Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Musik und Herz


Bochum, 3. Juli 2024:

Am 22. Juni 2024, dem ersten Todestag von Prof. Jürgen Barmeyer, ehemals Leitender Arzt der Abteilung für Kardiologie am Zentrum für Innere Medizin des BG-Klinikums Bergmannsheil der Ruhr-Universität Bochum, fand im Sitzungssaal der Fakultät für Philologie unserer Universität eine Gedenkveranstaltung statt. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt. Das Symposium wurde organisiert und geleitet von Prof. Bernd Lemke und Prof. Abderrahman Machraoui.  Diese und einer der vier Söhne von Prof. Barmeyer,  PD Achim Barmeyer, Kardiologe im MVZ Hagen, sowie seine ehemaligen Mitarbeiter Alfried Germing, Thomas Deneke, Frau Aydan Ewers, Stefan Drews, Stefan von Dryander, Thomas Lawo und Detlef Jäger, alle heute in führenden Positionen in Deutschland, von Schleswig-Holstein bis Bayern tätig, hielten Fachvorträge.  Der Nach-Nachfolger von Prof. Jürgen Barmeyer an der Kardiolischen Abteilung des Bergmannsheil,  Prof. Moritz Seiffert sprach ein Grußwort. Zur Eröffnung, während und am Ende  des Symposiums spielte das Ensemble von Alfried Germing hervorragend Jazzmusik-Stücke. Zum Schluss  bedankte sich Frau Dr. med. Annelie Barmeyer, auch  im Namen ihrer vier Söhne,  bei den ehemaligen Mitarbeitern ihres verstorbenen Gatten für die Organisation und Gestaltung des Symposiums.

Alfried Germing hatte einen Vortrag zum Thema Musik und Herz gehalten.  Darin sprach er die vielfältigen Möglichkeiten an,  wie die verschiedenen Arten von Musik auf unseren Körper und unsere Psyche einwirken können.  Schon lange gibt es ein Studium „Musiktherapie“, welche an der Musikakademie in Wien als einer der ersten Hochschulen in Europa schon in den 1960er Jahren gelehrt wurde. In den USA existierte schon lange eine American Music Therapy Association (1). Bei uns hat sich der Beruf des Musiktherapeuten bei den knappen Stellenplänen der Krankenhäuser leider nicht breiter durchsetzen können. Musik lässt sich aber auch von uns Ärzten in vielen Bereichen einsetzen, wie Alfried Germing in seinem Vortrag ausführte. Ich bat ihn, diesen für unseren DGE-Blog  zusammenzufassen.

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Alfried Germing

Musik und Herz                                                                                                                

Anlässlich einer Gedenkveranstaltung zum ersten Todestag von Herrn Prof. Dr.  med. Jürgen Barmeyer, ehemaliger Leiter der Abteilung für Kardiologie und Angiologie am Universitätsklinik Bochum der Ruhr-Universität Bochum, entstanden diese Gedanken zum Thema „Musik und Herz“.

Die Auswirkungen von Musik auf den Menschen sind seit langer Zeit bekannt. Es gibt kaum einen Menschen, der nicht in irgendeiner Weise in seinem Leben mit Musik in Berührung kommt. Die Wirkung von Musik ist abhängig von der jeweiligen körperlichen, geistigen und emotionalen Verfassung. Äußere Einflüsse, wie Lebensalter, aktuelle Lebenssituation, Hörgewohnheiten, aber auch kulturelle, religiöse und gesellschaftliche Prägungen spielen hierbei eine zusätzliche Rolle. Musik kann positiv oder auch negativ berühren, einige Personen empfinden beim Hören von Musik dagegen kaum etwas oder gar nichts.

