Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Höherdosierte Omega-3-Fettsäuren steigern das Risiko für Vorhofflimmern


Bochum, 22. November 2021:

Eine Metaanalyse aus sieben Studien unter Einbeziehung von  Daten aus einer Nebenstudie (ancillary study) der VITAL-Studie (1), publiziert  in der Zeitschrift „Circulation“ ergab, dass höherdosierte marine Omega-3-Fettsäuren das Risiko für Vorhofflimmern des Herzens zu erhöhen scheinen (2).

Die sieben nach bestimmten Kriterien sorgfältig aus Medline und EMBASE von 2012-2020 ausgesuchten Studien umfassten ~81.000 Personen. Die Beobachtungszeit betrug im Mittel 4.9 Jahre. Das Risiko für Vorhofflimmern unter marinen Omega-3-Fettsäuren war insgesamt signifikant gesteigert (Hazard Ratio (HR)1.25; 95%CI, 1.07-1.46, p= 0-0139). Für höhere Dosen als 1g/Tag  wie in drei Studien (REDUCE-IT,  STRENGTH Trials ) errechnete sich eine HR 1.49, 95%CI, 1.04-2.15, p=0.024. Lag die Dosis wie in vier Studien (VITAL, GISSI, ASCEND Trials) unter 1g/Tag, so ergab sich keine signifikante Steigerung des Risikos für Vorhofflimmern.

Kommentar

Rezeptpflichtige  Medikamente mit Omega-3-Fettsäuren waren bis 2019 in Deutschland und auch anderen europäischen Ländern zur Rezidivprophylaxe nach Herzinfarkt und zur Senkung hoher Triglyceridwerte zugelassen. Nachdem die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) 2018  jedoch in einer rezenteren Übersichtsarbeit keinen Beleg dafür finden konnte, wurde die Indikation  „Prophylaxe für ein Herzinfarktrezidiv“ wieder zurückgenommen. Seit 2021 ist aber wieder ein Omega-3-Fettäurepräparat (Vazkepa(R), Firma Amarin) auch für diese Indikation bei uns auf Grund der REDUCE-IT-Studie (3) verfügbar. Die empfohlene Tagesdosis  beträgt 2x 2 Kapseln zu je ~1g, also ~4g  der modifizierten EPA Icosapent-Ethyl. Die Indikation lautet: „Risikoreduktion für kardiovaskuläre Ereignisse bei mit Statinen behandelten Patieten mit hohem kardiovaskulären Risiko und Triglyceridwerten =/> 150mg/dl  sowie nachgewiesener kardiovaskulärer Erkrankung oder Diabetes mellitus und mindestens einem weiteren kardiovaskulären Risikofaktor“.

Manche Kardiologen betonen, dass diese Daten mit einer modifizierter EPA nicht ohne weiteres auf die frei verkäuflichen hochdosierten „Fischöl-Kapseln“ (s.u.) übertragen werden könnten. Es obliegt dem behandelnden Arzt, den kardialen Nutzen und den potenziellen Schaden eines Vorhofflimmerns mit seinem Patienten zu besprechen und eine gemeinsame Enscheidung (shared decision) zu fällen.

Frei verkäufliche Präparate mit den mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren  Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) werden, da sie in hohen Konzentrationen in fetten Seefischen (Lachs, Hering) vorkommen,  in der Bevölkerung als „Fischöl-Kapseln“ bezeichnet. Sogar für Veganer gibt es spezielle Präparate aus Algen. Das Internet ist heute voll von solchen Nahrungsergänzungsmitteln, deren empfohlene Tagesdosis zum Teil deutlich über 1 g  EPA und DHA liegt. In den USA nehmen 8 % der Bevölkerung frei verkäufliche marine Omega-3-Fettsäuren als Nahrungssupplemente zu sich. Auch bei uns boomt der Markt für die frei verkäuflichen marinen Omega-3-Fettsäuren, wie ein Blick in das Internet zeigt. Da wird mit „Hochdosis-Kapseln“ geworben, nicht nur für kardiale Indikationen, sondern auch für viele andere Beschwerden und Zustände, bei denen sie helfen sollen. Den Referenten (H.S.) erinnerten diese an die vielen, für manches Vitaminpräparat postulierten nicht evidenzbasierten positiven Wirkungen.

Mit Käuferinteressenten für frei erhältliche  Omega-3-Fettsäure-Präparate sollte nicht nur der kardiale Nutzen, sondern wohl auch das gesteigerte Risiko für Vorhofflimmern bei höherer Dosierung der „Fischölkapseln“ angesprochen werden.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Helmut Schatz: Weder Vitamin D noch Omega 3-Fettsäuren schützen vor Herz-Kreislaufereignissen oder Krebs: die Ergebnisse der VITAL-Studie.
DGE-Blogbeitrag vom 11. November 2018

(2) Baris Gencer et al.: Effect of Long-Term Marine Omega-3 Fatty Acids Supplementation on the Risk of Atrial Fibrillation in Randomized Controlled Trials of Cardiovascular Outcomes: A Systematic Review and Meta-Analysis.
Circulation, 6 Oct 2021. https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.121.055654

(3) Deepak L. Bhatt et al., for the REDUCE Investigators: Cardiovascular Risk Reduction with Icosapent Ethyl for Hypertriglyceridemia N Engl J Med 2019; 380:11-22

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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Eine Antwort auf Höherdosierte Omega-3-Fettsäuren steigern das Risiko für Vorhofflimmern

  1. Helmut Schatz sagt:

    1.) Literatur zur o.z. VITAL ancillary Study: Christine M. Albert et al.: Effect of Marine Omega-3 Fatty Acid and Vitamin D Supplementation on Incident Atrial FibrillationA Randomized Clinical Trial. JAMA. 2021;325(11):1061-1073. doi:10.1001/jama.2021.1489.
    2.) Auf dem American Heart Association Congress im November 2021 stellte Rafael Diaz von Rosario, Argentinien die PREPARE-IT-2 – Studie vor. Eine hohe Dosis von Omega-3-Fettsäuren (Vascepa, s.o.) konnte bei ambulanten CoVID-19-infizierten Patienten deren Krankenhausaufenthalte und die Todesfälle nicht signifikant senken, es ergab sich jedoch ein Trend dafür. Die Geamtzahl der unerwünschten Nebenwirkungen war ebenfalls nicht signifikant unterschiedlich (16.5% unter Vascepa, 14.8% unter Plazebo). Vorhofflimmern war trotz der hohen Dosierung ( die ersten 3 Tage 8g, dann von Tag 4-28 täglich 4g) nicht gesteigert. In der oben besprochenen Metaanalyse wurden die Präparate allerdings im MIttel 4.9 Jahre lang gegeben.

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