Bochum, 16. August 2015:
Im August 2015 – Heft von Horm. Metab. Res. erscheint ein Bericht über die Zunahme von Hospitalisationen wegen Nebennierenrindenkrisen und die Veränderungen in der Verschreibungsfrequenz kurzwirkender Glukokorticoide in Australien von 1999/2000 bis 2011/2012 (1). Die Zahlen entstammen den Datenbasen der Australischen Regierung. Danach stieg die Hospitalisationsfrequenz signifikant von 7.4 auf 11.1 pro 100.000 Einwohner pro Jahr an, die Verschreibungsraten für die Glucocorticoide Hydrocortison und Cortisonacetat nahmen um jährlich 0.2% – 2.0 % zu.
Rushworth und Torpy aus Sydney und Adelaide (1) fanden in den 12 Jahren eine Zunahme der Krankenhausaufnahmen wegen primären und sekundären Nebennierenrinden-Krisen in 5 der 6 Regionen Australiens. In allen 6 Regionen stiegen die Verschreibungsraten für Hydrocortison (um 4.5% bis 13.7% ), während sie für Cortisonacetat in 5 der 6 Regionen sanken (jährliche Abnahme von 3.5%, 1x Zunahme um 0.5%). Bei Kombination der Daten aller Regionen errechnete sich eine signifikante Korrelation zwischen der Hospitalisationsrate und den Verschreibungsraten für Hydrocortison und Cortisonacetat (r=0.30, p<0.01). Die Autoren vermuten, dass „modern recommendations for lower dose, short-acting glucocorticoid replacement may be of concern”.
Kommentar
Rushworth und Torpy fanden zunächst keinen Hinweis dafür, dass die Inzidenz der Nebenniereninsuffizienz in Australien in dieser Zeitspanne zugenommen hätte. Somit könne der Anstieg der Zahl der Krisen wohl nur an einer veränderten Praxis der Substitutionstherapie gelegen haben. Mit Isotopenverdünnungstechniken hatte man bei gesunden Freiwilligen eine tägliche Cortisol-Produktionsrate von 9.9 +/- 2.7 mg/Tag ermittelt (2). Deshalb, und angesichts des gesteigerten Osteoporose- und kardiovaskulären Risikos bei zu hoher Dosierung, empfahl man eine niedrigere Substitution als bisher. Gab man vor einiger Zeit noch 30 mg Hydrocortison als dreimalige Tabletteneinnahme in der Verteilung 15-10-5 mg pro Tag, so sind es heute zumeist nur 2 Gaben einer geringeren Dosis (etwa 10 – 5 mg /Tag). In den 1960er Jahren hatte der Referent in Wien noch fast ausschließlich Cortisonacetat-Tabletten zu 25 mg gegeben, in der Regel täglich 37.5 mg in 2 Dosen (1 – ½ Tablette ). Heute ist Cortisonacetat in Deutschland aus der Therapie praktisch verschwunden. Novartis bietet sein Präparat „Cortison CIBA“ nicht mehr aus und es müsste aus Italien (Cortone®, Tabletten zu 25 mg) importiert werden. Auch in Australien gingen die Verschreibungen von Cortisonacetat stark zurück und die Autoren der australischen Studie meinten, das könne teilweise die errechnete Zunahme der Nebennierenrindenkrisen erklären.
Der praktisch tätige Endokrinologe in Deutschland wird gewiss weiterhin bei der Substitutionstherapie mit Hydrocortison bleiben. Er sollte aber vermehrt darauf achten, dass nicht unterdosiert wird, insbesondere in Stress- und Krisensituationen., in denen kräftig erhöht werden muß, was nach eigenen Praxis-Erfahrungen manche Patienten nicht, zu spät oder nur ungenügend tun. Gerade in Krisensituationen schützt das – sehr teure – Zwei-Phasen-Präparat Plenadren® (siehe Blogbeitrag vom 29. Oktober 2012, Lit.3 )auch nicht. Man muss dann als Notfallmedikament immer noch ein rasch wirkendes Hydrocortison mit sich führen.
Facit: Nicht über-, aber auch nicht unterdosieren! Es existieren individuelle Unterschiede in der benötigten Dosis. Und achten Sie auf die ständig zu wiederholende Aufklärung bei jedem Praxisbesuch über die Notwendigkeit einer sofortigen, kräftigen Steigerung der Dosis auf ein Vielfaches bei Stress- und Krisensituationen wie etwa fieberhaften Zuständen oder Notfallsituationen.
Helmut Schatz
Literatur
(1) R.L.Rushworth, D.J. Torpy: Modern hydrocortisone replacement regimens in adrenal insufficiency patients and the risk of adrenal crisis.
Horm. Metab. Res. 2015. 47:637-642
(2) N.V.Esteban et al.: Daily cortisol production rate in man determined by stable isotope dilution / mass spectrometry.
J. Clin. Endocrino. Metab. 1991. 72:39-45
(3) H. Schatz: Hydrocortison-Präparat mit zweiphasischer Hormonfreisetzung nur 1x täglich zur Substitution bei Nebennierenschwäche.
DGE-Blogbeitrag vom 29. Oktober 2012
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Guten Tag,
als Betroffene (Hypophyseninsuffizienz seit 1976 möchte ich noch etwas anmerken: bei diesen ganzen Ausführungen werden die Nebenwirkungen vergessen, die bei der Umstellung von Cortison Ciba auf Hydrocortison entstehen: Schlaflosigkeit, Durchfall, massive Wassereinlagerungen, Depressionen. Dazu kommt, daß bei einer kleinen Anstrengung gleich eine Tablette mehr eingenommen werden soll. So ist eigentlich eine gute Substituierung unmöglich.
Ich hatte das Cortison Ciba wunderbar vertragen- es war wie eine normale körpereigene Produktion, ohne Nebenwirkungen. Es kommt je auch noch dazu, daß bei einer Hypophyseninsiffizienz noch einige andere Ersatzhormone eingenommen werden müssen: L-Thyroxin, eventl. Minirin (Diabetes Insipidus) und Sexualhormone . Die gute Zusammenarbeit der Medikamente wird total durcheinandergebracht durch die Einnahme von Hydrocortison. Ich weiß wirklich nicht, warum deutsche Ärzte immer noch Hydrocortison als das einzig Wahre verschreiben. Die Australische Studie hat ja gezeigt, daß dem nicht so ist.
Mir ging es ganz genau so und hab dann nach einem langen Kampf, endlich meinen Antrag auf das Ersatzpräparat- Cortone Acetato durchgeboxt. Nur leider geht es da genauso weiter nach mehreren Jahren problemlosen Import- Bezug, ist auch da jetzt Schluss. Ich hab nur noch bis Mi. 06.12.2017 meine Tabletten…
dann geht der ganze Mist und Stress – von Neuem los. Ich soll jetzt der Apotheke und meinem Arzt genau den benötigten Wirkstoff benennen… was den Unterschied zum Hydrocortison ausmachen soll. Nur bin ich leider nur Patient und kein Mediziner… ich weiß einfach nicht, was da drin ist… was ich brauch oder nicht. Ich weiß nur aus eigener Erfahrung – was ich mit den ganzen anderen Cortisonen durchgemacht hab!!!
Ich hab Angst vor dem – was jetzt wieder kommt.