Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Gute und weniger gute Nachrichten im Kampf gegen Adipositas und Diabetes


Appetitzügler Lorcaserin am 27. Juni 2012 von der FDA zugelassen,
Wiederauftreten von Diabetes 3-5 Jahre nach bariatrischer Chirurgie in 21 Prozent

Die DGE hat in ihrem Blog am 5. März 2012 mitgeteilt, dass Qnexa™, ein Kombinationspräparat aus Phenteramin und einer besonderen galenischen Form von Topiramat vom Beratergremium der Amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zur Zulassung empfohlen wurde (1). Eine Entscheidung der FDA wird noch im Juli 2012 erwartet. Am 2. April 2012 berichtete die DGE in ihrem Blog über 2 Studien mit Bariatrischer Chirurgie bei Diabetespatienten, bei denen innerhalb von 1-2 Jahren eine sehr hohe Diabetesremissionsrate beobachtet wurde. Die amerikanische Endocrine Society gab dazu wegen der noch fehlenden Langzeitresultate einen kritisch-abwartenden Kommentar ab (2).

A.
Jetzt hat die FDA am 27. Juni 2012 Lorcaserin (Belviq™), einen Aktivator des Serotonin 2C-Rezeptors im Gehirn zugelassen (3). Es wird in der Schweiz von Arena Pharmaceuticals hergestellt und in den USA von Eisai Inc. of Woodcliff Lace, N.J. vertrieben. Lorcaserin kann bei einem Body Mass Index (BMI) von >= 30kg/qm oder von >= 27 und zusätzlichen Risikofaktoren wie Hypertension, Diabetes oder Hypercholesterinämie gegeben werden. Der Gewichtsverlust über den Diäteffekt hinaus liegt insgesamt bei etwa 3-4 Prozent. Bei Übergewichtigen ohne Diabetes verloren 47% der Patienten mindestens 5% des Körpergewichts, verglichen mit 23% unter Plazebo. Bei Typ-2-Diabetes betrugen diese Zahlen 38% bzw. 16%. In den Phase III-Studien waren die häufigsten Nebenwirkungen Kopfschmerz, Schwindel und Übelkeit, nicht aber, wie für andere Substanzen dieser Gruppe charakteristisch, Depressionen, Angststörungen oder Selbstmordgedanken. Diese lagen auf Plazebo-Niveau. Auch wurden bisher keine Herzklappenveränderungen beobachtet, und beim Menschen wurde auch kein kanzerogenes Potential gesehen, wofür es präklinisch bei Ratten Hinweise gegeben hatte.

Von den reinen Anti-Adipositas-Medikamenten ist zur Zeit in Deutschland nur mehr Orlistat (Xenical®) auf dem Markt. Alle anderen (zuletzt Rimonabant und Sibutramin) sind wegen ihrer erheblicher Nebenwirkungen, deren Ausmaß erst nach der Marktzulassung erkennbar wurde, wieder verschwunden. Man wird sehen, wie es dem Lorcaserin und gegebenenfalls anderen, in Zulassung befindlichen Präparaten ergehen wird. Zur Zeit ist Lorcaserin nur auf dem amerikanischen Markt erhältlich.

B.
Auf der 94. Jahrestagung der Endocrine Society in Houston wurde am 23. Juni 2012 von Yessica Ramos und Mitarbeitern (4) über eine retrospektive Analyse von Patienten berichtet, die sich von 2000–2007 in der Mayo Clinic Arizona, Scottsdale, USA, einem Roux-Y-Magenbypass unterzogen hatten. Von den 138 Patienten mit Diabetes mellitus wurden 72 mindestens 3 Jahre lang nachbeobachtet. Der durchschnittliche präoperative BMI hatte 45 kg/qm betragen. Von den 66 Patienten, deren Diabetes nach der Operation in Remission geraten war, trat dieser bei 14 (=21,2%) wieder auf: bei 5 nach zwei Jahren, bei 3 nach drei, bei 3 nach vier und bei 3 nach fünf Jahren. Das Wiederauftreten des Diabetes war mit der Diabetesdauer vor der Operation assoziiert, so dass diskutiert wurde, noch früher chirurgisch zu intervenieren.

Zunächst sollte man aber wohl doch die Ergebnisse an größeren Patientenzahlen nach langen Zeiträumen abwarten. Der Typ-2-Diabetes ist durch einen über die Jahre fortschreitenden Betazellverlust charakterisiert. Daher sollte man eine operativ bedingte – längere oder kürzere – Remission und deren mögliche Auswirkungen auf diabetische Folgekrankheiten und letztlich das Überleben mit dem Risiko des operativen Eingriffs am Gastrointestinaltrakt und den oft nicht unerheblichen, langfristigen Komplikationen und Problemen für den Diabetespatienten sorgfältig abwägen.

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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