Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Olympische Spiele ohne Endokrinologie? Wohl nur in vergangener Zeit!


Als Weitspucken, Tauziehen und Sackhüpfen olympische Wettbewerbe waren

Hannover, 1. September 2016:

Was haben Olympische Spiele mit Endokrinologie zu tun? Wachstumshormon, Erythropoetin, Androgene, Corticosteroide, Beta-2-Sympathicomimetica, genau genommen alles, was den Stoffwechsel beeinflusst fällt unter den Begriff „Doping“. Es gab aber auch Zeiten bei den Olympischen Spielen, da waren Wettbewerbe mit Hormon-Doping noch unbekannt. Es gab es Wettkämpfe wie Weitspucken, Tauziehen, Sackhüpfen usw. So unglaublich es heute auch klingen mag – diese Wettkämpfe waren tatsächlich olympische Disziplinen. Wir stellen einige der verrücktesten Sportarten und Fakten der olympischen Geschichte der Neuzeit vor:

Reiten verrückt: Die Wettbewerbe mit Vierbeinern gehören auch heute noch zu den Highlights der Olympischen Sommerspiele. Im Jahre 1900 allerdings waren  die Pferde bei den Olympischen Spielen in Paris  besonders gefordert. Beim Pferdeweitspringen nötigte der Belgier Constant van Langhendonck sein Pferd „Extra-Dry“ zu einem Flug über 6,10 Meter. Im Pferdehochsprung waren 1,85 Meter für Gold nötig. Und im Gespannfahren – auch als Postkutschfahren bezeichnet – triumphierte mit dem Belgier Georges Nagelmackers ein 55-Jähriger. Mit Pferden hatte er übrigens in seinem beruflichen Leben wenig im Sinn: Er gilt als einer der Begründer des Eisenbahnverkehrs, entwickelte den Orient-Express von Paris nach Konstantinopel mit und verhalf der Idee von Schlaf- und Speisewagen zum Durchbruch.

Schwimmen verrückt: Auch im Wassersport kannte der olympische Einfallsreichtum keine Grenzen. Bei den Spielen 1904 stand Kopfweitsprung auf dem Programm. Es durften nach dem Eintauchen ins Wasser dabei keine Schwimmbewegungen gemacht werden. Der US-Amerikaner William Dickey gewann mit 19,05 Metern. Das Problem dabei: Parallel zu Olympia fand die Weltausstellung statt und die Landwirtschafts-Unternehmen schütteten fröhlich ihren Dung und Dünger in den See, in dem die Wettkämpfe stattfanden. Beim ebenfalls nur einmal bei Olympia ausgetragenen Hindernisschwimmen musste auf einem 200 Meter langen Parcours zum Beispiel über Boote hinweggeklettert werden. Bei der Olympia-Premiere 1896 gab es übrigens ein 100-Meter-Freistil-Rennen nur für Matrosen. Die wollten unbedingt beim Schwimmen mitmachen, waren aber eigentlich zu langsam – also wurde extra ein olympischer Wettbewerb für sie geschaffen. Es lebe der olympische Gedanke!

Tauziehen: Tauziehen ist ein echter Olympia-Klassiker und eine der ältesten Sportarten der Welt. Schon 2500 v.Chr. sind auf Wandzeichnungen Vorläufer der Sportart zu sehen. Zwischen 1900 und 1920 stand die Disziplin im Programm der Olympischen Spiele. Zum skandalösen Höhepunkt kam es bei den Spielen 1908 in London. Im einzigen Viertelfinal-Duell unterlag die USA einem Betriebsteam der Polizei von Liverpool. Die US-Amerikaner protestierten danach, weil die britischen Cops (Einsatzstiefel) Nägel an ihren Schuhen hatten und man sich damit einen Wettbewerbsvorteil verschafft hatte. Die rein britische Jury lehnte den Einspruch jedoch mit der fadenscheinigen Begründung ab, dass die Nagelschuhe Teil der Dienstkleidung und deshalb zugelassen seien. Olympiasieger wurden die Spikes-Benutzer aus Liverpool trotzdem nicht – im Finale unterlagen sie dem Polizeiteam aus London.

Standspringen: Was heute eher wie eine Übung eines überehrgeizigen Sportlehrers anmutet, war tatsächlich einmal olympische Disziplin. Ohne Anlauf in die Höhe hüpfen oder eben auch mal in die Weite. Der Amerikaner Ray C. Ewry hält bis heute den Weltrekord in dieser Paradedisziplin. Im Jahr 1904 sprang er 3,476 Meter weit und 1,498 Meter hoch.

Sackhüpfen, Tonnenspringen und Weitspucken: Die Olympischen Spiele von St. Louis 1904 gingen als die „Westernspiele“ in die Geschichte ein. Unglaubliche 102 Sportarten waren olympisch. Sie wurden parallel zur Weltausstellung ausgetragen und die Grenzen zwischen olympischen Disziplinen und Jahrmarkt-Attraktionen war durchaus fließend. Beim Tonnenspringen mussten die Teilnehmer alle 50 Meter kopfüber durch an Seilen aufgehängte Fässer springen. Champions wurden auch im Sackhüpfen und TabakWeitspucken gekrönt. Ergebnislisten existieren leider nicht mehr.

