Ein Blick über den Tellerrand im Sommerloch
Bochum, 24. Juli 2021:
Es gibt „7 R“-, „6 R“- und 5 R“-Regeln, – nicht alle sehr originell formuliert bzw. leicht zu merken, wenn zum Beispiel jede Forderung mit „Der (die, das) Richtige…“ beginnt . Sehr bedenkenswert ist aber eine „4 R-Regel“, welche der Referent eigentlich seit seinen Kindertagen bis heute befolgt, ohne sie in dieser Diktion gekannt zu haben: Refuse! Reduce! Re-use! Repair!
Refuse!: Nicht alles annehmen bzw. einlösen So bekommt man etwa als BahnCard-Inhaber immer wieder Gutscheine für die kostenlose Mitreise einer Person/PartnerIn, wenn man bis zu einem bestimmten Datum selbst eine Fahrkarte kauft. Dann überlegt man, ob man in dieser Zeit nicht doch irgendwohin fahren sollte/müsste/könnte. Die Bahn erhält den Preis für einen Fahrschein, und ein Platz, der sonst ohnedies leer bliebe, wird halt besetzt. Oder in der Zeitung findet sich ein „Gutschein über „30% auf Alles“. Also geht man in das Geschäft um etwas einkaufen, ohne wirklich ein Bedürfnis zu haben (ein Bedürfnis ist in der Volkswirtschaftslehre der „empfundene Mangel und der Wille, diesen Mangel zu überwinden“) .Ein Kollege erzählte einmal belustigt, seine Frau sei schon wieder heimkommen mit der Botschaft, sie habe 250 Euro „gespart“, weil sie bei der Ankündigung einer 25 %igen Reduktion etwas gekauft hatte, was vorher 1000 Euro gekostet hatte.
Reduce!: Immer weniger kaufen, kochen, bevorraten! Warum gibt es alles im Doppel-, Dreifach- oder gar 6-fach-Pack billiger? Dann liegt vieles zuhause herum, wie bei mir etwa Radiergummi, oder Glühbirnen im Mehrfachpack. Nie zuviel kochen! Friedrich Torberg erzählte die Geschichte von der Tante Jolesch, deren Essen immer allen Gästen hervorragend geschmeckt hatte. In ihrem Nachlass fand man dann eine Eintragung auf der 1. Seite ihres Kochbuchs: „Koche immer etwas zu wenig!“ Gleiches gilt für die Bevorratung: Die Inhaberin einer Pension im Pitztal, wohin ich seit 20 Jahren zum Schisport auf den Gletscher fahre , hatte einmal einen hervorragenden Koch angestellt. Sie entließ ihn aber bald, da er nicht die Haushaltsführung beherrschte, sondern immer zuviel einkaufte. In Deutschland soll, heißt es, etwa ein Drittel der eingekauften Lebensmittel weggeworfen werden, da sie verdorben sind oder das Ablaufdatum schon lange überschritten ist
Re-use! Viele Gegenstände lassen sich auch anderweitig wiederwerten. Unsere „Wegwerfgesellschaft“ sollte ein Ende haben. Das gilt für Kleider, aber auch Möbelstücke u.a. Man sagt, die heutigen Geräte würden für eine Anwendungsdauer von etwa 10 Jahren gebaut. Meine Geschirrspülmaschine hält schon weit über 30 Jahre , wobei nur einmal eine kleine Reparatur nötig war. Und damit sind wir beim 4. R:
Repair! Kürzlich war zu lesen, dass Prinz Charles seine Schuhe und seine Anzüge reparieren läßt. Freilich wird er wohl Maßschuhe von Church oder einem anderen renommierten Maßschuhmachermeister, oder Maßanzüge aus der Londoner Savile Row tragen. Aber auch bei uns in Deutschland nehmen die „Reparatur-Cafes“ und wie sie sich nennen zu, wo man unter Anleitung Haushaltsgeräte usw. instandsetzen kann.
Ein Modewort kommt hier zur Geltung: Nachhaltigkeit!
