Bochum, 27. Januar 2021:
Das Biguanid Metformin verbesserte bei Typ-2-Diabetespatienten in einer retrospektiven Kohortenstudie bei Krankenhauspatienten die COVID-19 – Prognose gegenüber den Patienten ohne vorherige Metformintherapie. Es reduzierte signifikant das Mortalitätsrisiko bei Frauen, nicht aber bei Männern (1).
Carolyn T. Bramante et al. untersuchten retrospektiv 3923 Patienten ohne vorangegangene Metforminverordnung (55% Frauen, mittleres Alter 76 Jahre) und 2333 Patienten mit Metformin (48% Frauen, mittleres Alter 73 Jahre). Sie fanden bei den Frauen eine verringerte Krankenhaussterblichkeit (1).
Kommentar
Den Geschlechtsunterschied erklären die Autoren durch einen bei Frauen möglicherweise stärkeren spezifischeren Metformineffekt auf die Verminderung des Tumornekrosefaktors-alpha (TNF-alpha) als bei Männern. Metformin werden antiinflammatorische Eigenschaften zugeschrieben, gezeigt etwa durch Aktivierung von Autophagie, Konversion von M2-Makrophagen und Stimulierung von CD8 Memory T-regulatorischen Zellen. Die möglichen Nebenwirkungen von Metformin sind allerdings zu berücksichtigen. So wurde in einer großen Studie an 16 Krankenhäusern in China mit über 2500 Patienten eine erhöhte Azidose-Inzidenz beobachtet, wenn diese auch nicht mit einer gesteigerten Krankenhausmortalität assoziiert war (2). In der retrospektiven Studie von Bramante et al. (1) sind, so wie auch in anderen Studien zu diesem Thema die vielen Einflussfaktoren wie Alter, Vorerkrankungen am Herzkreislaufsystem, den Nieren usw. zu bedenken.
Metformin könnte eine preiswerte und effektive Behandlung bei Diabetespatienten mit COVID-19 sein. Die Evidenz ist freilich nur indirekt, und große randomisierte prospektive Placebo-kontrollierte Studien wären zwar nötig, dürften aber schwer zu realisieren sein (1).
Helmut Schatz
Literatur
(1) Angela Dardano, Stefano Del Prato: Metformin: an inexpensive and effective treatment in people with diabetes and COVID-19?
THE LANCET Healthy Longevity, Vol. 2, Issue 1, E6-E7, January 01, 2021
(2) Cheng X et al.: Metformin is associated with higher incidence of acidosis, but not mortality, in individuals with COVID-19 and pre-existing type d diabetes.
Cell Metab. 22020; 32:537-547
Lieber Helmut,
die Arbeit von Brabante leidet wie viele Analysen aus Registern oder Krankenversicherungsdaten daran, dass die Gruppen mit und ohne Verordnung eines bestimmten Medikaments wie hier Metformin einfach zu unterschiedlich sind, um zuverlässige Schlüsse daraus ziehen zu können. Die Nicht-Metformin-Gruppe weist hier in vielen demographischen und klinischen Variablen ein ungünstigeres Risikoprofil für eine SARS-CoV-2-bedingte Morbidität und Mortalität auf – die Metformin-user sind schlicht jünger und gesünder. Diese Effekte können nur teilweise in den multiplen Regeressionsanalysen ausgeglichen werden, und die unadjustierten Kaplan-Meier-Überlebenskurven sind schlicht misleading. Wir sollten uns davor hüten, auf der Basis solcher Auswertungen klinische Schlussfolgerungen zu ziehen – wir laufen sonst Gefahr, nach mehreren anderen unwirksamen Therapien gegen COVID-19 die nächste dazu zufügen…. Insofern: bitte erst einen RCT!