Überliefert ist dagegen die Geschichte des Marathonläufers Fred Lorz, die eine Idee vom Chaos der Spiele gibt. Beim Marathon ließ er sich elf Meilen (17,7 Kilometer) im Auto seines Managers kutschieren, bis das Gefährt den Geist aufgab. Anschließend lief er zu Fuß über die Ziellinie und ließ sich als Sieger feiern. Nachdem Zuschauer den Betrug verraten hatten, bezeichnete Lorz seine Aktion als Witz. Er wurde lebenslang gesperrt und gewann trotzdem 1905 den Boston-Marathon. Ob mit oder ohne Auto ist nicht bekannt.

Schießen auf lebende Tauben: Die Olympischen Spiele 1900 in Paris waren eine blutige Angelegenheit. Über 300 Tauben mussten ihr Leben lassen, weil beim Schießen einmalig auf lebende Objekte geschossen wurde. Der Belgier Leon de Lunden holte 21 vom Himmel, verfehlte nur zwei – und wurde damit Olympiasieger. Glücklicherweise wird im Sportschießen heute nur noch auf Tontauben (Tonscheiben) geschossen. Und die Tauben flattern lebend als Friedensbotschafter bei der Eröffnungsfeier aus dem Olympiastadion.

Gold für Kunst und Kultur: Die vielleicht ungewöhnlichsten Medaillengewinner in der Geschichte der Olympischen Spiele sind Künstler. Zwischen 1912 und 1948 wurden bei den olympischen Kunstwettbewerben Olympiasieger in den Bereichen Architektur, Literatur, Musik, Malerei sowie Bildhauerei gekrönt. Die Verflechtung von Sport und Kultur bei Olympia ging auf eine Idee von Pierre de Coubertin zurück, dem Begründer der modernen Olympischen Spiele. Coubertin reichte übrigens 1912 unter dem Pseudonym „Georges Hohrod und Martin Eschbach“ seine „Ode an den Sport“ ein und wurde damit als einziger Teilnehmer Olympiasieger in der Literatur-Kategorie. Nicht nur bei den Spielen 1924 waren die Jury-Mitglieder – zum Beispiel Schriftstellerin Selma Lagerlöf und Komponist Igor Strawinski – berühmter als die Teilnehmer. Zwei Personen brachten das Kunststück fertig, sowohl in einem künstlerischen als auch im sportlichen Wettbewerb eine Olympia-Medaille zu gewinnen. Der US-Amerikaner Walter Winans gewann 1908 und 1912 Gold und Silber als Sportschütze in der Disziplin „Laufender Hirsch (Doppelschuss)  und später im Jahre 1912 eine Goldmedaille für seine Skulptur „An American Trotter“. Alfréd Hajós aus Ungarn gewann 1896 Doppelgold im Schwimmen und wurde 28 Jahre später mit einer Silbermedaille für seinen Entwurf des Schwimmstadions in Budapest ausgezeichnet.

Seit wann genau auch die Endokrinologie – in Form von Doping – als „olympische Disziplin“ mit dabei ist konnte ich nicht ausfindig machen. Ich kann mich aber noch an meine Jugendzeit erinnern, als in den 1960er Jahren die beiden sowjetischen Press-Schwestern, Tamara und Irina Press, im Kugelstoßen und im Diskuswerfen alle Olympischen Medaillen sowie Welt- und Europameistertitel abräumten, die es zu gewinnen gab. Den beiden Schwestern wurde nachgesagt, ihr Geschlecht könne nicht festgelegt werden. Sie galten manchen schon bald zumindest als Hermaphroditen; nach anderer Ansicht waren sie mit männlichen Hormonen gedopt. Womit wir wieder bei der Endokrinologie angelangt sind. Spötter nannten die beiden „Press Brothers“. Nachdem die Bestimmung des Geschlechts für alle international auftretenden Sportlerinnen 1966 zur Pflicht wurde (diese Tests wurden 2000 in Sydney wieder abgeschafft), verschwanden beide Sportlerinnen von der Sportlerbühne. Die westliche Presse verstand diesen Rückzug als Eingeständnis. Die russischen Zeitungen dementieren dies bis heute.

Nicht nur Menschen, sondern Pferde werden heute ebenfalls gedopt, auch in Deutschland. Bei den Olympischen Spielen in China 2008 war das Pferd „Coester“ des deutschen Springreiters Christian Ahlmann positiv auf die verbotene Substanz Capsaicin getestet worden, ein Mittel, das heute zur Behandlung der schmerzhaften diabetischen Neuropathie eingesetzt wird. Damit sind wir – nach dem Ausflug in verrückte olympische Wettkämpfe – wieder in den „Niederungen der olympischen Endokrinologie“ angekommen.

Klaus-Dieter Döhler, Hannover

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Posted on by Prof. Klaus Döhler
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One Response to Olympische Spiele ohne Endokrinologie? Wohl nur in vergangener Zeit!

  1. Helmut Schatz says:

    Skurril und manchmal geschmacklos muten die – mehr ernst oder eher lustig gemeinten – Vorschläge an, publiziert von Journalisten wie etwa in einer österreichischen Tageszeitung oder online in der Süddeutschen Zeitung, für Wettbewerbe bei vielleicht in Zukunft stattfindenden „Senioren-Olympiaden (analog zu den Paralympics). Darunter finden sich Rollator-Rennen oder Wettbeißen mit den „dritten Zähnen“.

    Helmut Schatz

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