Bochum, 16. Februar 2022
Im DGE-Blog wurde vor 2 Jahren über die hohen Insulinpreise in den USA berichtet, und über die Schlagzeilen in der Allgemeinpresse darüber, so in der Washington Post: „Leben, Tod und Insulin“,oder in Die Zeit: „Der Überlebenswille ist eingepreist“ (1). Jetzt wurde von dem wichtigsten Untersuchungsausschuss des US-Repräsentantenhauses (House Oversight Committee) der Firma Novo Nordisk vorgeworfen, zwischen 2001 und 2019 die Insulinpreise zum Nachteil der Diabetespatienten in die Höhe getrieben zu haben (2). So sei der Preis für das rasch wirkende Novolog in 28 Schritten gesteigert worden, insgesamt um 628 %. Das langwirkende Insulinanalog Levemir sei 18x teurer geworden, insgesamt um 360 %. Die Preissteigerungen seien bei Novo Nordisk in Absprache mit Eli Lilly und Sanofi erfolgt. Diese drei Insulinfirmen beliefern etwa 90% des US-Insulinmarktes.
Wie im DGE-Blog (1) berichtet, habe Novo Nordisk zu Beginn des Jahres 2020 US-Bürgern, die als Typ-1-Diabetespatienten Insulin zum Überleben benötigten, es sich aber finanziell nicht leisten konnten (Monatspreis bis zu über 500 $ !) und sich daher immer geringere Insulindosen injizierten, unentgeltlich „einmalig 3 Fläschchen oder 2 Pens auf Rezept“ zur Verfügung gestellt. Novo Nordisk teilte mit, dass seit 2017 ihre Insuline im Preis gesenkt worden seien. Eli Lilly äußerte sich, dass Discounts angeboten würden und Sanofi teilte mit, dass ihr Glargin-Insulin (Lantus) seit 2012 um knapp 45 % billiger geworden seien. Novo Nordisk betonte, dass im Unterschied zu den im Untersuchungsbericht genannten Zahlen der Preis für Novolog von 2001 bis 2018 nur um 403 % gestiegen sei, also um 200 % weniger. Dennoch hat er sich freilich vervierfacht. Man wies auf den „Nettopreis“ hin, also nach Abzug aller Discounts und Rabatte. Dieser sei nur um 28 % gestiegen.
Gegen Novo Nordisk laufen zur Zeit acht Klageverfahren vor US-Gerichten wegen der hohe Insulinpreise, auch Eli Lilly und Sanofi sind angeklagt (2).
Erfreulicherweise trifft diese Situation bei den Insulinpreisen in Deutschland in diesem Maße nicht zu. In der Zeitschrift für Allgemeinmedizin erschien 2019 eine Übersichtsarbeit, beruhend auf einer Pubmed-Recherche in Medline und Cochrane (3). Es wird festgestellt, dass in den USA der Preisanstieg bei den Analoginsulinen um ein Vielfaches stärker sei als in Deutschland, wo er für Analoginsuline um etwa 50 % höher liege als für konventionelle Insuline.
In dieser Arbeit (3) wurden auch Studien zum Langzeit-Outcome unter Analoginsulinen im Vergleich zu den konventionellen Humaninsulin-Präparaten analysiert (Tod, makro- und mikrovaskuläre Komplikationen, (nächtliche) Hypoglykämien u.a.). Dazu existieren keine prospektiven head-to-head-Studien. Man kam auf Grund der vorliegenden Kohorten- und anderen Studien zu der Schlussfolgerung, dass abgesehen von Vorteilen bei besonderen Patientengruppen kein signifikanter Unterschied bestehe. Solche besonderen Gruppen waren die mit starker Hypoglykämieneigung oder mit rückgekoppelten Systemen der Insulinpumpe. Der Gemeinsame Bundesausschuss G-BA) erklärte in der Arzneimittelrichtlinie vom 15.2.2019 die Verordnung von Insulinanaloga bei Patienten mit Typ-2-Diabetes in den meisten Fällen für unwirtschaftlich. Die Nationale Versorgungsleitlinie 2021 betont ebenfalls, dass kurzwirkende Analoga beim Typ 2 –Diabetes keinen Nutzen brächten, im Unterschied zu den langwirkenden wie Glargin (4).
Helmut Schatz
Literatur
(1) Helmut Schatz: Der Diabetes-Markt in den USA: „Beschämende“ Situation für Insulin in den USA.
DGE-Blogbeitrag vom 3. Januar 2020
(2) Niokolay Skydsgaard: Novo Rejects US Price Hikes Report, has „Nothing to Hide“.
Reuters Health Information, February 3, 2022
(3) Günther Egidi: Welchen Stellenwert haben Insulinanaloga in der Behandlung des Diabetes?
Z.Allg.Med. 2019. 95:360-365.
https://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/AVP/Artikel/2020-1-2/066h/index.php
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