Baden-Baden, 19.-21. März 2025
Helmut Schatz, Bochum und Ulrike Schatz, Dresden
Bochum und Dresden, 24. März 2025:
Unter der Präsidentschaft von Jan Tuckermann, Ulm fand vom 19.-21.3.2025 im Kongresshaus Baden-Baden, organisiert vom Tagungspräsidenten Jens Brüning, Köln und seinem Team der sehr gut besuchte 68. Deutsche Kongress für Endokrinologie statt. Hier soll – in durchaus subjektiver Auswahl – über einige Highlights der Tagung berichtet werden.
***
Data Science, Künstliche Intelligenz:
In seinem Plenarvortrag nach der Kongresseröffnung sprach Andreas Beyer, Professor für Systembiologie an der Universität Köln zum Thema „Data Science für eine moderne Biomedizin“. Zu Beginn zeigte er ein eindrucksvolles Bild von Persönlichkeiten, die sich zur Weiterverarbeitung von Dateninformationen zu Wissen, zu Wahrheit und darüber hinaus bis zu Weisheit äußerten (siehe Abbildung unten). Andreas Beyer betonte aber auch, dass in der heutigen Medizin Daten und die Künstliche Intelligenz zwar unverzichtbar seien, aber eines nicht könnten: Fragestellungen hervorbringen.
***
Compliance vs. Adherence:
Einer bei uns von viele Ärzten nicht immer gemäß der im Deutschen definierten Unterscheidung zwischen Compliance vs. Adherence erläuterte Prof. Peter Kann, Marburg:
Compliance: paternalistisches Modell
Therapietreue -> der Patient tut, was der Arzt von ihm verlangt
Adherence: kooperatives Modell
Aktive Zusammenarbeit von Arzt und Patient im Sinne einer gemeinsamen Entscheidungsfindung und Therapiezielvereinbarung
Dachverband-Adherence.de (2024). (Initiative Leitender Pflegekräfte)
Peter Kann wies anschließend darauf hin, dass im Angloamerikanischen diese beide Ausdrücke in Bezug auf die Medikamenteneinnahme jedoch synonym gebraucht werden:
„Medication compliance and medication adherence are synonyms referrimg to „the act of confirming to the recommendations made by the provider with respect to timing, dosage, and frequency of medication taking,“
Higgins & Green The Cochrane Collaboration 2011
***
Die renommierte Berthold-Lecture hielt Sir Stephen O`Rahily , irisch-britischer Professor für Clinical Biochemistry and Medicine am Institute of Metabolic Sciences an der Cambridge University, UK, zum Thema: „Adventures in Endocrinology, Metabolism and Behaviour“. O´Rahily et al. identifizierten >20 erbliche Stoffwechselkrankheiten, deren Ursache Genveränderungen sind. Auch Übergewicht und Adipositas können durch Genveränderungen verursacht werden. O´Rahily studierte u.a. auch erbliche Ursachen der Insulinresistenz.
***
Breit behandelt wurden auf dem 68. Deutschen Hormonkongress Themen aus dem Bereich Transgender/ Geschlechtsdysphorie. Ein Update Transgender fand unter dem Vorsitz von Jörg Bojunga und Gesine Meyer, beide Frankfurt a.M. statt.
Susanne Junginger, Hamburg berichtete über die Versorgungsrealität geschlechtssdysphorer Personen. Auf der Abbildung unten kann man (gerade noch) erkennen, wie die Zahl der dysphoren Personen in den letzte 10 Jahren ständig bis zum heute über Vierfachen zugenommen hat (Ordinatenanstieg von links nach rechts).
In den USA erfolgten für Transpersonen einschneidende Maßnahmen: Dekrete von Präsident Trump 2025:
21.1.25: Die medizinische Versorgung von Transpersonen in den USA wird unterbunden
22.1.25: Trans Personen dürfen nicht im Militär dienen
27.1.25: Es werden keine geschlechtsneutralen Reisepässe mehr ausgestellt
29.1.25: Bundesgelder für geschlechtsangleichende Eingriffe bei Minderjährigen werden gestrichen
Dekret wurde aber von Bundesrichtern zunächst gestoppt
6.2.25: Trans Frauen werden von Frauensportveranstaltungen ausgeschlossen
27.2.25: In Pässen und Visa wird nur noch das bei Geburt zugewiesene Geschlecht eingetragen.
