Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Inflammation von Nervenzellen und Glia im Hypothalamus durch hyperkalorische Ernährung: Gezielter Therapieansatz mit anti-inflammatorischen Substanzen bei Übergewicht und metabolischem Syndrom?


Bochum, 2. April 2014:

Eine hypothalamische Neuropathie scheint ein Kandidat in der Pathogenese von Metabolischem Syndrom mit Übergewicht und Diabetes zu sein. Unter hochkalorischer Kost findet man im Hypothalamus eine vermehrte Gliose und Angiogenese als Ausdruck einer hier ablaufenden Inflammation. Diese Prozesse beschreiben Martin Jastroch und Mitarbeiter aus München in einer Übersicht zum derzeitigen Wissenstand über Hypothalamus und Metabolisches Syndrom (1).

In verschiedenen hypothalamischen Kernen findet man Rezeptoren und Transporter für stoffwechselrelevante Hormone: Insulin, Leptin, Ghrelin, Glukokortikoide, Östrogene, Schilddrüsenhormone, GLP-1, CCK, GIP, Oxyntomodulin (OXM), PYY, und auch für Glukose, freie Fettsäuren und Aminosäuren. Das wichtigste Zentrum für den Stoffwechsel ist offenbar der Nucleus arcuatus. Es unterliegen sowohl hypothalamische Astrozyten als auch die hypothalamische Mikroglia dem Inflammationsprozess.

Eine gezielte anti-inflammatorische Therapie nur in diesen Arealen wäre ein möglicher, wünschenswerter Ansatz. Um die systemische Wirkung von Medikamenten auf den gesamten Körper mit ihren Nebenwirkungen zu vermeiden, sollten diese zellspezifisch zugeführt werden. Dafür gibt es schon Strategien (2). Das Prinzip dieser „targeted pharmacotherapy“ besteht in der Konjugation eines Trägerpeptids wie GLP-1 mit einem an Kernrezeptoren andockenden Hormon wie Östrogen oder auch Cortisol. Somit werden nur die Zellen erreicht, die für beide Hormone Rezeptoren besitzen, wie es in der Schlüsselregion für die Stoffwechselkontrolle im Hypothalamus der Fall ist. Es bleibt bei Menschen zu zeigen, dass das wirklich funktioniert und auch, dass dort eine zentrale Inflammation wichtig ist.

Kommentar

Dieser hypothalamische Ansatz zur Behandlung des Übergewichts ist ebenso faszinierend wie der einer gezielten Steigerung des Stoffwechsels in der Peripherie, worüber im DGE-Blogbeitrag vom 4. Dezember 2012 berichtet wurde (3). Die Mikroglia rückt mehr und mehr in den Fokus: So hat man durch Unterdrückung des Enzyms IKK-ß in der hypothalamischen Mikroglia, welches NF-kappa-ß aktiviert, die Wahrnehmungsfähigkeit, Leistung, Beweglichkeit und auch die Lebensspanne der Tiere um etwa ein Viertel verlängern können (4). Eine Bekämpfung des Metabolischen Syndroms über einen hypothalamischen Angriffspunkt wäre angesichts der Zunahme der Adipositas und der bisher doch recht erfolglosen Versuche einer medikamentösen Intervention dringend erforderlich. Sonst bleibt bald wohl nur mehr der chirurgische Ansatz der bariatrischen Chirurgie, getreu einem chirurgischen Leitspruch: „Vulnerando sanamus!“.

Helmut Schatz

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Literatur

(1) M. Jastroch et al.: The hypothalamic neural-glial network and the metabolic syndrome.
Best Practice & Research Clinical Endocrinology & Metabolism.
http://dx.doi.org/10.1016/j.beem.2014.02.002

(2) B. Finan et al.: Targeted estrogen delivery reverses the metabolic syndrome.
Nat. Med. 2012. 18:1847-56

(3) H. Schatz: Antikörper gegen den Rezeptor des Fibroblastenwachstumsfaktors-21 verringert Übergewicht und Blutzuckerspiegel.
DGE-Blogbeitrag vom 4. Dezember 2012

(4) H. Schatz: Anti-Aging durch NF-kappa-ß–Hemmung im Hypothalamus – Mikroglia als Epizentrum des Alterungsprozesses?
DGE-Blogbeitrag vom 4. Mai 2013

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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