Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Profi-Fußballspieler sterben 3x häufiger an neurodegenerativen Erkrankungen. Kopfstöße als Ursache?


Bochum, 7. November 2019:

Am heutigen Tage erscheint im New England Journal of Medicine eine Untersuchung an schottischen Fußballspielern (1). Es wurden 7676 ehemalige professionelle Fußballspieler (aus den Datenbasen der schottischen Vereine) mit 23.028 gematchten Kontrollen aus der schottischen Allgemeinbevölkerung verglichen. Die Todesursachen wurden den amtlichen Totenbescheinigungen entnommen. Auch verglich man die Verordnung von Demenz-Präparaten (aus dem nationalen Verschreibungs-Informations-System). Die Mortalität der Fußballspieler an neurodegenerativen Erkrankungen war höher, die an nicht-neurologischen Ursachen wie etwa Herzkreislauf- oder Lungenerkrankungen niedriger. Demenzpräparate wurden häufiger an die ehemaligen Fußball-Profis verordnet.

Während im Mittel 18 Jahren verstarben 15% der ehemaligen Fußballspieler und 16% aus der gematchten Allgemeinbevölkerung. Unter dem Alter von 70 Jahren war die Gesamtmortalität der Fußballspieler geringer,  darüber  höher. Die Mortalität an neurodegenerativen Krankheiten  lag bei den Fußballern mit 1.7%  etwa´3x über der in der Allgemeinbevölkerung (0.5%). Die häufigste Ursache war eine Alzheimer-Erkrankung. Zwischen Feldspielern und Tormännern ergab sich kein Unterschied bezüglich der Sterblichkeit, wohl aber bestand ein solcher in der Verordnung von Demenzpräparaten: sie wurden Feldspielern signifikant häufiger verschrieben.

Kommentar

Im Medizinstudium wurden uns A im Pathologie-Unterricht Präparate mit chronischer „Boxer-Enzephalitis“ gezeigt, als Folge wiederholter kleiner Einblutungen am hinteren Pol des Gehirns. Als ein Hobby-Fußballer fragte ich mich damals schon, nach harten, schmerzhaften Kopfbällen („Köpflern“ sagten wir), ob diese auf Dauer nicht auch für das Gehirn schädlich sein könnten. Die Publikation aus Schottland zeigt dies jetzt in einer retrospektiven, epidemiologischen Studie. Wissenschaftlich gesehen, müssten die Befunde freilich noch in einer prospektiven gematchten Kohortenstudie bestätigt werden.

Schon in früheren Publikationen wurde über  Gehirn-Beeinträchtigungen bei  früheren  football-players  (2) und über neurodegenerative Todesursachen bei ehemaligen Spielern der National Football League (3) hingewiesen. Robert A. Stern schrieb zu der hier besprochenen Arbeit von MacKay et al. ein Editorial (4). Er betonte, dass jetzt auch Untersuchungen früherer weiblicher Fußball- (Soccer-) Spielerinnen und von männlichen und weiblichen Amateur-Fußballern nötig seien. Er schließt sein Editorial mit der Feststellung: „However, there is already adequate evidence that repeated blows to the brain from heading in professional soccer is an occupational risk that needs to be addressed”.

Es ist zu vermuten, dass auch der deutsche Fußball- „Kaiser“, Franz Beckenbauer von den vielen Kopfstößen in seiner Laufbahn zerebralen Schaden genommen hat.  Die  Neue Zürcher Zeitung schrieb im Frühsommer 2019: „Gemäß verschiedener ärztlicher Atteste soll Beckenbauer gesundheitlich derart angeschlagen sein, dass er weder einvernahme- noch verhandlungsfähig ist“. Und im ZDF-Medienbericht vom 26. Juli 2019 liest man, dass sich „der Gesundheitszustand von Beckenbauer seit April 2019 massiv verschlechtert hat. So seien dessen Urteilsvermögen und dessen Gedächtnis mittlerweile sehr stark getrübt, eine Besserung sei nicht zu erwarten“.

