflächenantigene und die Mitochondrien. Der Bruder des Referenten (H.S), Gottfried Schatz, arbeitete zu dieser Zeit an Tuppys Institut und gemeinsam mit E. Haslbrunner glückte den Biochemikern der Nachweis, dass die Mitochondrien Desoxyribonukleinsäure (DNA) enthalten und diese auch weitergeben können (2). Mein Bruder bekam deshalb den Spitznamen „Mito-Schatz“ (während ich als „Schatzimoto“ bezeichnet wurde, da ich, schon in den 1960er Jahren, die Schilddrüsenantikörper einschließlich LATS bei Hashimoto- und Basedow-Patienten bestimmte, später auch für die große deutsche Studie von Horst Schleusener (3).
Im Jahre 1961, in der wohl heißesten Phase des „Kalten Krieges“, fand der Weltkongress für Biochemie in Moskau statt, zu dem die Abteilung von Hans Tuppy fahren durfte und ich als Mediziner und Gast mitreisen durfte. Ich lernte dabei Hans Tuppy als liebenswürdigen, freundlichen und unkomplizierten Menschen kennen. Er war Forscher aus Begeisterung und wollte die Rahmenbedingungen für die Wissenschaft in Österreich ändern. Von 1987-1989 war er österreichischer Wissenschaftsminister. Vorher amtierte er schon als Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, wo er das internationale Peer-Review-System einführte. 1970-1972 fungierte er als Dekan der Medizinischen Fakultät und 1983-1985 als Rektor der Universität Wien sowie Vorsitzender der Österreichischen Rektorenkonferenz, und auch als Präsident der Akademie der Wissenschaften. Der Abtrennung der MedUni von der Universität Wien stand er kritisch gegenüber, weil er die Zusammengehörigkeit der Medizin mit den naturwissenchaftlichen Fächern als wichtig ansah; er konnte diese aber nicht verhindern. Von 2003 bis 2008 bekleidete er das Amt des Vorsitzendern der Universität für Bodenkultur Wien.
Hans Tuppy, geprägt von christlicher Überzeugung seit seiner Jugend, Mitbegründer der Katholische Hochschulgemeinde und der Freien österreichischen Studentenschaft, wurde später in die Päpstliche Akademie der Wissenschaften berufen. Die Aufzählung aller seiner Ämter, Auszeichnungen und Ehrungen würde den Rahmen des DGE-Blogs sprengen.
Jetzt ist Hans Tuppy, nur wenige Wochen vor seinem 100. Geburtstag gestorben. Die österreichischen und die internationalen Wissenschaftler, im Besonderen auch die Diabetologen und Endokrinologen, gedenken seiner in Dankbarkeit und Ehrfurcht.
Helmut Schatz
Literatur
(1) Frederick Sanger und Hans Tuppy: The amino acid sequence in the phenylalanine chain of insulin. (Teil 1 und 2).
Biochem. J. 49: 463-481 und 481-490
(2) G. Schatz, E. Haslbrunner und H. Tuppy: Desoyribonucleic acid associated with yeast mitochondria.
Biochem. Biophys. Res. Communic. (March 9, 1964), 15 (2): 127-132
(3) Horst Schleusener…..H. Schatz ….et al: Prospective multicentre study on the prediction of relapse after antithyroid drug treatment in patients with Graves` disease.
Acta Endocrinol (Copenhagen) 1989; 120:689-701
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