Astana, Kasachstan, 17. Juni 2016:
Am 8. März 2016 brachte der Blog der DGE einen Bericht über die LEADER-Studie (1). Jetzt wurden die genauen Daten am 13. Juni 2016 auf dem Amerikanischen Diabeteskongress in New Orleans (ADA 2016) vorgetragen und zeitgleich online im New England Journal of Medicine veröffentlicht (2).
Ergebnisse
Bei kardiovaskulären (CV) Hochrisiko-Typ-2-Diabetespatienten wurde in 3.5 bis 5 Jahren der primäre CV Komposit-Endpunkt durch den GLP-1-Rezeptor-Agonisten Liraglutid (Victoza®) im Vergleich zu Plazebo von 14.9% auf 13.0% gesenkt (p=0.01). Der Endpunkt bestand aus erstem Auftreten eines MACE (major adverse CV event: CV Tod, nicht-tödlicher Herzinfarkt (MI) oder nicht-tödlicher Schlaganfall). Todesfälle jeglicher Ursache wurden von 9.6% auf 8.2% verringert (p=0.02), der CV Tod sank unter Liraglutid von 6.0% auf 4.7%, p= 0.007). Die number needed to treat (NNT) zur Verhütung eines Ereignisses innerhalb von 3 Jahren betrug 66 für MACE und 98 für einen Todesfall jeglicher Ursache. Die Rate von Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz nahm unter Liraglutid ebenfalls ab (4.7% vs. 5.3%, nicht-signifikant).
Sicherheit und unerwünschte Nebenwirkungen
Benigne und maligne Neubildungen insgesamt traten unter Liraglutid nicht-signifikant vermehrt auf. Pankreaskrebs wurde unter Liraglutid 13x, unter Plazebo 5x beobachtet, Prostatakrebs und Leukämien waren unter Liraglutid seltener (26 vs 47 bzw. 5 vs 14 Faelle). Ein medulläres Schilddrüsenkarzinom wurde insgesamt nur 1x in der Plazebogruppe diagnostiziert.
Akute Pankreatitiden fanden sich unter Liraglutid bei 18, unter Plazebo bei 23 Patienten, Amylase- und Lipasespiegel waren unter Liraglutid höher als unter Plazebo. Akute Gallensteinkomplikationen: unter Liraglutid 145 vs. 90 Fälle unter Plazebo. Schwere Hypoglykämien unter Liraglutid: 114, unter Plazebo 153.
Die Therapie wurde unter Liraglutid insbesondere wegen gastrointestinaler Nebenwirkungen häufiger abgebrochen als unter Plazebo.
Kommentar
Erfreulicherweise wurde jetzt mit dem GLP-1-Analogon Liraglutid – erstmals für diese Antidiabetikagruppe, im Unterschied zu anderen derartigen Präparaten – ein CV Nutzen nachgewiesen. Dieser kam nicht in schon so kurzer Zeit zum Tragen wie mit Empagliflozin in der EMPA-REG Outcome Studie, so dass man den Effekt wohl in erster Linie auf die antihyperglykämische Wirkung zurückführen darf, auch wenn noch weitere Mechanismen möglich sind. Experten sprachen nach der LEADER-Präsentation auf dem ADA-Kongress von einer „neuen Ära“ der Therapie des Typ-2-Diabetes: Metformin bliebe zwar nach wie vor der Goldstandard und die Therapie der 1. Wahl, dann aber sollte als Behandlungserweiterung ein Medikament mit nachgewiesenem CV Nutzen gegeben werden. Dies seien entweder das GLP-1-Analogon Liraglutid oder der SGLT2-Hemmer Empagliflozin. Es wurde darauf hingewiesen, dass der CV Nutzen von Liraglutid ähnlich dem der Statine sei. Robert H. Eckel aus Denver betonte jedoch (3), dass der Nutzen der Statine in etwa 30 Studien belegt sei, während sowohl für Liraglutid als auch Empagliflozin noch eine Bestätigung in zweiten und dritten Studienreihen erforderlich sei, bevor man die Therapiestrategien beim Typ-2-Diabetes breit ändern solle. Die fehlenden Hypoglykämien und die Gewichtsabnahme unter Liraglutid seien ein weiterer grosser Vorteil gegenüber älteren Therapieschemata, Es bedürfe jedoch neben der erwähnten Bestätigung durch Nachfolgestudien auch noch einer langfristigen Verlaufsbeobachtung über die unerwünschten Nebenwirkungen.
Helmut Schatz
Literatur
(1) Helmut Schatz: Auch Liraglutid (Victoza®) senkt das kardiovaskuläre Risiko: die LEADER-Studie.
DGE-Blogbeitrag vom 8. März 2016
(2) Steven B. Marso et al.: Liraglutide and cardiovascular outcomes in type 2 diabetes.
New Engl J Med, June 13, 2016. DOI: 10.1056/NEJMoa1603827
(3) Robert H. Eckel, in: Miriam E. Tucker: „New era“ of type 2 diabetes treatment as LEADER unveiled?
http://www.medscape.com/viewarticle/864729_print
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En Kommentar zum Medscape-US – Artikel über LEADER: …A significant number of patients with high cardiovascular risks were actually not aggressively treated before the study esp. with statin and aspirin. Now how much impact that might have in the long run in placebo group. I think we should wait for few more trials before reaching to any final guide line change. Cost will always be a problem
EIn weiterer Kommentar: ….The paper published in the NEJM clearly states that pancreatic cancer was observed more than twice as often in the treated group as compared to placebo. Moreover, the marginal absolute reduction in mortality ( but no reduction in myocardial infarction or stroke) is not explained by the researchers.
In den Kommentaren zum Medscape-US-Beitrag findet man auch folgende Äusserung: …..For a significant inflation in healthcare costs and expenditures, the absolute risk reduction in MACE is 1.5% at best, possibly offset by a trend towards an increased risk of pancreatic cancer! Is this the „New Era“ of type 2 diabetes treatment?
Ich fand folgende Äusserung: This trial does not give the relative HBA1c levels achieved in the active and placebo unless you look hard. They are hidden in S5a in the supplementary material section. (http://www.nejm.org/doi/suppl/10.1056/NEJMoa1603827/suppl_file/nejmoa1603827_appendix.pdf).
Average HBA1c in the placebo group was above 8% and average HBA1c in the active group about 7.7%.
With your experts on here constantly telling us that reducing HBA1c below 8% reduces MACE and other CV outcomes presumably any hypoglycemic agent would have shown benefit.
Liebe Leser, bitte zitieren Sie nicht nur Kommentare anderer, sondern bringen Sie Ihre eigene Beurteilung und Analyse der LEADER-Studie. Es sei denn, Sie identifizieren sich mit der Meinung der gebrachten Beiträge – danke!
Helmut Schatz