Bochum, 17. Mai 2024:
Männliche Fruchtbarkeit
Übergewicht und Adipositas weisen über mehrere Mechanismen einen Zusammenhang mit männlicher Unfruchtbarkeit auf, abgesehen von der – in Studien belegten – verminderten Frequenz des Geschlechtsverkehrs adipöser Menschen und etwa dreifach häufigeren erektilen Dysfunktion: Es sind dies unter anderem verminderte Testosteronspiegel mit erhöhtem Risiko für Spermiendeformitäten und verminderter Qualität der Samenfäden. Man kann zunächst vermuten, dass Glucagon-like Peptide -(GLP)-1-Rezeptoragonisten (RA) allein durch den Gewichtsverlust die männliche Fruchtbarkeit steigern könnten. Schon längere Zeit existieren tierexperimentelle Untersuchungen, Beobachtungs- und Kohortenstudien und auch kleine plazebokontrollierte Studien am Menschen zu diesem Thema. Im Dezember 2023 haben Alexandra Aponte Varnum et al. online in MEDICINA (gedruckt: Jan. 2024 ) eine umfangreiche Review zu diesem Thema publiziert (1). Darin wird besprochen, dass eine Akkumulation von viszeralem Fett zu erhöhten Östrogenspiegeln und Verminderung des Testosterons führt, mit schädigendem Einfluss auf Produktion und Qualität der Spermien. Das Abstract in dieser Review lautet: „Despite numerous studies exploring the influence of GLP-1 and GLP-1 RAs on reproductive hormones, testicular function, and spermatogenesis, further clinical trials are crucial to validate initial evidence. Longer follow-up periods are essential to address uncertainties regarding the long-term repercussions and outcomes of GLP-1 RA use. While this holds true, the current literature suggests that GLP-1RAs show promise as a potential therapeutic approach for improving sperm parameters in obese men“ (1).
Tara Hill formuliert in Medscape (2): „Mit GLP-1-Rezeptorgonisten auch Männer mit Unfruchtbarkeit behandeln – eine neue Indikation ante portas?“ Bei einem therapeutischen Einsatz von GLP-1-Rezeptoragonisten müssten jedoch die enormen Kosten berücksichtigt werden.
Hauteffekte von Semaglutid
Hierüber liegen nur wenige Publikationen vor. Megan M. Tran et al. veröffentlichten am 28.März 2024 online im J. Amer. Acad. Dermatol. (3) einen Überblick über die vorhandenen Evidenzen („Scoping Review“). Die Autoren besprechen 22 Artikel über Patienten, die entweder Semaglutid oder Plazebo oder eine Vergleichssubstanz erhalten hatten (15 klinische Studien, 6 Fallberichte und 1 retrospektive Kohortenstudie, die bis Januar 2024 publiziert wurden). Dies waren Berichte über Semaglutid-assoziierte unerwünschte Wirkungen an der Haut bei 255 Patienten. Es wurde eine breite Palette an Hauterscheinungen erfasst.
Hier soll nur auf die Auswirkungen auf die Hautempfindlichkeit (Dysästesie, Hyperästesie, Neuralgie, Schmerzen, Gefühl einer brennenden Haut etc.) und auf die Behaarung eingegangen werden. Patienten unter wöchentlich ~50 mg oralem Semaglutid (7 mg Rybelsus® tgl., 7x) wiesen mehr dieser verschiedenen Hautempfindlichkeitsstörungen auf als unter Plazebo oder unter einer Vergleichssubstanz ( 1,2% bis 2,7% vs. 0%. ). Berichte über Alopezie waren häufiger unter wöchentlich ~50 mg Semaglutid (Rybelsus®)oral (in 6,9%) als unter wöchentlich 2,4 mg s.c. Wegovy®(in 0,2 %) oder unter Plazebo (0,5%). Umgekehrt waren aber die Hautreaktionen an der Injektionsstelle unter s.c. Semaglutid seltener (3.5%) als unter Plazebo oder einer Vergleichssubstanz (6.7%).
Facit für dir Praxis: Dosis und Zufuhrwege beeinflussen offenbar Art und Schwere der Hautreaktionen auf Semaglutid. Dies bedarf aber noch weiterer, genauerer Untersuchungen.
Helmut Schatz
Literatur
(1) Alexandra Aponte Varnum et al.: Impact of GLP-1-Agoists on Male Reproductive Health – A Narrative Review.
MEDICINA, 2024 Jan. 60(1):50. (Online 2023 Dec 27). Doi. 10.3390/medicina60010050
(2) Tara Haelde: Mit GLP-2-Rezeptoragonisten auch Männer mit Unfruchtbarkeit behandeln – eine neue Indikation ante portas?
Medscape – 3. Mai 2024
(3) Megan M Tran et al.: Dermatologic findings associated wirh semaglutide use: A scoping review.
J Amer Academy Dermatol 2024, March 28. https://doi.org/10.1016/j.jaad.2024.03.021
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