Ein kontrovers diskutiertes Thema behandelte Florian Josef Schneider, Pädiater in aus Münster: „Fertilitätsprotektion bei prä- und postpubertären Transpersonen“. Es wurde über ein „Trans-Mädchen“ im Alter von 17 Jahren berichtet. Nicht allen Ärzten dürfte nicht bekannt sein, dass man schon im Kindes- und Jugendalter medizinisch eingreifen darf. Ab dem Pubertätsstadium Tanner II könne man die weitere Geschlechtsentwicklung stoppen und dann später, nach Einwilligung der Eltern, transgeschlechtlich aktiv werden *). Dazu sei jetzt eine Leitlinie in Vorbereitung, über die schon heftig diskutiert wurde. Von Seiten der DGE würde sie, wie der Referent von einem der Entscheidungsträger der (Erwachsenen-) DGE hörte, zur Zeit in der derzeitigen Form abgelehnt. Zu diesem Thema und die geplante Leitlinie würde am nächsten Tag in der Sitzung „Geschlechtsdysphorie“ Frau Professor Annette Richter-Unruh, Pädiaterin aus Bochum / MVZ Dortmund sprechen: „Indikationsstellung der Therapie bei Kindern und Jugendlichen“ (siehe Teil II des Kongressberichtes im DGE-Blog).
Interessant war das präsentierte Wahlprogramm 2025 der Union:
„Kinder- und Jugendschutz statt beliebiger Identitätspolitik“
Das Selbstbestimmungsgesetz der Ampel erlaubt bei Kindern und Jugendlichen, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen auch ohne Gutachten oder Beratung und gerichtliche Entscheidung zu ändern. Das lehnen wir entschieden ab. Gerade in der altersbedingten volatilen Lebensphase der Pubertät muss ausgeschlossen werden, dass Persönlichkeitszweifeln mit einem leichtfertigen Geschlechtswechsel begegnet wird. Es braucht in jedem Fall unabhängige psychologische Gutachten. Operative Eingriffe vor der Volljährigkeit lehnen wir grundsätzlich ab.
„Kein leichtfertiger Geschlechtswechsel bei Erwachsenen“
Der Wechsel des Geschlechtseintrags darf nicht der Beliebigkeit hingegeben werden. Auch gilt: Jeder geschlechtsangleichenden Operation muss eine ausführliche unabhängige Zweitberatung vorausgehen.
Am letzten Kongresstag sprach in der Sitzung über „Geschlechtsdysphorie“ Frau Professor Annette Richter-Unruh, Pädiaterin aus Bochum/ MVZ Dortmund zum Thema „Indikationsstellung der Therapie bei Kindern und Jugendlichen“.
Darüber wird im DGE-Blog in Teil II des Beitrags über den 68. Deutschen Hormonkongress berichtet werden.
Helmut Schatz und Ulrike Schatz
*) Von der Großmutter eines dem Referenten H.S. bekannten Transmannes wurde zu diesem Thema das Buch empfohlen: „Die anderen Geschlechter: Nicht-Binarität und ganztrans*normale Sachen“ von Dagmar Pauli, Chefärztin und medizinisch-therapeutische Leiterin der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Universitätsklinik Zürich, erschienen im C.H. Beck-Verlag.
Am 5. April 2025 erschien in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) ein Bericht, dass die US-Regierung heftig kritisiert wird, weil sie sich in in die Inklusionspolitik französischer Firmen einmischt. und die französischen Firmen unter Druck setzt, ihre Programme für Diversität einzustellen.
Lieber Herr Schröter, Bitte hier das Bild vom Zeitungsartikel einbauen, falls möglich. Danke!
Herzlichen Dank für die spannende Zusammenfassung mit dem durchaus politischen Fokus Richtung Übersee. Wie alles im Leben wird auch das dem Zeitgeist unterworfen sein. Alles geht und vergeht in Wellen.