Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss für medizinische Themen.

Kein Einfluss von Levothyroxin auf Schwangerschafts-Outcome bei euthyreoten Frauen mit Schilddrüsenantikörpern


Bochum. 10. April 2019:

In einer doppeltblinden, plazebokontrollierten Studie an ~1.000 euthyreoten Frauen mit Antikörpern gegen die thyreoidale Peroxidase (TPO) vor der Empfängnis und einer Vorgeschichte von Fehlgeburt oder Infertilität wurde kein Einfluss von 50 µg Levothyroxin (LT4) auf das Schwangerschafts-Outcome gefunden (1).

Es wurden ~20.000 Frauen von 49 britischen Krankenhäusern auf TPO-Antikörper und die Schilddrüsenfunktion getestet. 952 Frauen wurden zufallsausgewählt, 476 erhielten 1x täglich 50 µg LT4 und 476 ein Plazebo, beginnend vor der Empfängnis bis zum Schwangerschaftsende. Das primäre Outcome war eine Lebendgeburt nach mindestens 34 Schwangerschaftswochen. Es bestand eine hervorragende Mitarbeit der Frauen (98.7%). 266 von 470 der LT4-Gruppe (58%) und 274 (58%) der Plazebogruppe wurden schwanger, die Lebendgeburtsrate betrug 34% unter LT4 und 37% unter Plazebo. Auch bestand kein Unterschied zwischen anderen Outcomes einschliesslich Abort oder vorzeitiger Geburt. Ebenso unterschieden sich die in der Abbildung aufgelisteten präspezifizierten Subgruppen nicht. Ernste unerwünschte Nebenwirkungen traten unter LT4 in 5.9% und unter Plazebo in 3.8% auf (p= 0.14).

Kommentar

Unter Levothyroxin kam es bei den TPO-Antikörper-positiven, euthyreoten, oben näher definierten Frauen zu keiner höheren Rate an Lebendgeburten als unter Plazebo. Diese Problematik wurde in drei randomisierten Studien schon von anderen Autoren untersucht. Zwei Studien fanden einen positiven Einfluss einer LT4-Gabe (2), eine dritte nicht (3). Die Kollektive und Methoden waren aber unterschiedlich. Die Amerikanische Schilddrüsengesellschaft (ATA) schreibt in den Leitlinien 2017: „There exists insufficient evidence to conclusively determine wether LT4 (levothyroxine) therapy decreases pregnancy loss risk in TPOAb-positive euthyroid women who are newly pregnant“ und empfiehlt, dass „administration of LT4 to TPOAb-positive euthyroid pregnant women with history of loss may be considered given its potential benefits in comparison with its minimal risk”. Die hier besprochene “TABLET-Studie” (1) zeigt an einer großen Zahl von Teilnehmern, dass in dieser Situation eine LT4-Gabe, zumindest in der gewählten Dosis von 50 µg, konstant verabreicht und in nicht am TSH adaptiert, ohne Effekt ist. Sollte eine schon vorinformierte Frau in der Sprechstunde in Kenntnis ihres positiven Schilddrüsenantikörper-Befundes aber auf einer LT4-Behandlung bestehen, so sollten wir Ärzte angesichts der nicht erhöhten Rate ernster Nebenwirkungen dies mit der Patientin besprechen und eine „shared decision“ treffen.

Abbildung aus Lit. (1): Levothyroxin brachte auch bei Betrachtung von Subgruppen keinen Vorteil auf das primäre Outcome (Lebendgeburtsrate nach mindestens 34 Schwangerschaftswochen).

Helmut Schatz

Literatur

(1) Rima K. Dhillon-Smith et al.: Levothyroxine in womentith thyroid peroxidise antibodies before conception.
New Engl. J. Med. 2019 (April 4), 380(14): 1316-1325.

(2) R. Negro et al.: Levothyroxine treatment in thyroid peroxidise antibody – positive women undergoing assisted reproduction technologies: a prospective study.
Hum. Reprod. 2005. 20:1529-1533

(3) H.Wang et al.: Effect of levothyroxine on miscarriage among women with normal tjhyroid function and thysroid autoimmunity undergoing in vitro fertilisation and embryo transfer: a randomized clinical trial.
JAMA 2017. 318:2190-2198

Bitte kommentieren Sie diesen Beitrag !

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , verschlagwortet. Permalink.

4 Antworten auf Kein Einfluss von Levothyroxin auf Schwangerschafts-Outcome bei euthyreoten Frauen mit Schilddrüsenantikörpern

  1. Salk sagt:

    Wurde auch endlich Zeit.

