Bochum, 20. Januar 2025:
Am 5. Januar 2025 erschien in der WELT AM SONNTAG in Nummer 1 ein ganzseitiger Artikel mit dem Titel „Supplemente können sinnvoll sein“ (1). Nahrungsergänzungsmittel sind oft umstritten, „Kreatin aber ist eine der wenigen Ausnahmen“, schrieb darin Jürgen Gießing, Professor für Sportwissenschaft an der TU Kaiserslautern-Landau. Er gilt als Experte auf dem Gebiet der Supplemente, der über Kreatin auch ein umfangreiches Buch geschrieben hat.
Als Blogverantwortlichen der DGE erreichten mich in den darauffolgenden Tagen viele Anfragen zu Kreatin. Bisher wurde mir die Frage nach Kreatin als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) noch nicht gestellt. Daher soll hier im DGE-Blog über berichtet werden.
Sport
Im Sport ist Kreatin seit Jahrzehnten bekannt und wird dort breit eingesetzt. Ein Artikel von R. Nebel über „Creatin im Sport – Ergogenes Supplement?“ erschien in der Zeitschrift für Sportmedizin schon im Jahre 2002 (2). Dort heißt es: „Creatin als Nahrungsergänzungsmittel erfreut sich aufgrund seines potentiell „ergogenen“ Effektes bei Leistungs- und ambitionierten Freizeitsportlern zunehmender Popularität……. Zahlreiche Untersuchungen der letzten Jahre lassen eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit bei wiederholten maximalen oder submaximalen Belastungen vermuten. Nur wenige Studien belegen die Möglichkeit von Creatin, Leistungen im Wettkampf messbar zu verbessern……. Sowohl Ärzten, die Beratungen von Sportlern durchführen, als auch den Sportlern selbst sollte bewusst sein, dass die Langzeiteffekte einer Creatin-Zufuhr bislang unbekannt sind. Creatin steht derzeit nicht auf der Liste der verbotenen Substanzen des Internationalen Olympischen Kommitees (IOC).
Die erste dokumentierte Anwendung in einem Wettkampf erfolgte 1992 während der Olympischen Spiele bei britischen Sprintern und Hürdenläufern. Heute ist Kreatin im Spitzensport und im Bodybuilding-Bereich weit verbreitet. Das Internet ist voll von Angeboten für Kreatinpräparate, entweder als Monosubstanz, dann meist Kreatinmonohydrat, oder in Kombination mit anderen Stoffen.
Kreatin besteht aus den Aminosäuren Glycin, Arginin und Methionin. Es wird in Nieren und Leber hergestellt, aber auch über die Nahrung aufgenommen. Es liegt hauptsächlich in den Muskeln vor. Dort trägt es als Kreatinphosphat zur Energiebereitstellung bei. Durch die normale Bewegung der Muskeln verbraucht der Körper täglich etwa 2 Gramm Kreatin – das heißt, der Kreatin-Speicher in den Muskeln wird ein kleines Stück geleert.
Abbildung 1: Eines der im Internet in großer Zahl angebotenen Kreatin-Präparate erklärt den Wirkungsmechanismus:
Kreatin wirkt vor allem bei Kurzzeit-Sportarten wie z.B. dem 100m-Lauf, über längere Zeiträume wie z.B. beim Marathonlauf ist es nicht effektiv. Das mag man aus der Abbildung 2 ableiten, auf der zu erkennen ist, dass eine gesteigerte Energiebereitstellung durch Kreatin zusammen mit ATP frühzeitig erfolgt.
Medizinische Indikationen
Die Liste der Störungen/Erkrankungen, bei denen der Einsatz von Kreatin geprüft bzw. empfohlen wurde oder wird, ist lang. Als Beispiele sollen nur zwei von vielen Literaturstellen zitiert werden (3, 4).
