Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Hormonelle Empfängnisverhütung erhöht auch mit den neueren Präparaten das Brustkrebsrisiko


Graz, 2. Januar 2018:

Im Dezember-Heft des New England Journal of Medicine berichten Lina S. Morch et al. aus Kopenhagen (1) über 1.8 Millionen dänische Frauen zwischen 15 und 49 Jahren, die im Mittel ~10 Jahre lang kontrolliert wurden. Es traten ~11.500 Brustkrebs-Fälle auf. Das relative Risiko der Frauen, die aktuell hormonale Kontrazeptiva anwenden oder bis vor kürzerer Zeit verwendeten, war im Vergleich zu denen ohne hormonelle Empfängnisverhütung deutlich erhöht (RR 1.20, 95 % CI , 1.14-1.26). Das RR stieg von 1.09 bei Kontrazeptiva-Gebrauch bis zu 1 Jahr auf 1.38 bei >10 Jahre (p=0.002) Auch nach Absetzen der hormonellen Kontrazeption war das Brustkrebsrisiko höher, wenn die Präparate 5 Jahre und länger eingenommen worden waren. Das Risiko variierte mit den verschiedenen oralen Hormonpräparaten (Östrogene -Gestagene) zwischen 1.0 und 1.6. Auch Frauen, die nur Gestagene über intrauterine Systeme verwendeten, hatten ein erhöhtes Brustkrebsrisiko (RR 1.21; 95% CI, 1.11-1.33). Der absolute Anstieg der Mammakarzinome bei gegenwärtigen oder früheren Anwendern irgendeiner hormonellen Kontrazeption betrug 13 pro 100.000 Personenjahre (95% CI, 10-16), oder 1 Extra-Brustkrebsfall pro 7690 Frauen, die 1 Jahr lang hormonelle Kontrazeption betrieben hatten.

Kommentar

In seinem Editorial betont David J. Hunter vom Nuffield Department of Population Health der Universität Oxford (2), dass ein Zusammenhang zwischen hormoneller Kontrazeption und Brustkrebs zwar schon vielfach gezeigt worden war, auch den Nurses´ Health Studies. Der neue Aspekt der gegenwärtigen Untersuchung (1) sei aber, dass die neueren, seit 1995 verwendeten Präparate überprüft wurden und in Erweiterung der bisherigen Befunde zeigt die Studie auch, dass ein erhöhtes Brustkrebsrisiko auch nach über 5-jährigem Zurückliegen einer längeren Zeit der Einnahme weiter bestehen bleibt. Die Subgruppenanalysen der verschiedenen Präparate, insbesondere der Gestagene ergaben zwar einige Unterschiede, aber die Konfidenzintervalle überlappten, insgesamt bestand ein 20% höheres Risiko. Die Studie belegte, dass keine Formulierungen risikolos sind, auch nicht die neueren. So war etwa sowohl bei oralem Levonorgestel als auch Intrauterin-Systemen mit Levonorgestrel-Freisetzung das Risiko in gleicher Weise erhöht.

Bei jungen Frauen ist das Brustkrebsrisiko sehr gering. So war es bei den unter 35-Jährigen unter hormoneller Empfängnisverhütung nur um 2 pro 100.000 Personenjahre höher als ohne: die meisten Krebsfälle wurden bei Frauen ab dem 40. Lebensjahr beobachtet. Man muß auch das Brustkrebsrisiko mit dem Nutzen der oralen Kontrazeptiva vergleichen. Abgesehen von der Empfängnisverhütung profitieren davon auch Frauen mit Dysmenorrhoe oder Menorrhagie und das Risiko für Karzinome der Ovarien, des Endometriums oder für kolorektale Krebsformen im späteren Leben ist verringert. Man hat sogar eine leichte Reduktion des gesamten Krebsrisikos durch orale Kontrazeptiva errechnet (3). Dennoch sprechen das erhöhte Risiko für ein Mammakarzinom insbesondere der Frauen in ihren 40er-Jahren sowie weitere Risiken wie für Herzinfarkte und Schlaganfälle bzw. Thromboembolien dafür, vor allem für diese Altersgruppe nach anderen, nicht-hormonellen, reversiblen Kontrazeptionsformen zu suchen.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Lina S. Morch et al.: Contemporary hormonal contraception and the risk of breast cancer.
New Engl. J. Med., December 7, 2017. 377:2228-2239. DOI: 10.10.56/NEJMoa17000732

(2) David D. Hunter: Oral contraceptives and the small increased risk of breast cancer. Editorial.
New Engl. J. Med., December 7, 2017. 377:2276-2277. DOI: 10.1056/NEJMe1709636

(3) S. S. Bassuk et al.: Oral contraceptives and menopausal hormone therapy. Relative and attributable risks of cardiovascular disease, cancer, and other health outcomes.
Ann. Epidemiol. 2015. 25:193-200

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2 Responses to Hormonelle Empfängnisverhütung erhöht auch mit den neueren Präparaten das Brustkrebsrisiko

  1. PD Dr.Sigrun Merger says:

    Sehr geehrter Herr Professor Schatz,
    ich finde es immer wichtig zur wissen, wie hoch das absolute Risiko, nicht das relative Risiko ist. Gibt es hierzu Aussagen in der Studie?
    Auch ist ja bekannt, das viele Östrogenderivate über den Wachstumshormonrezeptor angreifen, für viele Progesteronderivate sind auch veränderte Angriffspunkte beschrieben.
    Daher wäre es interessant, ob es eine Zuordnung nicht zu neu/alt, sondern zu den Östrogen-/Progesteronderivaten gibt. Auch fände ich spannend, wenn es bekannt wäre, ob die Betroffenen Mamma-Ca-Gene haben. gibt es dazu Infos?
    Ich bin wie immer sehr gespannt.

  2. Helmut Schatz says:

    Sehr geehrte Frau Kollegin Merger, den absoluten Risikoanstieg finden Sie in der von mir zitierten Literatur: In der Publikation und im Editorial von David J.Hunter steht, dass dieser Anstieg insgesamt 13 pro 100.000 Personenjahre betrug, aber nur 2 pro 100.000 bei Frauen <35 Jahre. Dies ist insgesamt etwa 1 Extra-Fall von Brustkrebs für je 7690 Frauen, die für 12 Jahr hormonelle Kontrazeption betrieben haben.Für die übrigen Fragen sehe Sie bitte selbst in der Originalpublikation im NEJM nach.

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