    Wieder ein Beispiel für Korrelation ohne Kausalität.
    Es gab Studien, die eine Korrelation mit dem TSH Wert / Fehlgeburten oder auch Infertilität aufzeigten.
    Dementsprechend haben insbesondere die Frauenärzte angefangen bei jedem erhöhten TSH Wert
    > 2 Schilddrüsenhormone zu verschreiben. Ich habe immer wieder gehört mit einem TSH Wert über 2 können Sie nicht Schwanger werden oder können keine Kinder bekommen. Das sind keine Einzelfälle sondern sehr weit verbreitet.

    Man hat dann sofort geglaubt, wenn man Schilddrüsenhormone gibt und den TSH Wert unter 2 drückt, dann ist wieder alles gut.
    Völlig gesunde Schilddrüsen selbst ohne erhöhte Autoantikörper.
    Das wird übrigens immer noch praktiziert.
    Man muss hier auch annehmen, dass bei positiven Autoantikörpern die TSH Werte wahrscheinlich höher gelegen haben.

    Ich möchte nicht einzeln aufzählen, was für Probleme ich mit den Ärzten bekommen habe, als ich während der Schwangerschaft sogar versucht habe, die LT4 Präparate abzusetzen. Solche Reaktionen wie: Wollen Sie das Baby umbringen?
    Ich schreibe schon seit Jahren in diesem Forum, dass LT4 Präparate keine Therapie sind bei einem erhöhtem TSH Wert ohne Hypothyreose. Wenn man LT4 Präparate gibt, dann produziert die Schilddrüse dafür weniger Schilddrüsenhormone. Sie werden nicht zu den Hormonen, die von der SD produziert werden, addiert sondern sie werden ausgetauscht.
    Es ist keine Therapie sondern Laborkosmetik bzw. TSH Korrektur.
    Das gilt auch während der Schwangerschaft.
    Ich bin mir nicht sicher, ob die Frauenärzte jemals wieder davon abkommen werden bei erhöhten TSH Werten Schilddrüsenpräparate zu verschreiben egal mit oder ohne erhöhte Autoantikörper.

    mit freundlichen Grüssen,

    Salk

  2. Helmut Schatz sagt:

    Sehr geehrte/r Frau/Herr Salk, im DGE-Blog wird in d.R. über neue/ste Publikationen berichtet. Ihren leisen Vorwurf: „Wurde auch endlich Zeit“ möychte ich daher höflichst zurückweisen, zumal sich schon
    frühere Blogbeiträge mit dem Thema „TSH und Schwangerschaft“ in Ihrem Sinne befasst haben.

  3. Salk sagt:

    Herr Salk
    Sehr geehrter Herr Schatz,

    Die DGE war nicht der Adressant des Vorwurfs.
    Ich habe mich darüber gefreut, dass eine signifikante Studie insbesondere bei schwangeren Frauen durchgeführt wurde, um die Relevanz der Levothyroxin.- Therapie zu untersuchen.
    Es gibt viele Studien, die versuchen mit jedem Parameter eine Korrelation zu dem TSH Wert zu finden, aber kaum Studien, die sich mit dem Sinn des LT4 Einsatzes beschäftigen.

    Deswegen fand ich diese Studie besonders angemessen.

  4. Diese Studie war denkbar ungeschickt geplant. Einschlusskriterium waren positive Autoantikörper, nicht etwa eine Hypothyreose, und die Frauen im Verum-Arm erhielten einfach starr 50 µg Levothyroxin, unabhängig davon, ob sie es brauchten oder nicht. Für viele wird das unnötig gewesen sein, für andere war es wohl zu wenig.

    Insofern war das negative Ergebnis vorhersehbar. Eigentlich kann man daher gar nicht sagen, dass Levothyroxin keinen Einfluss auf das Schwangerschafts-Outcome hat, sondern nur, was wir schon wussten, nämlich dass eine Therapie ohne Indikation nichts bringt. Schade um die Mittel und die Zeit, die mit dieser sinnfreien Studie verbraten wurden. Und schade um die Studienteilnehmerinnen und ihren Nachwuchs, die um die Chance auf eine personalisiert wirksame Therapie betrogen wurden.

Schreibe einen Kommentar zu Salk

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 Verbleibende Zeichenanzahl

Mit dem Absenden des Formulars erklären Sie sich mit der Verarbeitung der übermittelten Daten einverstanden. Details hierzu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.