Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Nebennierenrindeninsuffizienz – Morbus Addison: Substitution mit Hydrocortison, Plenadren® – oder Prednisolon?


Dresden, 8. Juli 2020:

In den 1960er Jahren bestand die Standard-Einstellung eines Morbus Addison an der Wiener Klinik des Referenten (H.S.) in täglich 1 – ½ Tablette Cortison Ciba® zu 25 mg (= tgl. 37.5 mg Cortisonacetat) und einem Mineralocorticoid. In den 1970er Jahren behandelten er in Ulm  mit 15–10–5 mg Hydrocortison. Dann wurde mit der Dosis zurück gegangen bis auf 15–5 mg oder sogar 10–5 mg Hydrocortison. Wir sahen in Ulm und später in Gießen auch Patienten, die gut auf Prednisolon,   5 oder 7.5 mg, 1x tgl. eingestellt waren und führten diese Behandlung bei ihnen problemlos weiter. Ab Oktober 2012 wurde dann in Deutschland Plenadren®, ein Hydrocortisonpräparat mit Zweiphasenfreisetzung verfügbar (1). Vorteil dieses Präparates war, dass es nur 1x täglich gegeben werden mußte, was die Compliance erhöhte, Nachteil, dass für Stress- und Krisensituationen  stets ein zweites Präparat, nämlich rasch wirkendes Hydrocortison verfügbar gehalten werden musste. Dazu kam noch der vergleichsweise hohe Preis. In der Folgezeit gab es eine rege Diskussion im DGE-Blog, so im ENDOKRINOLOGISCHEN DISKUSSIONSFORUM vom 21. Februar 2018 (2). Dort schilderten Patienten ihre persönlichen Erfahrungen, und Prof. Wolfgang Oelkers aus Berlin, einer der führenden Steroidexperten ging dort auch auf die Unterschiede in den im Körper verfügbaren Steroidmengen ein, die mit den verschiedenen Präparaten erreicht werden , was Gewichtszunahmen unter Hydrocortisonpräparaten bei einigen Patienten erklären könnte: Das Hydrocortison dürfte wohl zu hoch dosiert gewesen sein.  Umgekehrt könnte der Trend zu immer niedrigeren Hydrocortisondosen (s.o.) die publizierte Zunahme von Nebennierenkrisen in Australien von 1999/2000 bis 2011/2012 erklären (3).

Ein Leser fragt nun an, ob seitens der DGE eine Empfehlung an seine neue Hausärztin ausgesprochen werden könnte, ihm Plenadren® zu verschreiben, da er, ursprünglich auf das heute in Deutschland nicht mehr verfügbare, länger wirkende Cortison CIBA eingestellt, nach Umstellung auf Hydrocortison an Gewicht zugenommen und verschiedene Beschwerden  habe.  Dies ist der DGE naturgemäß nicht möglich, da nicht nur die Art des Präparates, sondern auch die bisherige und zukünftige Dosis, der Gesundheitszustand insgesamt sowie der Lebensstil und Berufsalltag –  viele Stress-Situationen? –  zu berücksichtigen und mit dem Arzt zu besprechen sind. Die Entscheidung muß als „Informed Consent“ zwischen Patient und behandelndem Arzt gefällt werden. Internisten und Hausärzte, welche sich mit dem Thema Addison beschäftigen, können dies natürlich auch sein, es muss nicht unbedingt ein Endokrinologe konsultiert werden, wenn dies auch günstig wäre.

Helmut Schatz

Literatur
(1) Helmut Schatz: Hydrocortison-Präparat mit zweiphasischer Hormonfreisetzung nur 1x täglich zur Substitution bei Nebennierenschwäche.
DGE-Blogbeitrag vom 29. Oktober 2012

(2) ENDOKRINOLOGISCHES DISKUSSIONSFORUM: Morbus Addison: Nur 1x tägliche Gabe von modifizierten Hydreocortison-Tabletten? Immunologische und andere Vorteile?
DGE-Blogbeitrag vom 21. Februar 2018

(3) Helmut Schatz: Mehr Nebennieren-Krisen unter der heute niedriger dosierten Substitutionstherapie?
DGE-Blogbeitrag vom 16. August 2015

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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3 Antworten auf Nebennierenrindeninsuffizienz – Morbus Addison: Substitution mit Hydrocortison, Plenadren® – oder Prednisolon?

  1. Dr. Alois Brandstädter sagt:

    Auch ich hatte mit dem länger als HC wirkenden Cortisonacetat kaum je Probleme bei meinen Patienten. Das noch länger wirkende Plenadren ist aber wohl kaum für alle Addison-Patienten geeignet. Dass man mit 1x täglich Prednisolon in kleiner Dosis gut und billig behandeln kann, entspricht auch meiner Erfahrung.

  2. Reimar Fritzen sagt:

    Eine gute Zusammenfassung der Therapieempfehlungen im Wandel der Zeit die ich selber miterlebt habe. Die Quintessenz beleibt der Hinweis auf die individuelle Therapieentscheidung. Im Zweifelsfall mal einen Therapieversuch mit Plenadren zu machen halte ich für sinnvoll, die dauerhafte Fortführung nur bei nachhaltiger Besserung der zur Umstellung veranlassenden Probleme. Das Preisbewusstsein ist dabei auch bei vielen Patienten vorhanden die mir sagten: „nein, soviel besser fühle ich mich damit auch nicht….“ und dann allein deshalb wieder zum Hydrocortison wechseln wollten.

  3. Priska sagt:

    Seit der Umstellung von Hydrocortison auf Plenadren vor 4 Jahren gab es keine Addisonkrisen mit Notfallaufnahme mehr. Verbessert hat sich insgesamt die physische und psychische Stabilität, keine extremen Stimmungshochs und -tiefs, keine Heißhungerattacken, keine ungewünschte Gewichtszunahme mehr, weniger Hautentzündungen. – Doch aktuell kommt es zu Lieferengpässen von Plenadren.
    Auch ist Plenadren so teuer, dass gesetzlich Versicherte kaum einen Arzt finden, der das Medikament verschreiben möchte, um nicht sein Budget zu überziehen.
    Hydrocortison als einzige Dauersubstitution für einen M-Addison-Betroffenen bringt jedoch Nebenwirkungen mit sich, die die Lebensqualität des Betroffenen dauerhaft verschlechtern, so beobachtet nach langjähriger Begleitperson und Angehörige.

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