Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Prof. Waldemar Bruns, Ehrenmitglied der Deutschen Diabetesgesellschaft, mit 95 Jahren verstorben


Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs vereinigte er mit dem Referenten (H.S.) die ost- und westdeutschen Diabetologen

Bochum, 1. Juli 2024:

Am 4. Januar 2024 verstarb mit 95 Jahren Prof. Waldemar Bruns, einer der bedeutendsten Diabetologen in der ehemaligen DDR um die Wendezeit. Geboren am 15. Oktober 1929 als Sohn deutsch-russischer Eltern in damaligen Leningrad, lebte er nach Verhaftung und Ausweisung seines Vaters nach 1940 in Berlin. Im Jahre 1963 ging er ans Zentralinstitut für Diabetes „Gerhard Katsch“ in Karlsburg bei Greifswald, die oberste Diabetes-Institution der DDR, die unter der Gesamtleitung von Prof. Horst Bibergeil stand. Dort arbeitete er klinisch und forschte über die komplementäre Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes, die Insulinpumpentherapie bei Typ-1-Diabetes und die Hyperlipoproteinämien. Er habilitierte sich im Jahre 1970 mit einer Arbeit über die renalen Komplikationen bei Diabetes. Anschließend wurde er Chefarzt der Klinik für Erwachsene am Karlsburger Institut. Ich lernte Waldemar Bruns kennen, als ich zweimal – 1971 und 1973 – auf den renommierten „Karlsburger Symposien über Diabetes mellitus“ Vorträge über die Funktion der Langerhansschen Inseln hielt. Ich kam damals von der Klinik von Prof. Ernst-Friedrich Pfeiffer in Ulm, an der ich an isolierten Inseln von Nagern insbesondere die Insulinbiosynthese unter dem Einfluss von Antidiabetika untersucht hatte.

An der Akademie für Fortbildung der DDR war Bruns mit verantwortlich für die Einführung der „Subspezialität Diabetes“ in der DDR, die in der Bundesrepublik Deutschland in die Endokrinologie integriert war. Im Jahre 1981 verließ er, der er kein Parteigenosse war und Schwierigkeiten bekam, das Karlsburger Institut und leitete ab 1981 die von ihm neu errichteten Reha-Anstalten in Saalfeld.

Im Jahre 1991 vereinigte er als Präsident der Diabetesgesellschaft der ehemaligen DDR gemeinsam mit mir, damals Präsident der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG), die Diabetologen der beiden Gesellschaften. Dies war nicht so einfach: Es gab lange Debatten darüber, wie das erfolgen solle. Die etwa 300 Diabetologen umfassende Gesellschaft aus der DDR wollte geschlossen mit der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG ) fusioniert werden. Dagegen erhob sich heftiger Widerstand in der westdeutschen Kollegenschaft, da zahlreiche, auch sehr bekannte West-Diabetologen nicht gewillt waren, alle ostdeutschen Kollegen automatisch in die Gesellschaft aufzunehmen, von denen zahlreiche als stramme Parteimitglieder den „Parteikadern“ angehörten. Es fiel sogar von einem der prominentesten westdeutschen Diabetologen, einem Lehrstuhlinhaber, der Ausspruch „Die sollen alle einzeln zu Kreuze kriechen“, d.h., als Einzelpersonen mit zwei Bürgen den Antrag auf Aufnahme in die DDG stellen , der individuell hätte genehmigt werden müssen – oder auch nicht, etwa bei sehr exponierten SED-Mitgliedern. Gemeinsam mit Waldemar Bruns, dem ich dieses Verfahren vorschlug, einigten wir uns dann auf diesen von beiden Seiten akzeptierten Kompromiss : Im ehemals total verwanzten „Stasi-Hotel“ Neptun in Warnemünde überreichte mir als DDG-Präsidenten der DDR-Präsident Bruns auf der großen Bühne vor den versammelten Ost- und West-Diabetologen ein Paket, welches die persönlich unterschriebenen Einzelanträge aller Ost-Diabetologen auf Beitritt zur DDG enthielt, womit die Aufnahme in die DDG ohne Einzelüberprüfung als vollzogen galt.
Von 1993-1995 amtierte Prof. Bruns dann, als DDG-Präsident, in Saalfeld. Zu seinem 70. Geburtstag erhielt er die Ehrenmitgliedschaft der DDG . Auch die Thüringer Diabetes-Gesellschaft verlieh ihm diese Auszeichnung.

Die beiden Karlsburger Kongresse in der alten DDR zu Beginn der 1970-er Jahre und die Geschehnisse bei der Vereinigung der ost- und westdeutschen Diabetologen vor über drei Jahrzehnten im Jahre 1991 im Hotel Neptun in Warnemünde kamen mir wieder in den Sinn, als ich den Nachruf von Hans-Jürgen Ziegelasch auf Professor Bruns Waldemar las (1).
Helmut Schatz

Literatur

(1) Hans-Jürgen Ziegelasch: Professor Waldemar Bruns 1929-2024.
Diabetes, Stoffwechsel Herz, Juni 2024; 33(3) 176

Posted on by Prof. Helmut Schatz
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