Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Schilddrüse und Schwangerschaft Teil 1


Thyroxin-Gabe bei euthyreoten Schwangeren mit TPO-Antikörpern?

Essen, 18.11.2022

Sowohl das Vorliegen einer Schilddrüsenautoimmunität (positive TPO- Antikörper) als auch eine manifeste Schilddrüsenfehlfunktion beeinträchtigten in der Studie von Korevaar die weibliche Fertilität und den Schwangerschaftsverlauf: Frauen mit erhöhten TPO-Antikörpern wiesen eine erhöhte Abortrate (26.7% vs. 7.6%)und eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Frühgeburten (6,6% vs.4,9%)auf. Der Nachweis von Thyreoglobulin-(TG)-Antikörpern hatte keinen zusätzlichen prädiktiven Wert(1).

Eine hier vorgestellte, europäische T4LIFE-Studie (van Dijk et al.,   Lit. 2) untersuchte, ob die Behandlung mit LT4 den Schwangerschaftsverlauf bei Frauen mit Autoimmunthyreoiditis und vorausgegangenen Aborten verbessert. Hierzu wurden Patientinnen aus 13 Krankenhäusern und Versorgungszentren in den Niederlanden,  Belgien und Dänemark eingeschlossen. Alle Frauen (18 bis 42 Jahre) waren TPO-Antikörper-positiv und hatten zwei oder mehr Aborte in der Anamnese. Bei allen Patientinnen lag die TSH-Konzentration im Referenzbereich. Nach 1:1 Randomisierung erhielten die Frauen bis zum Schwangerschaftsende entweder Levothyroxin (LT4)oder Placebo. Die LT4-Dosis (0,5-1,0 µg/kg Körpergewicht) wurde im Verlauf angepasst. Primärer Endpunkt: Rate an Lebendgeburten ab der 24. Schwangerschaftswoche. Von 2013 bis 2019 konnten 187 Frauen in die Studie eingeschlossen werden. Bei 50% der Frauen unter LT4-Therapie  und 48% unter Placebo kam es zu einer Lebendgeburt. Nebenwirkungsrate: 7% unter LT4 und 8% unter Placebo.

Die Autoren schlussfolgern, dass im Vergleich zu Placebo eine LT4-Behandlung zu keiner Verbesserung der Lebendgeburtsrate bei euthyreoten Frauen mit vorausgegangenen Aborten und TPO-Antikörper-Positivität führt.

Kommentar

Die überwiegend in den Niederlanden durchgeführte Placebo-kontrollierte T4LIFE Studie kommt zu der gleichen Schlußfolgerung wie die 2019 veröffentlichte Tablet-Studie (Dhillon-Smith et al., Lit.3). In letzterer wurden 952 TPO-Antikörper positive euthyreote Frauen mit vorausgegangenen Fehlgeburten oder Infertilität mit LT4 oder Placebo behandelt wurden. Primärer Endpunkt der TABLET-Studie war die Rate an Lebendgeburten nach 34 Schwangerschaftswochen, damit 10 Wochen später als in der T4Life-Studie. Somit ist in zwei großen europäischen randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) gezeigt, dass für den häufigen Fall einer serologischen Autoimmunität bei euthyreoter Stoffwechsellage die LT4-Gabe keinen günstigen Einfluss auf die Lebendgeburtenrate hat. In einer im JAMA 2017 publizierten chinesischen Studie kein Benefit einer präkonzeptionellen LT4 Gabe bei einer IVF Therapie euthyreoter Frauen mit TPO-AK Positivität nachgewiesen (Wang et al., Lit.4). Alle drei Studien zeigen, dass ein Benefit auch dann nicht eintrat, wenn es sich um Frauen mit besonderer Risikokonstellation handelte (Infertilität und vorausgegangene Aborte/Fehlgeburten).

Das Ergebnis dieser Studien ist umso bemerkenswerter, da eine Schilddrüsenabklärung und auch Levothyroxin-Verordnung bei Frauen mit Kinderwunsch in der Praxis doch sehr großzügig praktiziert wird. Daraus folgt, dass der Fokus auf behandlungsbedürftige Schilddrüsenpathologien vor und während einer Schwangerschaft zu richten ist. Dies ist auch das Fazit eines begleitenden Editorials(5). Der zweite Koautor des Editorials, T. Korevaar, allerdings sieht die Frage der LT4 Gabe im Kontext der SD-Autoimmunität nicht abschließend beantwortet und verweist auf zwei kleine Studien aus Italien bzw. Iran, die bei TPO-AK positiven Frauen einen Nutzen von LT4 bei Therapiebeginn am Ende des ersten Trimenons gezeigt hatten.

Dagmar Führer, Essen

Literatur

(1) Korevaar TIM: Euthyroid Thyroperoxidase Antibody Positivity During Pregnancy, to Treat or Not to Treat? Endocrinol Metab (Seoul). 2022 Jun;37(3):387-391.

(2) van Dijk MM et al.: Levothyroxine in euthyroid thyroid peroxidase antibody positive women with recurrent pregnancy loss (T4LIFE trial): a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Diabetes Endocrinol. 2022 May;10(5):322-329.

(3) Dhillon-Smith RK et al.: Levothyroxine in women with thyroid peroxidase antibodies before conception. N Engl J Med 2019;380:1316-25.

(4) Wang H et al.: Effect of levothyroxine on miscarriage among women with normal thyroid function and thyroid autoimmunity undergoing in vitro fertilization and embryo transfer: a randomized clinical trial.
JAMA 2017;318:2190-8.

(5) Korevaar TIM, Dhillon-Smith R.: Levothyroxine treatment in euthyroid women positive for thyroid peroxidase antibodies and recurrent pregnancy loss.
Lancet Diabetes Endocrinol. 2022 May;10(5):299-301.

Publiziert am von Prof. Dagmar Führer
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