Bochum, 20. November 2019:
In einer Studie an 315.890 Diabetespatienten der größten Israelischen Versicherungsgesellschaft (1) fand man keine Assoziation zwischen der Metformin-Einnahme und dem Auftreten von Krebs (ohne Pankreas- und Prostata-Krebs, s.u.). Es erfolgte eine aufwendige Cox-Regressionsanalyse mit zeitabhängigen Covariaten, um für die Behandlung mit anderen blutzuckersenkenden Medikamenten, Alter, Geschlecht, ethnischen Hintergrund, sozioökonomischen Status, Rauchen (bei Blasen- und Lungenkrebs) und Gebärfähigkeit (bei Brustkrebs) zu adjustieren. Von der Analyse wurden die Patienten mit Metformingebrauch 1 Jahr vor der Krebsdiagnose ausgeschlossen. Der Zeitraum betrug 2-7 Jahre.
Die Hasard Ratio (HR) für alle Krebsformen (ausschließlich Prostata und Pankreas, s.u.) betrug 0.98; 95% Confidence Interval (CI) 0.82 – 1.18, für Kolonkarzinom 1.05; 95% CI 0.67-1.63, für Blasenkrebs 0.98; 95% CI 0.49-1.97, für Lungenkrebs 1.02; 95% CI 0.59-1.78 und für weiblichen Brustkrebs 0.88; 95% CI 0.49-1.39 (alle ohne signifikanten Unterschied).
Pankreas- und Prostatakrebs wurden nicht in diese neue Analyse mit einbezogen, da in früheren statistischen Berechnungen der Autoren von Diabetespatienten der gleichen Kohorte starke Assoziationen der Glukosespiegel mit dem Auftreten von Pankreas- und Prostatakrebs gefunden wurden, nicht hingegen mit den anderen Krebsarten. Die Einbeziehung des Pankreas- und Prostatakrebses hätte andere, noch komplexere Analysemodelle erfordert, welche sowohl den Verlauf der Glukosespiegel als auch die Therapieänderungen während dieses Zeitraums hätten einbeziehen müssen.
Kommentar
Schon lange wird diskutiert, ob Metformin vor Krebs schützt oder nicht. Die Ergebnisse waren widersprüchlich. Auf dem 50. Europäischen Diabeteskongress in Wien 2014 wurde am letzten Kongresstag eine „Michael Berger – Debatte“ über die Evidenz für Metformin angesetzt. Sie bezog sich primär auf Metformin und kardiovaskuläre Ereignisse, und als sekundären Endpunkt Krebs. Harold E. Lebovitz, USA vertrat den Standpunkt, dass die Evidenzen „overwhelming“ seien, für Rury Holman, UK war sie „unclear“. Deswegen wurde die „GLINT“-Studie zu diesem Thema initiiert, worüber im DGE-Blog am 19. September 2014 berichtet wurde (2). Rury Holman endete mit den Worten: „It is amazing that several decades after metformin´s introduction we remain unclear about the true benefits and risks of the most widely-used antidiabetic drug on the planet”.
Die sehr sorgfältige Assoziationsstudie an den israelischen Diabetespatienten spricht gegen einen vor Krebs schützenden Effekt von Metformin. Freilich ist es keine prospektive Studie, so dass man das Ergebnis derartiger Untersuchungen noch abwarten muß.
Helmut Schatz
Literatur
(1) Rachel Dankner et al.: Metformin treatment and cancer risk: Cox regression analysis, with time-dependent covariates, of 320.000 persons with incident diabetes mellitus.
Amer. J. Epidemiol., October 2019. 188(10):1794-1800.
https://doi.org/10.1093/aja/kwz157
(2) Helmut Schatz: Metformin – wo ist die Evidenz? Rury Holman aus Oxford: ‚Die Evidenz ist unklar‘.
DGE-Blogbeitrag vom 19. September 2014
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