Bochum, 23. Juli 2013
Bei homozygotem Auftreten einer Mutation des FTO-Adipositas-Risikogens ist das appetitsteigernde „Hungerhormon“ Ghrelin im Gehirn erhöht und die Nahrungsaufnahme wird unter Bevorzugung von kalorienreichen Speisen gesteigert. Dies publizierten Efthimia Karra und weitere Mitarbeiter aus dem Team von Rachel Batterham in London zusammen mit Wissenschaftlern aus Köln und Düsseldorf, darunter auch das DGE-Mitglied Jens C. Brüning, kürzlich online im Journal of Clinical Investigation (1).
In Assoziationsstudien hatte man zuvor gefunden, dass eine Punktmutation im FTO-Gen rs9939609 ein wichtiger Risikomarker für Adipositas ist. In Mitteleuropa ist einer von sieben Menschen für diese FTO-Mutation homozygot. Diese sind zu etwa 70 % häufiger fettleibig als Menschen ohne die Mutation. Die neue Arbeit untersuchte die pathophysiologischen Mechanismen dafür (1): Homozygote Träger der FTO-Mutation weisen höhere Plasmaspiegel an Ghrelin auf. Dieses in der Magenschleimhaut gebildete „Hungerhormon“ fällt normalerweise nach dem Essen wieder ab, so aber nicht bei den Trägern des mutierten Gens. Diese verspüren nach einer Mahlzeit rasch wieder Hunger. Funktionelle kernspintomographische (MRI-) Bilder des Gehirns demonstrierten, dass homozygote Genträger in Abhängigkeit vom Ghrelinspiegel im Appetitzentrum und im Belohnungszentrum des Gehirns unterschiedlich zu normalen Menschen reagieren.
Kommentar
FTO-Gen-Mutationen können keinesfalls die heutige Adipositas-Epidemie in vielen Teilen der Welt erklären. Man erkennt aber aus diesen Befunden, welch großen Einfluß die Genetik auf die Fettsucht hat. Freilich kommt, wie bei vielen Erkrankungen, zur genetisch-endogenen die exogene Ursache dazu: Nahrungsüberschusses und Bewegungsmangel. Ein Body Mass Index über 30 kg/m2 wurde übrigens erst kürzlich von der American Medical Association zu einer Krankheit erklärt. Im DGE-Blog vom 16. Juni 2013 wurde mitgeteilt, dass GPR83, bisher als „orphan receptor“ im Gehirn angesehen, bei der Appetitsteigerung durch Ghrelin mitwirkt. Es wurde diskutiert, dass eine Hemmung dieses Rezeptors ein pharmakologischer Ansatz für Medikamente zur Gewichtsregulation sein könnte (2). Es wären auch andere Mechanismen einer Ghrelin-Antagonisierung zur Reduktion des Hungergefühls denkbar.
Helmut Schatz
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Literatur:
(1) E. Karra at al.: A link between FTO, ghrelin, and impaired brain food-cue responsivity
J Clin Invest online 2013. doi:10.1172/JCI44403
(2) H.Schatz : Der Regulation des Körpergewichts auf der Spur: Der Rezeptor GPR83 im Gehirn vermittelt Körpersignale für den Energiehaushalt.
DGE-Blogbeitrag vom 16. Juni 2013
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