Risiken von Kreatin
Die Sicherheit von Kreatin wurde im Jahr 2000 vom Scientific Committee of Food (SCF) geprüft: Es lagen keine Daten über bedeutende unerwünschte Wirkungen in Studien von Kreatin vor. Es wurde aber empfohlen, hohe Anfangsdosen (loading dose) zu vermeiden. Bei geringeren Zufuhren von bis zu 3 g Kreatin/Tag, die der täglichen Turnoverrate von Kreatin (etwa 2 g/Tag) ähnlich sind, wurden gesundheitliche Risiken als unwahrscheinlich erachtet. Diese Zufuhrmenge (3 g Kreatin/ Tag) ist ausreichend, nach Bewertungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), um eine Erhöhung der körperlichen Leistungsfähigkeit beim Schnellkrafttraining im Rahmen kurzzeitiger intensiver körperlicher Betätigung zu erzielen, oder bei Personen über 55 Jahren die Wirkung von spezifisch definiertem regelmäßigen Krafttraining auf die Muskelkraft zu steigern.
Nach neueren Daten kann es durch die Zufuhr von Kreatin bei Menschen mit Nierenerkrankungen zu Problemen kommen, oder bei Krankheiten, die auch die Leistungsfähigkeit der Niere einschränken können wie etwa Bluthochdruck und Diabetes, Der Grund: Überschüssiges Kreatin wird über die Niere ausgeschieden. Ist die Funktion der Niere eingeschränkt, wird Kreatin in der Niere eingelagert, was diese weiter schädigen kann. Abgesehen davon gilt die Einnahme von Kreatin aber grundsätzlich als risikoarm. Allerdings kann bei der Einnahme von Kreatin Gewichtszunahme auftreten. Das liegt daran, dass bei der Aufnahme von Kreatin in die Muskelzellen auch Wasser eingelagert wird. Das könnte das Verletzungsrisiko etwas steigern. Bei langfristiger Einnahme kann es zu einer weiteren Gewichtszunahme kommen, vornehmlich durch Zunahme der Muskelmasse.
Helmut Schatz
Literatur
(1) WELT AM SONNTAG: Supplemente können sinnvoll sein. Ausgabe Nr. 1 vom 5. Januar 2025 unter: THEMEN
(2) R. Nebel: Creatin im Sport – Ergogenes Supplement? Creatine in sports – an ergogenic supplement?
Medizinische Klinik 1 – Kardiologie, Pulmologie, Intensivmedizin – Klinikum Remscheid GmbH
(3) Darren G Candow et al.: Effectiveness of Creatine Supplementation on Aging Muscle and Bone: Focus on Falls Prevention and Inflammation
J Clin Med 2019 Apr 11; 8(4):488. doi: 10.3390/jcm8040488
(4) Institut für Neurowissenschaften und Medizin, Forschungszentrum Jülich, 24. September 2024: Dr. Ali Gordjinejad: Kognitive und neurometabolische Wirkung von Kreatin: Kreatin verbessert die kognitive Leistungsfähigkeit bei Schlafmangel
vielen dank für diese wertungsfreie objektive Zusammenfassung der Daten. Das ist in dieser Form extrem wertvoll für mich
Aus leidvoller Erfahrung im Familienkreis möchte ich auf die Bedeutung von Kreatin im Hirnstoffwechsel hinwiesen.
Kreatin-Mangel Syndrome sind genetisch bedingte (Erbweg: Autosomal rezessiv) angeborene Störungen des Kreatin Stoffwechsel im Gehirn. Sie führen zu schwerer intellektueller Retardierung und Anfallserkrankungen.
Manchmal (bei meinem Neffen leider nicht) hilft die Gabe von Kreatin Monohydrat mit dem Ziel die cerebralen Kreatin Spiegel anzuheben.
Lit:
J.F.Clark, K.M. Cecil : Diagnostic methods and recommendations for the cerebral creatine deficiency syndrome.
Pediatric Research 77, Nr 3, März 2015 Seite 398 – 405