Bochum, 16. Juli 2019
Am 9. Juli 2019 erschien in den Annals of Internal Medicine eine Übersichtsarbeit („Umbrella Review and Evidence Map“) über neun systematische Reviews und vier neue randomisiert-kontrollierte Untersuchungen (RCT´s), die 277 Studien und 24 Interventionen bei 992 129 Teilnehmern umfasste (1). Epidemiologische und Observationsstudien wurden nicht berücksichtigt, da diese, wie der Erstautor Safi U. Khan schrieb „full of bias“ seien. Es wurde der Effekt von 16 Nahrungsergänzungsmitteln und 8 Diätinterventionen auf die Gesamtmortalität und kardiovaskuläre (CV) Outcomes wie Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall und koronare Herzerkrankung untersucht. Insgesamt wurden 105 einzelne Metaanalysen erstellt..
Es fand sich eine „mäßig-gesicherte“ Evidenz, dass eine verminderte Salzzufuhr bei normotensiven Menschen das Gesamt-Mortalitätsrisiko (RR 0.90; 0.85-0.95) und bei Hochdruckpatienten die CV Mortalität (RR, 0.67; 0.46-0.99) senkt. Eine „gering-gesicherte“ Evidenz zeigten Omega-3-langkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren (LC-PUFA), die mit einem verminderten Risiko für Herzinfarkt ( RR, 0.92; 0.85-0.99) und koronare Herzkrankheit (RR, 0.93; 0.89-0.98) assoziiert waren. Folsäure war mit einem verringerten Schlaganfallrisiko assoziiert (RR, 0.80; 0.67-0.96), hingegen fand sich das Risiko für Schlaganfälle mit Kalzium plus Vitamin D erhöht (RR, 1.17; 1.05-1.30). Alle anderen Nahrungssupplemente wie Vitamin B6, Vitamin A, Multivitaminpräparate, Kalzium allein, Vitamin D allein, Antioxidanzien oder Eisen sowie 7 von 8 Diätinterventionen wie etwa auch die Mediterrane Kost (!) und fettreduzierte oder -modifizierte Kostformen hatten keinen signifikanten Effekt auf das CV Outcome.
Conclusions der Autoren: “Reduced salt intake, omega-3LC-PUFA use, and folate supplementation could reduce risk for some cardiovascular outcomes in adults. Combined calcium plus vitamin D might increase risk for stroke” (1).
Kommentar
In einem begleitenden Editorial wird darauf hingewiesen, dass 3 von 4 Menschen in den USA irgendeine Form von Supplementen zu sich nehmen. Man rechnet, dass in den nächsten 5 Jahren dafür jährlich 300 Milliarden US-Dollar ausgegeben werden. Da Nahrungssupplemente nicht einer behördlichen Aufsicht bezüglich Sicherheit unterliegen besteht, wie in mehreren Studien gezeigt, ein potenzielles Gesundheitsrisiko durch Verunreinigungen (2). Auch wurden manchen Nahrungsergänzungsmitteln ohne Bekanntgabe auf dem Etikett Substanzen zugemengt, „zur Leistungssteigerung“ etwa von Steroidhormonen, oder „zur Gewichtsreduktion“ von Pharmaka wie Sibutramin (siehe DGE-Blogbeitrag vom 18. Oktober 2018, Lit. 3.). Für einen etwaigen Nutzen von verschiedenen Diätformen lägen auch nur begrenzt Daten vor (2).
In einem Interview mit Medscape Cardiology (4) sagte der Erstautor der Studie, Safi U. Khan: „Until there is better evidence, clinicians can advise patients that it makes sense to take vitamin supplements if they have a vitamin deficiency (Anmerkung des Referenten zur Vitamin D “deficiency” siehe Lit. 5) . Otherwise, I would suggest, do not waste your money. If you want to improve your cardiocascular health, follow a very simple behavioural regimen: take your food from nutritional rich sources, indulge in exercise, avoid smoking, avoid alcoholism, and avoid a sedentary life style”. Diese Aussage von Khan entspricht dem Kommentar von Hellmut Mehnert, München, dem Nestor der deutschen Diabetologie, der schon vor Jahren nach Vorträgen über low- und high- carb, low- und high- fat sowie andere Diätformen auf einem deutschen Diabeteskongress sagte: „Ich habe in etwa 30 Jahren als Vorsitzender des Ernährungsausschusses der Deutschen Diabetes-Gesellschaft viele Diäten und Empfehlungen kommen und gehen sehen. Das Einzige, was nützt, ist vernünftiges (bei Übergewicht kalorienreduziertes) Essen, Bewegung und Nicht-Rauchen“.
Helmut Schatz
Literatur
(1) Safi U. Khan et al.: Effects of nutritional supplements and dietary interventions on cardiovascular outcomes: an umbrella review and evidence map.
Ann. Intern. Med. 9 July 2019. DOI: 10.7326/M19-0341
(2) Editorial: Dispense with supplements for improving heart outcomes.
Ann. Intern. Med. 9 July 2019. DOI: 10.7326/M19-1498
(3) Helmut Schatz: Nahrungsergänzungsmittel sind oft durch Medikamente verfälscht.
DGE-Blogbeitrag vom 19. Oktober 2018
(4) Safi U. Khan in: Marlene Busco: No strong evidence that supplements offer CV protection.
https://www.medscape.com/viewarticle/915434?nlid=130614_5
(5) Helmut Schatz: Michael Holick, „The Man Who Sold America On Vitamin D – And Profited in the Process“. DGE-Blogbeitrag vom 1. September 2018
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