Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Neue Anti-Obesitas-Medikamente zur Zulassung eingereicht


Bochum, 7. Juni 2014:

Der Gukagon-like-peptide-Agonist Liraglutid (Victoza®, als 3 mg-Dosierung) und eine Kombination der zwei in der Europäischen Union (EU) als Einzelsubstanzen bereits zugelassenen Mittel zur Behandlung von Suchterkrankungen, Bupropion (Zyban®) und Naltrexon (Adepend®), sind gegenwärtig zur behördlichen Zulassung mit der Indikation Obesitas eingereicht: Das Beratergremium der FDA soll am 11. September 2014 den Antrag für 3mg-Liraglutid zur Adipositasbehandlung beurteilen, die Kombination Bupropion/Naltrexon ist bei EMA und FDA eingereicht.

Drei Milligramm Liraglutid s.c. pro Tag senkten in der SCALE-Studie (1) bei >2500 übergewichtigen Menschen in 56 Wochen das Körpergewicht um 8.0% , im Vergleich zu 2.6% mit Placebo (8.4 vs. 2.8 kg, p<0.0001). Knapp 10% brachen die Therapie hauptsächlich wegen gastrointestinaler Nebenwirkungen ab, bei Plazebo waren dies 3.8%. Erbrechen und Nausea traten meist in den ersten 4 Wochen auf. Die Dosis sollte somit hochtitriert werden, beginnend mit 0.6 mg, ebenso wie bei der Diabetesbehandlung. Gallensteine und Pankreatitis traten zwar selten, allerdings etwa 3x häufiger auf als unter Plazebo (2.7 bzw. 0.3 vs. 1.1 bzw. 0.1 pro 100 Patientenjahre). Es wurde ein – unbedeutender – Anstieg der Herzfrequenz von 2-3 Schlägen pro Minute beobachtet. Es gab keine neuropsychiatrischen Nebenwirkungen wie bei etlichen anderen Anti-Obesitas-Medikamenten.
Den Antrag auf Zulassung der Kombination aus Bupropion/Naltrexon hatte die FDA im Jahre 2011 abgelehnt und sehr umfangreiche kardiovaskuläre Sicherheitsstudien gefordert, die mittlerweile durchgeführt wurden. Jetzt erwartet man sowohl von der FDA als auch der EMA eine Entscheidung.

Kommentar

Auf der Tagung der European Association for the Study of Obesity (EASO) in Sofia Anfang Juni 2014 wurden diese beiden neuen Therapieoptionen recht kontrovers diskutiert. Der President-elect der EASO, Hermann Toplak aus Graz hob eingangs hervor, dass man das Fettsuchtproblem für 80-90% der Patienten weder durch bariatrische Chirurgie noch durch Lebensstilmassnahmen werden lösen können und ein dringender Bedarf an Medikamenten bestünde. Zur Zeit ist in der EU nur Orlistat (Xenical®) zugelassen. Die in den USA verfügbaren Präparate Lorcaserin (Belvic™ ) und Phenteramin/Topiramat (Qsymia™ ) wurden von der EMA abgelehnt (2, 3). An der 3mg-Dosierung von Liraglutid wurde in Sofia von manchen kritisiert, dass man es so hochdosiert eingesetzt habe und nicht bei 1.2 bis maximal 1.8 mg wie bei der Diabetesbehandlung geblieben sei, zumal man unter der 3mg- Dosis einen etwa dreifachen Anstieg der zwar sehr seltenen, aber ernsten Nebenwirkungen wie Gallensteine und Pankreatitis gefunden habe. Die beiden als Kombinationspräparat (vorgesehener Handelsname:Contrave, Firma Orexin) beantragten Einzelsubstanzen werden in der deutschen „Roten Liste“ als „Entwöhnungsmittel / Mittel zur Behandlung von Suchterkrankungen“ gelistet. Bupropionat (Zyban®) ist mit der Indikation „Raucherentwöhnung“ erhältlich, Naltrexon (Adepend®) zur Reduktion des Rückfallrisikos nach Alkoholentwöhnung. Das neue Kombinationspräparat Contrave soll weniger bedenkliche Nebenwirkungen haben als das in den USA bereits erhältliche, von der EMA aber abgelehnte Phenteramin/Topimarat (Qsymia™) (3). Margaret Ashwell, Ernährungswissenschaftlerin und frühere wissenschaftliche Direktorin der British Nutrition Foundation sagte in Sofia dazu, diese Substanzen „ do seem to have some major side effects. So I have a horrible feeling they will go the same way that so many other obesity drugs have gone” (4).

