Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Nebenschilddrüsengeschwülste finden sich überwiegend an den unteren Schilddrüsenpolen, bei Männern rechts


ENDOKRINOLOGISCHES DISKUSSIONSFORUM

Bochum, 21. Januar 2017:

Eine retrospektive Analyse prospektiv gesammelter Daten von 810 operierten Patienten mit primärem Hyperparathyreoidismus an einem „tertiären Zentrum“ in Miami, Florida an einer Abteilung für Endokrine Chirurgie ergab, dass solitäre Epithelkörperchenadenome  überwiegend an den beiden unteren Schilddrüsenpolen lokalisiert waren, bei Männern rechts (1).

Es wurden nur die Patienten ausgewertet, bei denen ein einzelnes Adenom vorgelegen hatte. Patienten mit multiplen endokrinen Neoplasien, sekundärem, teriärem oder familiärem Hyperparathyreoidismus, Mehrdrüsenerkrankung, Nebenschilddrüsenkarzinom oder ektoper Lage wurden ausgeschlossen.

Die Häufigkeit der Adenome in den vier eutopen Lagen betrug links oben 15.7%, links unten 31.3%, rechts oben 15.8% und  rechts unten 37.2% (p<0.01). Somit fanden sich in unteren Lagen 68.5% und in obere Positionen 31.5% (p<0.01). Bei Männern war die häufigste Lage rechts unten (43.4%, p<0.01). Ein signifikanter Seitenunterschied fand sich insgesamt nicht.

Kommentar

An  führenden deutschen Zentren der Neben-/Schilddrüsenchirurgie wurden zum Teil unterschiedliche Zahlen für die Lokalisation beobachtet, etliche Kollegen fanden aber auch die Adenome am häufigsten am rechten unteren Pol. Die Bildgebung hat  keinen Einfluss auf die Operationsindikation bei Primäreingriffen (es ist nur „nice to have it“). Trotz aller Fortschritte in der Lokalisationsdiagnostik über die Sonographie hinaus, etwa mit  dem Einsatz von MIBI oder der C17-Methionin-PET,  kommt es bei der Nebenschilddrüsenchirurgie wesentlich auf die Erfahrung des Chirurgen an. Wenn er/sie ein Adenom gefunden und entfernt hat, wird intraoperativ Parathormon gemessen, um festzustellen, ob alles Tumorgewebe entfernt wurde. Es wird mikrochirurgisch oder mit einem nur kleinen Schnitt eingegriffen, insbesondere bei vermuteter Lokalisation an einem unteren Pol. Man kann dann auf der gleichen Seite noch den oberen Pol inspizieren, lässt aber die kontralaterale Seite unberührt.  Ausgewiesene skandinavische Schilddrüsenchirurgen haben dies schon vor Jahrzehnten praktiziert und empfohlen, nicht alle vier Schilddrüsenpole zu  inspizieren, was damals bei uns noch vielfach  üblich war, denn  „dann müsse man bei einer Reoperation wegen persistierender Hyperkalziämie nicht in einem vernarbten Gebiet suchen“.

Der Referent bittet alle Nebenschilddrüsen operierenden  Chirurgen, insbesondere natürlich die der DGE, diesen  Blogbeitrag zu kommentieren und  ihr Vorgehen und ihre Erfahrungen  bekanntzugeben.

Helmut Schatz

Literatur

(1) M LoPinto et al.: Location of abnormal parathyroid glands: lessons from 810 parathyroidectomies.
J Surg Res 207:22-26, Januar 2017

Bitte um lebhafte Diskussion!

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2 Responses to Nebenschilddrüsengeschwülste finden sich überwiegend an den unteren Schilddrüsenpolen, bei Männern rechts

  1. B.K. says:

    Als Laie möchte ich mich gerne mit einer Frage beteiligen.

    In der Überschrift aber auch weiter unten im Kommentar steht, das Nebenschilddrüsengeschwülste überwiegend an den unteren rechten Schilddrüsenpolen vorkommen.

    Angenommen, ein Patient hatte lange vor einem Hyperparathyreoidismus eine Thyreoidektomie, bei der das rechte untere Epithelkörperchen nicht erhalten werden konnte, es wurde in die gerade Halsmuskulatur autotransplantiert. Weiter gedacht, sollte ausgerechnet das ehemalige rechte untere EK die Ursache für einen Hyperparathyreoidismus werden, kann man es im Ultraschall, bzw. in der Bildgebung von Lymphknoten unterscheiden? Wie groß ist die Chance, das man das autotransplantierte EK während der OP im Hals wiederfindet?

  2. p.goretzki says:

    Den Kommentar von Prof.Dr.Helmuth Schatz kann ich nur unterstützen. Auch wenn numerisch in der o.g. Veröffentlichung vermehrt vergrößerte Nebenschilddrüsen bei den unteren Nebenschilddrüsen und auf der rechten Seite nachgewiesen wurden. Dies kann weiterhin ein rein zufälliges Ergebnis sein und hilft im Einzelfall nicht. Bei vorher dargestellter vergrößerter Nebenschilddrüse (heute in über 80% der Fälle möglich) wird die „fokussierte“ Vorgehensweise angestrebt, egal wo die vergrößerte Nebenschilddrüse liegt und zeigt mit 2-3% Persistenz gleich gute Ergebnisse wie eine Darstellung aller 4 Epithelkörperchen. Ist die präoperative Darstellung dagegen nicht möglich bzw. negativ oder fraglich positiv, der Patient unter 40 Jahre alt, eine familiäre Häufung der Erkrankung nachgewiesen oder der primäre Hyperparathyreoidismus nach jahrelanger Lithium-Therapie entstanden, muss mit einer Mehrdrüsenerkrankung gerechnet werden. Diese Patienten können nur durch Darstellung aller ggf. vergrößerten Nebenschilddrüsen geheilt werden, welches alternativ durch eine intraoperative Parathormonbestimmung vor und nach Nebenschilddrüsenentfernung (von 1-n) überprüft wird. Die unterschiedliche Häufigkeit der Lokalisation vergrößerter Nebenschilddrüsen ist somit von wirklich sekundärer Bedeutung, zudem die Möglichkeit der Lage von Nebenschilddrüsen nicht nur die 4 typischen Stellen (parathyreoidal re und links, oberhalb und unterhalb der A.thyreoidea inferior) umfasst, sondern auch die Ligamenta Thyreoidothymica, die Thymushörner, den paraösphagealen Raum und die ösophagotracheale Grube, das hintere Mediastinum einschließlich des aortopulmonalen Fensters, das Pericard und die Schilddrüse sowie die Gefäßnervenscheide der A.Carotis und Vena Jugularis interna, als nicht descendierte Nebenschilddrüsen den Bereich um die A.thyreoidea superior, und in wirklich extremer Rarität sogar einen direkten Verbund mit dem Nervus Vagus. Das Wissen um all diese seltenen „ektopen Lokalisationen“ ist im Einzelfall weit wichtiger, als die Frage wie sich die zahlenmäßige Verteilung etwa der oberen gegenüber der unteren oder der rechten gegenüber der linken Nebenschilddrüsen in einzelnen Patientengruppen darstellt.

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