Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Verdoppeln Kalziumsupplemente bei Frauen die Sterblichkeit an Herzinfarkt?


Bochum, 25. Februar 2013: Eine schwedische Langzeituntersuchung an Frauen ergab bei höherer Kalziumzufuhr durch Supplemente eine Verdoppelung des Herztodes und eine gesteigerte Gesamtsterblichkeit im Vergleich zu normaler Kalziumaufnahme. Für den Tod durch Schlaganfall fand sich kein Unterschied (1).

Die Autoren werteten die Daten der schwedischen Mammographie-Kohorte aus den Bezirken Uppsala und Västermansland aus. Die > 60.000 Teilnehmerinnen wurden 1987-1990 rekrutiert. Daten zur Kalziumzufuhr durch die Ernährung sowie zur supplementären Kalziumausnahme (Tabletten, Brause etc.) wurden durch Fragebögen zu Beginn und 1997 erhoben. Von ~40.000 Frauen waren diese Daten verfügbar.

Während der Beobachtungszeit von im Mittel 19 Jahren verstarben insgesamt ~12.000 Frauen, davon ~3.800 aus kardiovaskulärer Ursache, ~1.900 an Herzinfarkt und ~1.100 an Schlaganfall. Die höchste Aufnahme von Kalzium (>1400 mg/Tag, im Vergleich zu 600-1000 mg täglich) war mit einer gesteigerten Gesamtmortalität assoziiert: Die Hazard Ratio (HR) betrug 1.40. Für den Herzinfarkt betrug die HR sogar 2.14. Bei Frauen, deren hohe Kalziumaufnahme von >1400 mg/Tag durch Supplemente zustande kam, war das Gesamt-Todesrisiko 2.5 fach höher als bei gleicher Kalziumaufnahme nur durch die Nahrung ohne Supplemente.

Kommentar des Referenten

Im DGE-Blog-Beitrag vom 5. Februar 2013 (2) war über eine Studie der National Institutes of Health (NIH) berichtet worden, die auch eine Assoziation zwischen Kalziumaufnahme und Herztod bei Männern gefunden hatte (3). Die jetzige schwedische Studie an Frauen ist nach dem Kardiologen Professor John Cleland, U.K., „extremly complex, with rather weak findings“ (4). Manche Aussagen beruhen nur auf sehr kleinen Fallzahlen. Es ist auch nicht erkennbar, warum Frauen Kalziumsupplemente genommen haben und andere nicht. Dennoch empfiehlt John Cleland, dass man die Einnahme von Kalzium-Supplementen stoppen solle „….until efficacy/safety is shown“. Dieser Rat “…should definitely include those taking them for osteoporosis“. Und er gibt abschliessend den Rat: „Having a healthy balanced diet and avoiding water filters that reduce calcium in drinking water is probably the best“. Bei der Osteoporose wird bei der Basistherapie heute ohnedies das Gewicht mehr auf Vitamin D gelegt und nicht mehr auf Kalzium. Ich würde mich freuen, wenn Osteoporose-Spezialisten dies in unserem Blog kommentieren würden (bitte nach unten scrollen!).

Der Kommentator kann sich nicht dem Eindruck entziehen, dass jetzt auf manchem Gebiet der Weg „Zurück zur Natur“ beschritten wird. Über viele der in den letzten Jahren und Jahrzehnten propagierten Substanzen zur Ergänzung eines nahrungsbedingten Mangels mit dem Ziel einer Prophylaxe von Erkrankungen, manche auch gut vermarktet als Bestandteile von „Nahrungsergänzungsmitteln“, erscheinen jetzt große Studien, die keinen Nutzen oder sogar einen Schaden aufzeigen. Etabliert ist bei uns nach wie vor die Jodprophylaxe, aber deren Erfolge werden heute durch die Globalisierung auf dem Nahrungsmittelsektor teilweise wieder zunichte gemacht (5).

Helmut Schatz

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Literatur

(1) Karl Michaelsson et al., Long term calcium intake and rates of all cause and cardiovascular mortality: community based prospective longitudinal cohort study.
Brit. Med. J., published 13 February 2013; 346 doi: http://dx.org/10.1136/bmj.f228

(2) Helmut Schatz: Kalziumaufnahme mit erhöhter kardiovaskulärer Sterblichkeit assoziiert.
DGE-Blog-Beitrag vom 6. Februar 2013

(3) Qian Xiao et al.: Dietary and supplemental calcium intake and cardiovascular disease mortality. The National Institutes of Health – AARP Diet and Health Study
JAMA INTERN MED published online February 4, 2013
http://archinte.jamanetwork.com/on02/07/2013

(4) John Cleland, in: Daniel M.Keller: Mortality doubles with high calcium intake plus supplements.
Medscape. Feb 19, 2013.
http://www.medscape.com/viewarticle/779541_print

(5) Helmut Schatz: Wird Deutschland wieder ein Jodmangelland?
DGE-Blog-Beitrag vom 25. April 2012

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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