Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Nicht diagnostizierte Osteoporose bei älteren Männern mit Knochenbrüchen


Bochum, 16. November 2020:

Am 7. November präsentierten während des Jahrestreffens 2020 des American College of Rheumatology Jeffrey Curtis, Professor für Klinische Immunologie und Rheumatologie an der Universität von Alabama in Birmingham, und Mitarbeiter ihre Untersuchungen, dass bei einer Stichprobe von knapp 10.000 Medicare-versicherten US-Männern ab dem 65. Lebensjahr mit Knochenbrüchen zwischen 2010 und 2014 (am häufigsten Wirbel, Hüfte oder Knöchel) bei 92,8 %  der Patienten zum Zeitpunkt der Fraktur keine Diagnose einer Osteoporose bzw. keine Osteoporosetherapie dokumentiert waren (1). Weniger als 6% der betroffenen Männer hatten in den 2 Jahren vor der Fraktur eine Knochendichtemessung (DXA) erhalten. Auch  Patienten mit einem erhöhten Risiko für Stürze waren laut Curtis vor der Fraktur kaum auf eine Osteoporose hin untersucht worden (2). Je älter die Männer waren (Durchschnittsalter 77,9 Jahre), desto seltener war die Knochendichte geprüft worden. Nur 10% der Männer, so Curtis, erhielten im Jahr nach der Fraktur eine Knochendichtemessung, und nur 9% erhielten eine Osteoporosemedikation. In der großen Kohorte erlitten im folgenden Jahr 7% der Männer eine oder mehrere weitere Frakturen (2).

Kommentar

In einem begleitenden Interview erläutert Curtis, dass seiner Ansicht nach mit ein Grund für die Unterdiagnostik sei, dass viele Männer, bei denen schon eine Osteoporose besteht,  beim Arztbesuch  nicht fragen, ob man eine DXA-Messung durchführen könne. Viele Ärzte in den USA würden auch befürchten, dass die Versicherungsträger ein Screening nicht bezahlen würden. Und viele amerikanische Leitlinien beziehen sich nur auf die postmenopausale Osteoporose. Immer noch herrsche die fälschliche Meinung vor, dass Osteoporose ganz überwiegend eine Erkrankung von Frauen nach dem Wechsel sei, so Curtis. Die „International Osteoporosis Foundation“ hatte schon Ende 2014 eine umfangreiche Dokumentation herausgegeben (siehe DGE-Blog vom 2. Januar 2015, Lit. 3). Es wurde darauf hingewiesen, dass 1 von 5 Männern ab dem 50. Lebensjahr eine Osteoporose-bedingte Hüftfraktur erleidet und die Mortalität dieser Fraktur bei Männern doppelt so hoch sei wie bei Frauen (4).

Zur letzten Statistik für die USA: Das National Center for Health Statistics der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) gibt (Stand 23. Juli 2019) für die USA für die Altersklasse von 65 und mehr Jahren einen Prozentsatz von 5,1% für Männer und 24,5% für Frauen an, bei denen auf der Grundlage einer DXA-Messung am Schenkelhals oder der Lendenwirbelkörper eine Osteoporose besteht (5).

Der Referent (H.S.) hat während seiner aktiven Zeit am Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum in den 1990er Jahren diese Sachlage mit seinem unfallchirurgischen Partner, Prof. Gert Muhr (+) besprochen. Dieser überwies in der Folgezeit alle Patienten mit – meist osteosynthetisch versorgten –  Knochenbrüchen nach inadäquaten Bagatelltraumen sowie ältere und andere Risiko-Patienten an die Medizinische Klinik zur Osteoporosediagnostik und ggf. zur Osteoporosetherapie. In diesem Sinne werden heute unter dem Oberbegriff des „Fracture Liaison Service (FLS)“ international zunehmend Programme entwickelt, die helfen sollen, die Abklärung einer Osteoporose nach Fragilitätsfrakturen zu optimieren. Patienten wird über die Diagnostik hinaus zur Sekundärprävention weiterer Frakturen ein  FLS-Brief für den Hausarzt mit  Therapieempfehlungen ausgehändigt (6).

Helmut Schatz

Literatur

(1) Jeffrey Curtis et al.: Abstract 0533 der Jahrestagung 2020 des American College of Rheumatology: Williams S. Curtis J.: Characterization of Older Male Patients with a Fragility Fracture [abstract].
Arthritis Rheumatol. 2020; 72 (suppl 10).
https://acrabstracts.org/abstract/characterization-of-older-male-patients-with-a-fragility-fracture/ Accessed November 13, 2020.

(2) Jeffrey Curtis in: Marcia Frelick: Osteoporosis Underdiagnosed in Older Men With Fracture.
https://www.medscape.com/viewarticle/940566?src=wnl_edit_tpal…

(3) Helmut Schatz: Osteoporose beim Mann: Weltweit grob missachtet!
DGE-Blogbeitrag vom 2. Januar 2015

(4) International Osteoporosis Foundation 2014: Osteoporosis in Men: Why Change Needs to Happen. Author: Peter Ebeling, Monash University, Australia. Reviewers: Cyrus Cooper, Mark Edwards and Nick Harvey, University of Southhampton, UK
www.infobonehealth.org

(5) Center of Disease Control and Prevention, National Center for Health Statistics: Osteoporosis. Data fore the U.S. July 23, 2019.
https://www.cdc.gov/nchs/fastats/osteoporosis.htm

(6) Wiebke Kathmann: Fracture Liaison Service: Bessere Abklärung von Osteoporose.
ÄrzteZeitung vom 15.1.2018

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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Eine Antwort auf Nicht diagnostizierte Osteoporose bei älteren Männern mit Knochenbrüchen

  1. Anna sagt:

    Ich denke auch, dass Osteoporose bei Männern oft nicht entdeckt wird. Hier in Deutschlandsberg ist die Versicherungssituation natürlich auch eine andere. Da kann man auch mal eine 2. Meinung einholen, Röntgen oder andere medizinisch sinnvolle Maßnahmen ergreifen.

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