Bochum, 14. März 2016:
Am 1. März 2016 wurden im LANCET Diabetes & Endocrinology online die MAVIDOS-Studienresultate publiziert (1), einer multizentrischen, doppeltblinden, randomisierten, plazebokontrollierten Untersuchung über die Gabe von Vitamin D (1000 IE/Tag) oder Plazebo an über 1100 Schwangere. Primäres Outcome war der Ganzkörper-Mineralgehalt (BMC), erfasst mit der DXA-Technik, für alle Neugeborenen, ein präspezifiziertes sekundäres Outcome der BMC der im Winter (Dezember bis Februar) geborenen Babies. Ausgewählt wurden Schwangere mit einem Ausgangs-Vitamin-D – Spiegel zwischen 25 und 100 nmol/L (10-40 ng/ml) in der 10. bis 17. Schwangerschaftswoche (SSW), Schwangere darunter oder darüber wurden ausgeschlossen. Vitamin D oder Plazebo wurde ~ ab der 14. SSW bis zur Geburt oral gegeben.
Ergebnis: Für das Gesamtkollektiv zeigte sich kein Einfluss von Vitamin D auf den Ganzkörper-Mineralgehalt (BMC), hingegen war dieser bei den „Winter-Babies signifikant höher (63.0 g vs. 57.5 g, p=0.04). Bei den Müttern der „Winter-Babies“ war der Vitamin-D – Spiegel von der 14. bis zur 34. SSW in der Plazebogruppe abgefallen, bei Vitamin-D_ Gabe hingegen angestiegen.
Kommentar
Vitamin D wird bei uns ebenso wie in vielen anderen Ländern im 1. Lebensjahr zur Rachitisprophylaxe an die Neugeborenen gegeben. Die Frage des Nutzens von Vitamin D für den Knochen auch schon im Embryonalstadium ist nach MAVIDOS differenziert zu beantworten: In dieser sehr sorgfältigen Studie fand sich im Gesamtkollektiv der Schwangeren mit niedrigen bis niedrigeren Ausgangsspiegeln von Vitamin D kein Effekt auf das Knochenwachstum. Bei den im Winter geborenen Kindern wurde hingegen unter Vitamin D ein höherer Ganzkörper-Mineralgehalt als in der Plazebogruppe gemessen. Die Nachbeobachtung über Jahre wird nun zeigen müssen, ob dieser günstige Effekt anhaltend ist. In der ALSPAC-Studie (siehe DGE-Blog von 2013, Lit. 2) hatte sich kein Zusammenhang zwischen den Vitamin D – Spiegeln in den tiefgefroren konservierten Blutproben von ~4000 Schwangeren und der Knochendichte ihrer Kinder im Alter von 9-10 Jahren gezeigt.
Ob man in der Schwangerschaft generell Vitamin-D geben soll, ähnlich wie etwa Jodid oder auch Folsäure, wird weltweit kontrovers diskutiert. Während das britische NICE und die Pädiatrische Gesellschaft Kanadas eine Vitamin-D –Gabe empfehlen, kam die Amerikanische College für Geburtshelfer und Gynäkologen (ACOG) im Jahre 2011 und bestätigt 2015 zu folgender Aussage (3): Es gibt nicht genügend Evidenzen für eine Empfehlung, alle Schwangeren auf ihren Vitamin-D-Status zu screenen (ähnlich wie etwa auf einen Gestationsdiabetes) und gegebenenfalls Vitamin D zu substituieren; Ausnahmen: Hochrisiko-Frauen wie etwa aus Südostasien, aus dem mittleren Osten, mit weitgehend bedeckender Kleidung, Schwarze oder auch Frauen mit Vitamin D-armen Kostformen, etwa Veganerinnen. Ein Kommentar des ACOG zu den MAVIDOS-Resultaten steht noch aus. In Deutschland werden von verschiedenen Fachgesellschaften unterschiedliche Ratschläge und Empfehlungen gegeben. Ob MAVIDOS hier einen Einfluss haben wird, bleibt abzuwarten.
Ian R. Reid von der Universität Auckland, Neuseeland plädiert in einem Kommentar zu den MAVIDOS-Resultaten (1) dafür, Vitamin D in einer Schwangerschaft nur dann zu substituieren, wenn der Spiegel von 25(OH)- Vitamin D unter 25-30 nmol/L (10-12 ng/ml) liege. Auch sollten generell zukünftige Studien über Vitamin-D nur an Personen erfolgen, deren Spiegel so niedrig sei. Man solle wegkommen von einer generellen „Massen-Medikation“ ohne gesicherten Nutzen (4).
Helmut Schatz
Literatur
(1) Cyrus Cooper et al.: Maternal gestational vitamin D supplementation and offspring bone health (MAVIDOS): a multicentre, double-blind, randomized placebo-controlled trial.
The Lancet Diabetes & Endocrinology published online: 1 March 2016.
DOI: http://doi.org/10.1016/S2213-8587(16)00044-9
(2) Helmut Schatz: Vitamin D – Spiegel der Schwangeren ohne Einfluss auf die Knochen ihrer Kinder.
DGE-Blogbeitrag vom 23. März 2013
(3) The American College of Obstetricians and Gynecologists: Committee Opinion.
http://www.acog.org/Resources-And-Publications/
(4) Ian R. Reid: Towards a trial-based definition of vitamin D deficiency.
The Lancet Diabetes & Endocrinology published online: 1 March 2016.
DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S22213-8587(16)00044-9
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Lieber Helmut,
besten Dank für die neuerliche Vit. D Arbeit.
Der Link zu dem Kommentar von I.R. REID ist funktioniniert nicht.
Grüße
Armin Steinmetz
Lieber Armin, hier das Zitat auf der Original-Publikation des Comment von I.R.Reid.
Herzliche Grüße
Helmut.
http://www.thelancet.com/diabetes-endocrinology
Published online March 1, 2016 http://dx.doi.org/10.1016/S2213-8587(16)0007