Bochum, 16. Februar 2015:
Die Placebo-Wirkung ist allen Ärzten geläufig, weniger vielleicht das Gegenteil, der Nocebo-Effekt (lat. nocebo „ich werde schaden“). Erklärt man etwa Patienten ausführlich alle möglichen Nebenwirkungen eines Medikamentes oder einer ärztlichen Maßnahme, so werden diese häufiger davon betroffen werden als der Wahrscheinlichkeit entspricht. Wie oft das sein wird, hängt ganz wesentlich von der Art der Arzt-Patienten – Interaktion ab, also dem Gespräch am Krankenbett oder in der Sprechstunde. Maddy Greville-Harris et al. (1) betonen in einer Übersichtsarbeit, in der sie auch eigene, bisher noch nicht publizierte Untersuchungen bringen, dass eine negative Arzt-Patienten-Kommunikation zu mehr Nocebo-Effekten führt. Diese seien, im Unterschied zu den gut studierten Nebenwirkungen von Medikamenten, bisher noch wenig beachtet und kaum untersucht worden.
Zwei psychologische Theorien dominieren die Vorstellungen über die Entstehung der Nocebo-Effekte: Die Konditionierung und die Erwartung. Die Arzt-Patientenbeziehung unter Berücksichtigung des Umfeldes des Patienten, seiner Vorstellungen vom Leben und seiner Krankheitsauffassung mit seinen Therapieerwartungen (Abbildung 1) sollen beträchtliche Konsequenzen für das Outcome einer medizinischen Behandlung haben, sowohl positive als auch negative (2). Zum Verständnis des Nocebo-Effektes könne das Konzept der „Validation“ und der „Invalidation“ beitragen. Dieses Konstrukt ist von Linehan (3) und weiteren Autoren entwickelt worden. Ursprünglich für Therapiestrategien gedacht, soll es jetzt auf die Kommunikation bei medizinischen Berufen angewendet werden. Validation bedeutet, dem Patienten zu signalisieren, dass er akzeptiert und verstanden wird, Invalidation das Gegenteil. Diese Konstrukte unterschieden sich von Empathie und „compassion“ („mit – leiden“) dadurch, daß sie darauf fokussiert sind, dem Patienten Verständnis und Akzeptanz zu vermitteln und nicht nur Empathie und „compassion“.
Abbildung aus Lit. (1)
Für den klinischen Alltag heben die Autoren drei Punkte hervor:
1.) Wenn ein Patient das Gefühl fehlenden Verstandensein bekommt, kann dies negative Effekte haben.
2.) „Invalidierende“ Arzt-Patient-Interaktionen haben das Potential, Nocebo-Effekte zu bahnen. Dies liegt vor, wenn dem Patienten nicht Akzeptanz und Verständnis vermittelt werden kann.
3.) Die Auswirkungen einer negativen Kommunikation sind stärker als die einer positiven: „Bad is more powerful than good“. Daher ist es wichtiger, sich im Gespräch mit den Patienten darauf zu konzentrieren, diesen nicht zu „invalidieren“ als sich nur auf Empathie, „compassion“ und Validation zu konzentrieren.
Kommentar
Ein „guter Arzt“ wird diese hier von Psychologen sorgfältig analysierte und empfohlene Verhaltensweise mehr oder minder bewusst wohl immer schon angewandt haben. Ob man es, wie von Psychologen vorgeschlagen (4), auch erlernen kann? Der besondere Aspekt der hier besprochenen Arbeit ist Punkt 3: „Bad is more powerful than good“. Es entspricht in etwa dem alten hippokratischen Grundsatz: „Primum nil nocere!“
Helmut Schatz
Literatur
(1) M. Greville-Harris and P. Dieppe.: Bad is more powerful than good: the nocebo response in medical consultation.
Amer. J. Med. 2015.
http://dx.doi.org/10.1016/amjmed.2014.08.032
(2) W. Häuser et al.: Nocebo phenomena in medicine: their relevance in everyday clinical practice.
Dtsch: Aerztebl. Intern. 2012. 109:459-465
(3) M. Lineham: Validation and psychotherapy. In: Bohart a., Greenbverg L., eds.: Empathy Reconsidered: New Directions in Psychotherapy.
Washington, DC: American Psychological Association. 1997. 353-392
(4) K. Hall: Understanding validation: a way to communicate acceptance.
http://www.psychologytoday.com/blog/pieces-mind/201204/under
Bitte kommentieren Sie diesen Beitrag !
Zu diesem Thema erschien im Lancet am 6. Juni 2015, Band 385, Seite 2246-7 ein lesenswerter Artikel von Suzanne O´Sullivan unter dem Titel: „The Art of Medicine: First, do not harm!“
That’s not even 10 mienuts well spent!