Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Östrogene zur Behandlung von schizophrenen Frauen?


Bochum, 5. Juni 2019:

Auf der Jahrestagung 2019 der Amerikanischen Psychiatrischen Assoziation (APA)  in San Francisco berichteten am 18. Mai Viviana Alvarez Toro und Elise Turner von der University of Maryland in Baltimore über das Ergebnis ihrer Metaanalyse von 6 randomisierten, kontrollierten Studien (RCT´s) an insgesamt 426 erwachsenen Frauen mit Schizophrenie. Eingeschlossen wurden nur die Untersuchungen, welche evidenzbasierte Scores (PANSS und BPRS) für positive und negative Symptome verwendeten.  In den Studien zeigte sich unter zusätzlicher Östrogengabe bei PANSS eine signifikante Abnahme der Symptome und in der einen Studie mit dem Score BPRS ein Trend zu Verbesserungen im Vergleich zu Frauen mit alleiniger antipsychotischer Therapie. Die Verbesserungen nahmen mit steigender Östrogengabe dosisabhängig zu (1).

Kommentar

Schizophrenie findet sich bei etwa 1% der Bevölkerung, ohne Unterschied zwischen Männern und Frauen. Allerdings verläuft die Erkrankung bei den beiden Geschlechtern unterschiedlich. Frauen entwickeln die Symptome typischerweise 3-4 Jahre später, insbesondere in Zeiten hormoneller Veränderungen wie post partum oder in der postmenopausalen Periode. Östrogenspiegel fand man bei schizophrenen Frauen niedriger als bei psychisch Gesunden. Die Autoren  zitieren des weiteren tierexperimentelle Hinweise, dass Östrogene dopaminerge Antagonisten erhöhen und somit als „natürliche Antipsychotika“ wirken könnten.  Als Erklärung für eine protektive Östrogenwirkung führen sie eine Förderung der Neurogenese und einer Re-Myelinisation an (1).  

Die Psychiaterin Dolores Malaspina vom Mount Sinai Hospital in New York wies in einem Kommentar (2) darauf hin, dass man gehäuft  psychiatrische Symptome schon in der Prämenopause beobachten könne, und eine Verstärkung bei Frauen mit bereits diagnostizierter Schizophrenie. Wenn auch Östrogene, wie gezeigt,  für manche schizophrene Frauen eine wertvolle zusätzliche Therapie darstellen könnten, müsse man aber die möglichen schädigenden Östrogenwirkungen wie ein erhöhtes Risiko für Krebs und Hypertonie bedenken. Einer der  Diskutanten zu dem Bericht von Caroline Cassels über den Vortrag (2) nennt speziell Endometriumkarzinom und Schlaganfall.

Zusammenfassend ist zu begrüßen, dass man auch bei Schizophrenie das Hormonsystem verstärkt untersucht. Eine Dysregulation der Gonadenhormone kennt man bei diesem Krankheitsbild unabhängig von einer Therapie, ebenso die inverse Relation von Östrogenen und dem Stresshormon Cortisol, welches bei schizophrenen Frauen erhöht gefunden wurde. Stress reduziert bei ihnen wiederum die Östrogenspiegel. All diese Befunde zeigen die universelle, integrative Rolle der Endokrinologie in der Medizin, hier in der Psychiatrie auf.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Viviane Alvarez Toro, Elise Turner: Vortrag auf dem Amerikanischen Psychiatrie-Kongress (APA) 2019: P2-2. Presented May 18, 2019-06-04

(2) Caroline Cassels: Estrogen a possible treatment option for women with schizophrenia?
https://www.medscape.com/viewarticle/913451_print

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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3 Antworten auf Östrogene zur Behandlung von schizophrenen Frauen?

  1. hildegard sagt:

    Ein Zusammenhang zwischen weibliche Hormonen und psychotischen Erkrankungen ist mir persönlich bekannt.
    Sinnvoll ist es das Ärzte sich auch darüber Gedanken machen. Der Stil und die Aussagen in dem Bericht ist jedoch : verbesserungsbedürftig. Grüsse von einer Betrffenen mit einer medizinischen Ausbildung , in der es üblich ist Körper und Seele im Zusammenhang zu betrachten.

  2. Helmut Schatz sagt:

    Liebe Hildegard, danke für Ihren Kommentar. Bitte geben Sie doch bekannt, was zu verbessern wäre: sind Korrekturen oder wichtige Ergänzungen nötig? Das Sachliche ist wichtig, der Stil freilich ist so wie auch der Geschmack von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Der Referent.

  3. Leserin72 sagt:

    In dem Zusammenhang darf erwähnt werden, dass auch für das Turner Syndrome der Zusammenhang zwischen Östrogenmangel und Depression statistisch relevant ist. Ich wünsche mir, dass es in Zukunft mehr Forschung zu spezifisch weiblichen Ausprägungen von Krankheiten gibt. Aber wie es scheint, ist da gerade eine sehr positive Entwicklung zu sehen, vielleicht auch der zunehmenden Anzahl an renommierten Forscherinnen zu verdanken.

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