David S. Wald vom Wolfson Institute of Preventive Medicine, London schlägt vor, jedem Menschen ab dem 50. Lebensjahr eine „Polypill“ zur Blutdruck- und Cholesterinsenkung zugänglich zu machen, auch ohne ärztlichen Besuch und ohne Rezeptpflicht. Die von ihm empfohlene dreischichtige Pille, hergestellt von der indischen Firma Cipla, besteht aus 2.5 mg Amlodipin, 25 mg Losartan, 12.5 mg Hydrochlorothiazid und 40 mg Simvastatin. Er erprobte sie an 86 Personen in einem 12-wöchigen, randomisierten cross-over-Versuch. Der mittlere systolische Blutdruck sank um 17.9, der diastolische um 9.8 mm Hg, und LDL-Cholesterin sank um 1.4 mmol/L / 54 mg/dL (1). Ihr Einsatz ab dem 50. Lebensjahr soll während der restlichen Lebenszeit in 28% einen Herzinfarkt oder Schlaganfall verhindern oder zumindest hinauszögern. Man würde im Mittel 11 Lebensjahre ohne kardiovaskuläres Ereignis gewinnen.
Die Polypill zur kardiovaskuläre Prävention wurde 2003 von Nicholas Wald und Malcolm Law vom Wolfson Institute vorgeschlagen. Seither wird heftig diskutiert, ob man sie überhaupt einsetzen solle, und wenn dann zur Primär- oder zur Sekundärprävention, oder nur nach individueller Risikoeinschätzung. Insgesamt arbeiten zur Zeit vier Gruppen an einer Polypill: Dr. David S. Wald und Mitarbeiter in London, Dr. Salim Yusuf von der McMaster-Universität in Hamilton, Ontario, Dr. Anthony Rodgers vom George Institute in Sydney und Dr. Valentin Fuster vom Mount Sinai Medical Center in New York. Drei der Gruppen kooperieren mit verschiedenen indischen, die vierte mit einer spanischen Firma.
Aspirin wurde von Dr. Wald in seiner Polypill bewusst weggelassen, da dies die einzige Komponente wäre, die zu ernsthaften Nebenwirkungen wie Magenblutungen führen könne. Da allein die Blutdruck- und Cholesterinsenkung einen ausgeprägten Rückgang kardiovaskulärer Ereignisse bewirkt, hält er den zusätzlichen Nutzen von Aspirin angesichts von dessen Risikoprofil für generell nicht gerechtfertigt.
Das Alter sei der dominante kardiovaskuläre Risikofaktor. Zusätzliche Bestimmungen des Blutdrucks und des Cholesterins würden nach Dr. Wald nur wenig zusätzliche Informationen liefern, die Kosten und der Aufwand dafür seien somit nicht gerechtfertigt.
Kommentar: Die Idee mag bestechend wirken, ist aber gewiß nicht unproblematisch, wie auch die ausgiebige Diskussion in den letzten Jahren gezeigt hat. Im Besonderen ist anzumerken, dass der Einsatz von 40 mg Simvastatin (für jeden!) angesichts der heutigen Erkenntnisse über die Nebenwirkungen der verschiedenen Statine überdacht werden muß (2). In der Studie von Wald (1) wurden unter der Polypill mehr Nebenwirkungen als unter Placebo registriert ( 29% vs. 13%, p=0.01), die allerdings nie zu einem Therapieabbruch geführt haben. Myalgien waren unter der Polypill aber wesentlich häufiger als unter Placebo (11% vs. 1.2%).
Literatur:
(1) DS Wald, JK Morris, NJ Wald: Randomized polypill crossover trial in people aged 50 and over. PLoS ONE 2012; 7:e41297
(2) Helmut Schatz: Erhöhtes Risiko für Rhabdomyolysen unter Simvastatin, insbesondere bei Dosen ab 40 mg Simvastatin.
DGE-Blog-Beitrag vom 19. April 2012
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