Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Cholesterinsenkung durch Hemmung der PCSK9-Bildung in der Leber: Daten aus Phase 2 der ORION-1-Studie


Bochum, 28. März 2017:

Im DGE-Blog wurde am 19. Oktober 2016 über die Phase 1 einer Studie zur Cholesterinsenkung mit einer gentechnisch hergestellten Substanz berichtet (durch die „siRNA-Technologie“, small interfering RNA, = kleine eingreifende RNA, Details zu diesem „gene silencing“ siehe Lit. 1). Durch diese Substanz (Inclisiran)  ließen sich die Spiegel des in der Leber gebildeten PCSK9 um 70% und die LDL-Spiegel um 40% senken (1). Jetzt wurden während des Kongresses des American College of Cardiology in Washington, D.C.  am 17. März 2017, zeitgleich im New England Journal of Medicine online publiziert (2),  die Phase 2 – Daten dieser ORION-1 –  Studie berichtet. Die schon auf dem Markt erhältlichen und klinisch eingesetzten PCSK9-Antikörper Evolocumab (Repatha®, FOURIER-Studie) und Alirocumab (Praluent®, ODYSSEY-Studien) binden das die LDL-Rezeptoren abbauende zirkulierende PCSK9  und senken dadurch das LDL-Cholesterin. Mit der siRNA-Technologie wird  PCSK9 durch Hemmung der Synthese dieses Enzyms am Entstehungsort in der Leber abgesenkt, ebenfalls mit der Folge einer LDL-Cholesterinverminderung. In der Phase-2 – Dosisfindungsstudie ORION-1 wurde durch Inclisiran nach ein- oder zweimalige Injektion eine 180 Tage anhaltende Reduktion von PCSK9 und  LDL-Cholesterin erzielt.

Es wurden bei 497 Patienten in 8 Gruppen nach Injektion von Inclisiran in steigenden Dosen oder von Plazebo (entweder 1x am ersten Tag oder 2x an Tag 1 und 90) die Spiegel von PCSK9 und von LDL 180 Tage lang gemessen.  Die Patienten mussten zu Beginn bei bestehender atherosklerotischer Herz-Kreislauf-Erkrankung ein LDL >70 mg/dl (1.8 mmol/l), sonst von  >100 mg/dl (2.6 mmol/l) aufweisen. Alle Patienten mussten eine maximal mögliche Statindosis mit oder ohne zusätzliche hypolipidämische Behandlung für mindestens 30 Tage in stabiler Dosierung haben. Der primäre Endpunkt war die Reduktion des LDL-Cholesterins  nach 180 Tagen und auch des PCSK9-Spiegels.

Ergebnisse: Nach einmaliger Injektion von Inclisiran betrug die LDL-Abnahme 27.9% bis 41.9%, unter Plazebo fand sich ein Anstieg von 2.1%. Nach zwei Inclisiran-Dosen fiel LDL am 90. Tag um 34.2% bis 44.1%, am Tag 120 um 41.9% bis 56.6%, und am 180. Tag um 35.5% bis 52.6%. Die PCSK9-Spiegel nahmen prozentual noch wesentlich stärker ab. Als optimale Dosierung erwiesen sich 2x 300 mg Inclisiran. Alle Patienten waren Responder, mit einem Maximum von -81%.

Nebenwirkungen: Als „nicht mild“ oder „mäßig“ eingestufte Nebenwirkungen wurden unter Inclisiran in 11%, unter Plazebo in 8% beobachtet. Reaktionen an der Injektionsstelle traten bei einmaliger Injektion in 4%, bei zweimaliger Gabe in 7% auf, unter Plazebo bei keinem Patienten.  Es wurden auch – passagere – Transaminasenanstiege registriert. Zweimal kam es zu Todesfällen: bei einem Patienten nach einmaliger Injektion von 500 mg Inclisiran zu einem Herzstillstand und bei einem weiteren nach 2x 200 mg, der während der Studie an einem Thoraxaortenaneurysma operiert wurde.

Kommentar:

Sollte Inclisiran erfolgreich die Phase 3 – Studien durchlaufen und zugelassen werden, so wäre dies ein großer Vorteil gegen über den bisherigen LDL-senkenden Therapieformen, da es wohl nur alle 6 Monate injiziert werden müsste.  Die Therapietreue nimmt bei Statinen mit täglicher Tabletteneinnahme rasch beträchtlich ab. Die monoklonalen PCSK9-Antikörper Evolocumab und Alirocumab wiederum müssen  mindestens 12x im Jahr injiziert werden. Wie lange der LDL-senkende Effekt von Inclisiran anhalten wird, ob Inclisiran sicher ist und vor allem, ob sich mit dieser Substanz das  kardiovaskuläre Risiko verringert, werden zukünftige Studien zeigen müssen.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Helmut Schatz: PCSK9-Hemmung statt durch Antikörper mit siRNA-Technologie oder durch Impfung.
DGE-Blogbeitrag vom 19. Oktober 2016

(2) Kausik K. Ray et al.: Inclisiran in patients at high cardiovascular risk with eolevated LDL cholesterol.
NEJM online March 17, 2017. DOI: 10.1056/NEJMoa1615758

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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