Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Fast Food, Junk Food, Western Diet und Herzkreislauferkrankungen: Die Rolle des Inflammasoms bei Metainflammation und Atherosklerose


Mannheim, 26. März 2018:

Prof. Eicke Latz (Universität Bonn/Universität von Massachusetts) gab auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) in Bonn im März 2018 einen sehr guten Überblick über den Zusammenhang zwischen Adipositas, chronischen nicht-übertragbaren Erkrankungen wie Diabetes und Atherosklerose, Entzündung und der Reprogrammierung des angeborenen Immunsystems.

Im ersten Teil seines Plenarvortrages beschrieb Prof. Latz anschaulich und mit innovativer Graphik die wachsende Bedrohung im Kontext von Überernährung und Adipositas. Diese nicht-übertragbaren Erkrankungen sind die Ursache für mehr als 80% aller Todesfälle weltweit (Kivimäki et al., 2017, Lit. 1), häufig verursacht durch Hypercholesterinämie und metabolische Veränderungen, induziert durch den Verzehr von „fast food“ mit hohen Anteilen von Fett, Glukose, Cholesterin und Salz. Dieser Trend befindet sich in beunruhigender Weise im Steigen begriffen, und es gibt Vorhersagen, die für die derzeitige Generation von Kindern in den USA bereits eine kürzere Lebensspanne berechnet als die der vorherigen Generation. Ähnlich stark steigt die Adipositas in anderen Teilen der Welt an, z.B. in städtischen Gebieten Chinas, Indiens und Teilen Afrikas, in denen der Verzehr von „fast food“ zum Standard geworden ist.

Pathogenetisch tragen viele der genannten Merkmale des westlichen Ernährungsverhaltens zur Inflammation bei, und die metabolischen Charakteristika können die Funktion von Immunzellen verändern. Chronische Entzündungsprozesse wurde in Geweben von Erkrankten, z.B. im Pankreas von Menschen mit Typ 2 Diabetes oder in atherosklerotischen Plaques gefunden, und es wurde gemutmaßt, daß diese Prozesse zur Krankheitsprogression beitragen (Masters et al., 2011, Lit. 2). Diese Prozesse schließen auch Zellen des angeborenen Immunsystems mit ein.

Das Team von Prof. Latz hat sich in einer Reihen von eleganten Studien mit den Mechanismen befaßt, die die westliche Ernährung mit Inflammation verknüpfen (Christ et al., 2018, Lit. 3).  Als Einführung erklärte Prof. Latz die Rolle des Gedächtnisses des angeborenen Immunsystems im Kontext der nutritiv-induzierten Inflammation: es wurde festgestellt, daß nach einem initialen Kontakt mit Pathogenen das angeborene Immunsystem in der Lage ist, deutlich ausgeprägter auf einen Nachfolgekontakt mit Pathogenen zu reagieren, ein Mechanismus, der durch epigenetische und metabolische Reprogrammierung gesteuert und für eine lange Zeit persistieren kann. Nach vorliegenden Daten kann diese Form der „innate memory“ auch bei Adipositas und Atherosklerose beobachtet werden (Fleet et al., 1992, Lit. 4). Das Team von Prof. Latz wählte einen systembiologischen in-vivo Ansatz, um die Memory-Funktion des angeborenen Immunsystems bei früher Atherosklerose zu untersuchen. Die Untersuchungen wurden in Ldlr-/- Mäusen durchgeführt, bei denen die Mäuse für 4 Wochen mit atherogener Diät, anschließend für die gleiche Zeit mit Standardfutter ernährt wurden. Analysen von Transkriptom und Proteinen über verschiedene Immunzellpopulationen in verschiedenen Kompartimenten (Microglia, Milzmakrophagen, Knochenmark-Vorläuferzellen). Analysen zeigten eine transiente Steigerung proinflammatorischer Zytokine, die sich unter Gabe des Standardfutters wieder normalisierten. Die Reaktion der Zellen des angeborenen Immunsystems persistierte aber über die Fütterung mit atherogener Diät hinaus. Detaillierte Analysen zeigten, daß sowohl Milzmakrophagen als auch Knochenmarkszellen durch die atherogene Diät reprogrammiert wurden. Eine Veränderung des Granulozyten/Lymphozyten – Quotienten wurde auch beobachtet, ähnlich wie bei schwerer koronarer Herzkrankheit beim Menschen.

Prof. Latz erläuterte dann eine elegante Serie von Transkriptom- und Zellanalysen von Vorläuferzellen der granulozytären und monozytären Reihe, die allesamt den Schluß unterstützen, daß atherogene Diät eine transkriptionelle Reprogrammierung induziert, die Zellen des angeborenen Immunsystems in einem  (Vor-)Aktivierungszustand inflammatorische Antwort vorhalten. Weitere ex vivo und in vivo Studien unter Verwendung von LPS (M1) Stimulation zeigten, daß die Diät-induzierte Reprogrammierung langanhaltend und durch epigenetische Veränderungen mediiert ist. Zusätzlich Experimente in humanen Zellen und in Gen-Deletionsmodellen der Maus wurde zur Identifikation von Mechanismen der Kontrolle dieser anhaltenden Zellprägungen durchgeführt. Daraus konnte das Inflammasom NLRP3 als Schlüsselmediator der Reprogrammierung entziffert werden, und somit dieser Komplex als mögliches Ziel für Hemmstoffe des Krankheitsprozesses empfohlen werden.

Prof. Latz schloß seinen faszinierenden Vortrag, eine der herausragenden Vorlesungen auf dem Kongress, mit dem allgemeingültigen Satz, daß nur  eine bessere Unterrichtung über die Gefahren durch den Verzehr von ungesunder Fertigkost zu einer Reduktion von nicht-übertragbaren Erkrankungen und eine Verbesserung der globalen Gesundheit führen kann.

Hans-Peter Hammes, Mannheim

Literatur

(1) Kivimaeki et al., Lancet Public Health. 2017 May 19;2(6):e277-e285.

(2) Masters SL, Latz E, and O’Neill LA. Sci Transl Med. 2011 May 4;3(81):81ps17.

(3) Christ A, Günther P, Lauterbach MAR, Duewell P, Biswas D, Pelka K, Scholz CJ, Oosting M, Haendler K, Baßler K, Klee K, Schulte-Schrepping J, Ulas T, Moorlag SJCFM, Kumar V, Park MH, Joosten LAB, Groh LA, Riksen NP, Espevik T, Schlitzer A, Li Y, Fitzgerald ML, Netea MG, Schultze JL, Latz E.
Cell. 2018 Jan 11;172(1-2):162-175.e14.

(4) Fleet JC1, Clinton SK, Salomon RN, Loppnow H, Libby P.
J Nutr. 1992 Feb;122(2):294-305.

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Publiziert am von Prof. Hans-Peter Hammes
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