Musik beeinflusst Gehirn und vegetatives Nervensystem. Über harmonische, melodische und rhythmische Elemente kann sie physiologische Vorgänge im Körper beeinflussen. Unter Einbeziehung beider Gehirnhälften bewirkt das zentrale Nervensystem insbesondere über die Strukturen des limbischen Systems einen direkten Einfluss auf verschiedene Organe wie auch auf die Psyche. Das limbische System vermittelt emotionale Vorgänge und ist damit in die individuelle Wahrnehmung von Musik eingebunden. Über die Großhirnrinde besteht ein vaso-vagales Rückkopplungssystem, über das alle an der Musikverarbeitung beteiligten Signale miteinander verbunden sind. Durch diese Afferenzen und Efferenzen sind auch kardiovaskuläre Organe involviert. Weil diese nervalen Strukturen unabhängig vom bewussten Willen arbeiten, kann man sich der Wirkung der Musik nur schwer entziehen.

Insbesondere Rhythmus, Tempo und Harmonie haben einen Einfluss auch auf kardiovaskuläre Parameter. Wie viele Untersuchungen belegen, kann Wahrnehmung von Musik zur Änderung von Herzfrequenz, Blutdruck, Atmung und Muskeltonus führen (2, 3).

Verschiedene Genres von Musik können unterschiedliche Einflüsse haben. Klassische Musik kann kognitive Funktionen verbessern, wie beispielsweise räumliches und zeitliches Denken, sowie Aufmerksamkeit und Gedächtnis. Eine Reihe von Studien hat belegt, dass Hören von Musik mit langsamen Tempo und geringen dynamischen Kontrasten zu einer Minderung von Herzfrequenz, Atemfrequenz und Blutdruck führt. Unvorhergesehenes und Überraschendes sorgen im Gehirn für Aufmerksamkeit. Jazzmusik, in ihrer Komplexität durch Improvisation für Musizierende und Hörende besonders herausfordernd, kann beruhigend aber auch anspornend wirken. Es gibt auch Musik, die zur Entspannung geeignet ist. Entgegenwirkend sind beispielsweise Musikstücke mit vielen abrupten Wechseln und Sprüngen in Rhythmus und Lautstärke. Bei Techno-Musik können Herzfrequenz und Blutdruck ansteigen. Diese Effekte sind jedoch nicht überall gleich ausgeprägt. So ist noch nicht bewiesen, dass unterschiedliche Musikstile reproduzierbar und vorhersagbar kardiovaskuläre Parameter beeinflussen.

Basierend auf den genannten physiologischen Grundlagen und vielen Studienerfahrungen ergibt sich die Frage nach dem therapeutischen Einsatz von Musik in der Medizin. Viele Studien weisen auf positive Beeinflussung von Musik auf Wohlbefinden, Blutdruck- und Pulsverhalten, Angst und Depression (4). So kann es auch bei medizinischen Interventionen, beispielsweise in der Kardiologie, der Zahnmedizin, der Intensiv- oder Palliativmedizin hilfreich sein, begleitend Musik einzusetzen. Weitere Studienergebnisse bleiben abzuwarten, um den therapeutischen Einsatz von Musik konkretisieren zu können.

Dr. Alfried Germing
Leitender Arzt der Kardiologischen Praxis, MVZ JosefCarrée,
Universitätsklinik St. Josef-Hospital Bochum

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Literatur

(1) Helmut Schatz: „Herabgehudelt“ und „vermaledeytes Hacken“ in die Tasten – Mozart und Schubert über die Interpretation ihrer Werke.
DGE-Blogbeitrag vom 20. Februar 2017

(2) Koelsch S, Jäncke L: Music and the heart. Eur Heart J 2015;36:3034-3048

(3) Kulinski J, Ofori EK, Visotcky A, Smith A, Sparapani R, Fleg JL: Effects of music on the cardiovascular system.
Trends Cardiovasc Med 2022;32:390-398

(4) Nobakht N, Kamgar M, Tavanei M, Bilder RM, Nobakht E: Music and medicine: promoting harmony for health.
Am J Med 2024;137:92-98

Posted on by Prof. Helmut Schatz
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