Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Neues vom Kongress der American Diabetes Association (ADA) in Chicago, 21.-25. Juni 2013


Bochum, 26. Juni 2013

“Metabolisches Gedächtnis“ in der DCCT/EDIC-Studie

Achtzehn Jahre nach Ende der DCCT-Studie, die Typ-1-Diabetespatienten mit konventioneller und intensivierter Insulineinstellung auf Folgeerkrankungen untersucht hatte, weist die intensiviert behandelte Gruppe immer noch etwa 50% weniger Diabeteskomplikationen auf als die konventionell behandelte, obwohl schon lange kein HbA1c-Unterschied zwischen den 2 Gruppen mehr besteht (in beiden Gruppen HbA1c 8%). So betrug die Differenz zwischen beiden Gruppen für die Retinopatie nach 4 Jahren 70%, nach 10 Jahren 53% und nach 18 Jahren 46%. Ähnlich verhielt es sich auch für die Nephro- und Neuropathie. Nach 9 Jahren Nachbeobachtung in der EDIC-Studie fanden sich 42% weniger kardiovaskuläre Ereignisse insgesamt, und 57% weniger nicht-tödliche Herzinfarkte und Schlaganfälle. Im Jahre 2012 betrugen diese Zahlen 33 bzw. 35%.

Kommentar: Diese Daten über das „Metabolische Gedächtnis“ bei Typ-1-Patienten entsprechen denen bei Typ-2-Patienten in der Untersuchung „UKPDS – After 10 Years“. Der Schweizer Diabetologe George Constam hat übrigens auf Grund jahrzehntelanger, sorgfältiger Dokumentation seiner Patienten schon vor über einem halben Jahrhundert postuliert: „Gute Diabeteseinstellung zu Beginn der Erkrankung – weniger Komplikationen, anfangs schlechte Stoffwechselführung – mehr Folgeerkrankungen“.

Gewichtsabnahme in der „Look AHEAD“-Studie bei Diabetespatienten: Wenn auch kein kardiovakulärer Nutzen, so doch vorteilhaft für Nieren und Augen

Diese NIH-Studie wurde bekanntlich nach knapp 10 Jahren wegen fehlenden Nutzens vorzeitig gestoppt. Unter den >5000 Typ-2-Diabetespatienten erlebten in der Interventionsgruppe 403, in der Kontrollgruppe 418 (n.s.) einen kardiovaskulären Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, nicht-tödlicher Herzinfarkt oder Schlaganfall, Hospitalisation wegen Angina). Dennoch bringt Gewichtsabnahme Vorteile: 31% Risikoreduktion für fortgeschrittene Nephropathie, 14% für Retinopathie. Das Neuropathie-Risiko wurde nicht gesenkt. Bei Gewichtsabnahme traten 20% weniger neue Depressionen auf.

Kommentar: Der fehlende kardiovaskuläre Nutzen mag Ursache in dem relativ geringen Gewichtsunterschied liegen, der erzielt wurde: Betrug er in den ersten Jahren noch 4%, so waren es am Ende der Studie nur mehr 2.5%. Auch könnte der kardiovaskuläre Nutzen dieser Gewichtsreduktion durch die in der Interventionsgruppe verringerte Gabe von Blutdrucksenkern, Statinen und Insulin gegenüber der Kontrollgruppe überdeckt worden sein. Auf jeden Fall liegt ein großer Vorteil verringerten Übergewichts in besserer körperlicher Fitness, weniger Schlafapnoe und gesteigerter Lebensqualität.

Triple-Therapie aus Metformin, Pioglitazon und GLP-1-Agonisten bei neumanifestiertem Typ-2-Diabetes

Mit dieser Triple-Therapie wurde bei 155 frischen, noch nicht medikamentös behandelten Typ-2-Diabetespatienten eine größere und dauerhaftere HbA1c-Absenkung mit weniger Hypoglykämien und geringerer Gewichtszunahme erzielt als mit einer konventionellen, schrittweise gesteigerten Therapie mit zuerst Metformin, dann Zusatz eines Sulfonylharnstoffs (Glibenclamid) und schließlich basalem Insulin. Die Triple-Therapie wurde mit täglich 1000 mg Metformin und 15 mg Pioglitazon sowie 2x täglich 5 Mikrogramm Exenatid gestartet und auf 2000 mg, 30 mg und 10 Mikrogramm für die jeweilige Substanz bis zum Ende des 1. Monats auftitriert. Eine Interimsanalyse nach 2 Jahren ergab ein mittleres HbA1c unter Triple-Therapie von 6.0% , wobei 60% einen Wert <6.0% erreichten. Bei konventioneller Behandlung lag HbA1c im Mittel bei 6.6% und 27% hatten einen Wert von <6.0% (p< 0.001 für beide Differenzen). Gewichtsverlust unter Triple-Therapie: - 1.2 kg, unter konventioneller Behandlung: Gewichtszunahme (p<0.001). Hypoglykämien: 15% vs. 46%, Ödeme: 5.3 vs. 1.3%, gastrointestinale Nebenwirkungen: 33 vs. 21% für die Triple- vs. konventioneller Therapie. Kommentar: Diese Therapieform könnte für die Patienten recht einfach werden: „ One pill per day, one injection per week“: Täglich 1 Kombinationstablette aus verzögertem Metformin zusammen mit Pioglitazon, wöchentlich 1 Injektion von verzögertem Exenatid.
Ein Pro-Argument, das man in der Diskussion hören konnte, war, dass man etwa bei Mamma-Karzinom auch nicht stufenweise zuerst nur mit 1 Medikament die Behandlung beginne und erst bei dessen Unwirksamwerden stufenweise weitere dazugebe. Es wurde aber auch kritisiert, dass man bei der Vergleichsgruppe etwa Glibenclamid und nicht eine andere Substanz gewählt habe. Die Studie läuft weiter und in 1 Jahr sollen neue Resultate publiziert werden.

Helmut Schatz

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Literatur

Abstract Book, 73th Scientific Sessions of the American Diabetes Congress 2013.
Diabetes 2013, Supplement (1). Volume 62

Posted on by Prof. Helmut Schatz
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