Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss für medizinische Themen.

Neue Leitlinie zu Kalziumsupplementen und kardiovaskulärem Risiko


Bochum, 7. November 2016:

Am 25. Oktober 2016 erschien in den Annals of Internal Medicine eine gemeinsame klinische Leitlinie der National Osteoporosis Foundation und der American Society for Preventive Cardiology (1). Darin wird eine tägliche Gesamtkalziumzufuhr durch Nahrung und Supplemente, die den von der National Academy of Medicine definierten „Tolerable upper intake level“ für die tägliche Kalziumzufuhr (2000 bis 2500 mg) nicht überschreitet, bei allgemein gesunden („generally healthy“) Erwachsenen aus kardiovaskulärer Sichtweise auf der Grundlage der aktuell verfügbaren Evidenz als unbedenklich eingestuft. Nach Auffassung der Leitlinienautoren gibt es für diese Personengruppe derzeit keinen Zusammenhang zwischen einer Kalziumzufuhr mit oder ohne Vitamin D über die Nahrung oder durch Supplemente und dem Risiko für kardiovaskuläre und zerebrovaskuläre Erkrankungen, der kardiovaskulären Mortalität oder der Gesamtmortalität. Die Leitlinie empfiehlt eine präferentielle Zufuhr von Kalzium durch die Nahrung.

Die Leitlinienautoren geben an, dass sie sich in ihren Aussagen maßgeblich auf einen in der gleichen Ausgabe der Annals erschienene Systematische Review und Meta-Analyse (2) beziehen. In den Review wurden randomisierte, kontrollierte Studien, prospektive Kohortenstudien und eingebettete Fall-Kontroll-Studien mit allgemein gesunden („generally healthy“) Erwachsenen einbezogen, bei denen nicht mehr als 20% der Teilnehmer eine bekannte kardiovaskuläre Erkrankung hatten. Studien, die auf Schwangere, Diabetiker und Dialysepatienten beschränkt waren, wurden ausgeschlossen. In den randomisierten Studien wurde kein signifikanter Unterschied des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse oder der Mortalität zwischen den Gruppen mit einer Kalziumsupplementierung oder einer Kalzium- und Vitamin D-Supplementierung und den Plazebogruppen gefunden. Die Kohortenstudien zeigten keine konsistenten Dosis-Wirkungsbeziehungen zwischen der Gesamt-, der Nahrungs- oder der Supplement-Zufuhr von Kalzium und der kardiovaskulären Mortalität und hochgradig inkonsistente Dosis-Wirkungsbeziehungen zwischen der Kalziumzufuhr und dem Gesamtrisiko für einen apoplektischen Insult oder der Mortalität aufgrund eines apoplektischen Insults.

Kommentar

Zu den Limitationen der Review zählen die Review-Autoren u. a. die Tatsache, dass kardiovaskuläre Erkrankungen in den analysierten Studien keine primären, sondern nur sekundäre Endpunkte waren. Sie konstatieren auch, dass  die Metaregressionen  der Kohortenstudien durch potentielles Confounding, einen möglichen ökologischen Fehlschluss und eine ungenaue Erfassung der Kalziumzufuhr limitiert waren.  Zu beachten ist ferner, dass die Leitlinienempfehlungen auf  „generally healthy“ Erwachsene und eine tägliche Gesamtkalziumzufuhr unterhalb des von der National Academy of Medicine definierten „Tolerable upper intake level“ für die Kalziumzufuhr beschränkt sind und nur Aussagen zu einem potentiellen kardiovaskulären Risiko einer Kalziumsupplementierung gemacht werden.

In dem begleitenden Editorial der Annals empfehlen Dr Margolis und Dr Manson eine präferentielle Zufuhr von Kalzium mit der Nahrung. Sie erläutern, dass Kalziumsupplemente das Risiko für Nierensteine erhöhen können, und dass es derzeit keine Evidenz für einen Mehrnutzen einer Kalziumzufuhr über den aktuell empfohlenen Bedarf einer ausreichenden täglichen Kalziumzufuhr hinaus gäbe (3).

Helmut Schatz

Literatur

(1) S.L. Kopecki et al.: Lack of evidence linking calcium with or without vitamin D supplementation to cardiovascular disease in generally healthy adultws: a clinical guideline from the National Osteoporosis Foundation and the American Society for Preventive Cardiology.
Ann. Intern. Med. 2016 Oct 25. doi: 107326/M16-1743. (ahead of print)

(2) M. Chung et al.: Calcium intake and cardiovascular disease risk: an updated systematic review and meta-analysis.
Ann. Intern. Med. 2016 Oct. 25. doi: 10.7326/M16-1165. (ahead of print)

(3) K.L. Margolis, J.E. Manson: Calcium supplements and cardiovascular disease risk: what do clinicians and patients need to know?
Ann. Intern. Med. 2016 Oct 25. doi: 10.7326/M16-2193. (ahead of print)

Bitte kommentieren Sie diesen Beitrag !

Posted on by Prof. Helmut Schatz
This entry was posted in Allgemein and tagged , . Bookmark the permalink.

Bitte kommentieren Sie diesen Beitrag!

- Kommentare sind auf 1000 Zeichen beschränkt. Bei Umgehen dieser Regelung durch mehrere aufeinanderfolgende Kommentare werden diese gelöscht.
- Wir schätzen eine wissenschaftlich-sachliche Diskussion.
- Bei erbetenen Fernberatungen hat der Leser zu entscheiden, inwieweit er seine persönlichen Daten öffentlich bekanntgeben möchte (Datenschutz!)

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 Verbleibende Zeichenanzahl

Mit dem Absenden des Formulars erklären Sie sich mit der Verarbeitung der übermittelten Daten einverstanden. Details hierzu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.