Helmut Schatz
Die Schuhe wird Prinz Charles aber wohl nicht bei Church, sondern bei John Lobb, St. James´ Street in London fertigen (und reparieren) lassen. Dieser wird auch auf Grund von Auszeichnungen durch die britische Königfamilie als „Schumacher der Könige“ und „König der Schuhmacher“ bezeichjet. John Lobb fertigt ausschließlich Maßschuhe, die im obersten Preisegment (ab 4000.-Euro) angesiedelt sind.
Als sehr alte Dame und Hausfrau sage ich, dass ich nie nach dem Grundsatz der Tante Jolesch gehandelt habe. Ich kochte immer von allem reichlich. Meine Gäste sollten mit Genuss uneingeschränkt essen können. Dies brachte mir den Ruf ein, stets zuviel zu bieten.Eine liebenswürdige Kritik ?
@Quitti: Meine Großmutter, in Deutschwestungarn, dem heutigen Burgenland großgeworden und dort lebend kochte wie Quitti heute noch. Von uns Enkelkindern darauf hingewiesen, dass bei ihr immer viel zu viel übrig bliebe kam ihre Antwort: „Nein, denn wenn alle noch einmal zugegriffen hätten wäre es zuwenig gewesen“. Auch daher schon als Kind meinel Befolgung der ersten beiden „R“: Refuse! und Reduce“. Beim Essen wichtig für den eigenen BMI (Bödy Mass Index ) unter 25, zumindest unter 30.
Dieser Rat zeugt von einer „nachhaltigen“ Klugheit. Er traf besonders auf meine Frau zu, von der ich mich trennte, weil sie keinen dieser Ratschläge befolgte. Ich erinnere mich noch gut an meinen Spruch, wenn sie nach Hause kam und von den tollen Rabatten berichtete. Dann antwortete ich ihr immer: „Eigentlich brauchte ich kein Geld zu verdienen, wir könnten von den Rabatten leben, die Dir gewährt werden“. Die „Vier-R“-Weisheiten werde ich aber auch mit meiner jetzigen Frau teilen. Bin gespannt, wie sie darauf reagiert.
Wie viele Frauen haben wohl weniger belustigt als verärgert zur Kenntnis nehmen müssen, daß sich ihr Gatte bereits nach einem Jahr einen neuen fahrbaren Untersatz zugelegt hat, angeblich weil die Rabatte im Autohaus so günstig waren. Und wieviele Scheidungen (@Fridolin) sind wohl auf die Tatsache zurückzuführen, daß der Gatte den günstigen Baumarkt-Angeboten nicht widerstehen konnte ? Halten wir uns also an die Regeln einer wissenschaftlich-sachlichen Diskussion und fragen den Autor: Welche Untersuchungen zur Geschlechterspezifität des inkriminierten Kaufverhaltens können vorgelegt werden ? Oder besser noch: Passen solche ‚gender bias‘ Blicke über den Tellerrand im Sommerloch noch in unsere Zeit und in den Blog der DGE ?
Liebe Frau (Herr?) Berthold, als Blog-Autor habe ich für diesen „Blick über den Tellerrand, im Sommerloch“ keine wissenschaftlichen Untersucungen zur Geschlechterspezifität angestellt. Ich las den „4 R-Beitrag“ (sie stammen nicht von mir) irgendwo und dachte, man darf wohl einmal empirisch (auch in memoriam der eigenen, hochgeschätzten Großmutter) und nicht nur streng wissenschaftlich sein. Ich meine, ich habe als „Gender-Ausgleich“ zu Friedrich Torbergs „Tante Jolesch“ ohnedies den zuviel einkaufenden Spitzenkoch der Chefin meiner Schipension im Pitztal gebracht, und der Repair-Prinz Charles bekam ja auch einiges ab mit seinen >4000 Euro-Schuhen und den Anzügen aus der Savile Row. Wirklich ein „Gender-Bias“? Loch, loch doch, och loch moch kronk, schrieb einmal der Wiener Lyriker und Humorist Ernst Jandl.
In unsere Zeit passend, wie Frau/Herr Berthold oben vorschlägt, muss man heute die 4R-Regel auf 5R erweitern und „Recycle!“ dazufügen.