Helmut Schatz

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Literatur

(1) Pi-Sunyer: The SCALE Study. Vortrag am 16. Mai 2014 auf dem 23rd Annual Scientific and Clinical Congress der American Association of Clinical Endocrinologists in Las Vegas, USA

(2) Helmut Schatz: Gute und weniger gute Nachrichten im Kampf gegen Adipositas und Diabetes. Appetitzügler Lorcaserin am 27. Juni 2012 von der FDA zugelassen.
DGE-Blogbeitrag vom 5. Juli 2012

(3) Helmut Schatz: Fettsuchtmedikament Qsymia von der EMA erneut abgelehnt.
DGE-Blogbeitrag vom 19. März 2013

(4) Lisa Nainggolan: Hope on horizon for newer obesity drugs in Europe?
http://www.medscape.com/viewarticle/826108_print

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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7 Antworten auf Neue Anti-Obesitas-Medikamente zur Zulassung eingereicht

  1. Helmut Schatz sagt:

    Am 11. Juni 2014 hatt die FDA die Entscheidung über das Kombinationspräparat aus Bupropion und Naltrexon um 3 Monate hinausgeschoben. Nach der Ablehnung im Februar 2011 hat die Herstellerfirma Orexin Therapeutics die 8900 Patienten – Light Study zur Sicherheitsüberprüfung begonnen und das Präparat Ende 2013 erneut eingereicht. Jetzt soll am 11. September 2014 von der FDA entschieden werden. Inwieweit die EMA die bisher bei Anti-Obesitas- Medikamenten wie Belviq und Qsymia, die beide in der EU nicht approbiert wurden, beibehalten wird oder nicht, bleibt abzuwarten.

  2. Sylvère Störmann sagt:

    An dieser Stelle möchte ich auf eine Studie von Seifarth und Kollegen hinweisen, deren Ergebnisse letztes Jahr in Experimental and Clinical Endocrinology & Diabetes unter dem Titel „Effectiveness of metformin on weight loss in non-diabetic individuals with obesity“ publiziert wurden [1]. (Anmerkung am Rande: Dieses Paper wurde vor kurzem mit dem Thieme Award 2014 for the Best ECED Original Paper ausgezeichnet. [2])

    In dieser Studie wurden 154 Patienten mit BMI > 27 kg/m2 aus den Praxen der Autoren über 6 Monate mit Metformin auftitriert bis zu 2.500 mg/d behandelt und mit 45 Kontrollen verglichen. Primärer Endpunkt war der Gewichtsverlust nach 6 Monaten. Hierbei zeigte sich ein signifikanter Gewichtsverlust der Interventionsgruppe im Vergleich zu den Kontrollen. Der Gewichtsverlust war umso größer, je höher die Insulinresistenz – allerdings zeigte sich auch bei Patienten mit normaler Insulinsensitivität ein Effekt. Die Autoren schlussfolgerten dementsprechend, dass Metformin als Medikament zur Gewichtsreduktion gut geeignet sei. Die Vorteile lägen dabei vor allem bei dem vergleichsweise geringen Preis der Therapie und dem immensen Erfahrungsschatz hinsichtlich des Sicherheitsprofils von Metformin, was es im Vergleich zu den vielen gescheiterten Anti-Obesitas-Medikamenten sehr interessant für diese Indikation macht.

    [1] http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23147210
    [2] https://www.thieme.de/de/experimental-clinical-endocrinology-diabetes/journal-information-8796.htm

  3. Helmut Schatz sagt:

    Liraglutid 3 mg zur Obesitas-Behandlung wurde auch bei der EMA bereits zur Zulassung eingereicht.

  4. Helmut Schatz sagt:

    Contrave (Bupropion/Naltrexon) wurde am 10. September 2010 von der FDA für die Behandlung bei Adipositas approbiert. Heute oder morgen soll das Advisory Board der FDA über eine Empfehlung für die Zulassung von 3 mg Liraglutid zur Adipositasbvehandlung entscheiden.

  5. Helmut Schatz sagt:

    Am 12. September 2014 hat die FDA mit 14:1 Stimmen Liraglutid auch zur Adipositas-Behandlung zugelassen. Die 3.0 mg -Dosis bekommt den Handelsnamen Saxenda. Indikation „for chronic weight management in individuals with a body mass index of 30 kg/m2 or greater, or 27 kg/m2 or greater in the presence of at least 1 weight-related morbidity“.

  6. Helmut Schatz sagt:

    Pardon, Liraglutid zur Adipositas-Behandlung wurde am 12.9.2014 von der FDA nicht „zugelassen“, sondern das Beratergremium der FDA hat es mit 14:1 Stimmen zur Zulassung empfohlen.

  7. Helmut Schatz sagt:

    Das Beratergremium (CHMP) der EMA hat am 18. Dezember 2014 die Kombination aus verzögertem Naltrexon und Bupropion zur Zulassung empfohlen. Es soll den Namen Mysimba bekommen. In den USA ist es bereits als Contrave erhältlich

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