Dass die Fußballregeln jetzt geändert werden und der Ball nicht nur nicht mit der Hand, sondern auch nicht mit dem Kopf berührt werden darf, nimmt der Referent kaum an. Vom Reiz eines Fußballspiels würde damit viel verloren gehen. Selbst das Boxen, bei dem es sogar zum Tod im Ring kommen kann, findet ja weiterhin statt.

Helmut Schatz

Literatur

(1) D.F. MacKay et al.: Neurodegenerative disease mortality among former professional soccer players.
New Engl J Med. Nov 7, 2019. 381(19): 1809-1808

(2) P.H. Montenigro et al.: Cumulative head impact exposure pre3dicts later-life depression, apathy, executive dysfunction, and cognitive impairment in former high school and college football players.
J Neurotrauma 2017. 34:328-340

(3) E.J. Lehman et al.: Neurodegenative causes of death among retired National Football League players.
Neurology 2012. 79:1970-1974

(4) R.A. Stern: Soccer and mortality – good news and bad news.
New Engl J Med November 7, 2019. 381(19):1862-1863

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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6 Antworten auf Profi-Fußballspieler sterben 3x häufiger an neurodegenerativen Erkrankungen. Kopfstöße als Ursache?

  1. U.H. sagt:

    Dass Sport in starkem Wettkampf generell sehr gefährlich ist, kann man an den verschiedensten Sportarten sehen. Gerade der Kampf um den Sieg lässt jede Vorsicht vergessen. Die Gefahr, sich zu verletzen oder
    verletzt zu werden nimmt man um den Sieg oder Ruhm hin, zumal man sich nicht im Klaren über spätere Folgen ist und auch gar nicht daran denken möchte. Dass neurodegenerative Folgen durch starke Kopfbälle und
    Zusammenstöße entstehen können, wird man als aktiver Fußballer von sich schieben, so wie man generell als Mensch alle schlimmen Folgen verdrängt. Man wird den Reiz des Wettkampfs nicht missen wollen und deshalb auch die Regeln nicht verändern.

  2. Carlo sagt:

    Bis 16 J.spielte ich sehr gerne Fussball und habe immer versucht,Kopfbälle zu vermeiden
    Wenn es aber die Situation erforderte und ich köpfte, war ich anschließend immer ¹einige Sekunden benommen und dies war der Grund, dass ich mit dem Fussballspielen aufhörte.

  3. Helmut Schatz sagt:

    Auf dem Ptztaler Gletscher sagte mir ein bayrischer Schifreund, dass Beckenbauer nicht durch Kopfstöße dement geworden sein könnte, da vor ihm Schwarzenbeck immer die Angriffe abgewehrt hätte und Beckenbauer dahinter nur die dann ankommenden Bälle hätte verteilen müssen.Er hätte kaum Kopfstöße ausgeführt.

  4. Karl Brigel sagt:

    Dennoch konnte „Katsche“ (=Schwarzenbeck) die Demenz von Beckenbauer nicht verhindern.

  5. Heinz Jansen sagt:

    Beckenbauer hat doch schon vor 20 Jahren den Eindruck erweckt, an einer Demenzerkrankung zu leiden: äusserst kleiner Wortschatz (<500 Wörter), langsame schwerfällige Sprechweise, oberflächliche Rede.

  6. Helmut Schatz sagt:

    Im JAMA wird am 29. Januar 2019 online über Untersuchungen im Rahmen der (American) Footbal Players´Health Study berichtet: Aktive Spieler hätten häufig eine erektile Dysfunktion und >18% würden bei niedrigen Hormonspiegeln Testosteron verschrieben bekommen. Der Score für Hirnerschütterungen war mit erektiler Dysfunktion und Indikatoren eines niedrigen Testosteronspieglels assoziiert.

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