Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Ein „senolytischer Cocktail“ eliminiert gealterte Zellen und verlängert so das Leben


Bochum, 1. August 2018:

Im Juli 2018 erschien in Nature Medicine ein Artikel (1) der Arbeitsgruppe von James L. Kirkland an der Mayo-Klinik in Rochester, USA  über ihre Experimente an jungen und an älteren Ratten: Durch Transplantation schon einer recht kleinen Zahl von seneszenten (gealterten )Zellen erzielten die Autoren persistierende körperliche Dysfunktionen und ein verkürztes Überleben. An Explantaten menschlichen Fettgewebes erreichten sie mit einem „senolytischen Cocktail“ aus Dasatinib und Quercetin (s.u.) eine selektive Entfernung der gealterten Zellen, welche  proinflammatorische Zytokine sezernieren.  Diese können die Nachbarzellen negativ beeinflussen und damit zu gestörten oder verminderten Körperfunktionen führen (s.u.).

Eine orale, intermittierende Gabe dieses senolytischen Cocktails sowohl an junge Mäuse nach Transplantation gealterter Zellen als auch an natürlich gealterte Mäuse verbesserte die Körperfunktionen, erhöhte das Überleben um 36% und verringerte das Mortalitätsrisiko auf 65%. Die Autoren sehen in ihrer „proof of concept“-Studie die Evidenz, dass gealterte Zellen körperliche Dysfunktionen und vermindertes Überleben auch bei jungen Mäusen bewirken, während Senolytika bei alten Mäusen das gesunde Überleben und die Lebenszeit verlängern.

 Dasatinib (Sprycet®, BristolMyers Squibb) ist ein auch in der EU zugelassener Tyrosinkinasehemmer. Er wird bei chronisch-lymphatischer Leukämie und bei Philadelphia-Chromosom – positiven Formen von akuter lymphatischer Leukämie eingesetzt. Quercetin (von quercus= Eiche) ist ein gelber Naturstoff aus der Gruppe der Polyphenole und Flavolone. Quercetin  ist in der Natur weit verbreitet (Zwiebel, Äpfel, Brokkoli u.a.). Es werden ihm antikanzerogene Effekte durch sein antioxidatives Potenzial zugeschrieben.

Kommentar

Kirkland leitet an der Mayo-Klinik das Kogod-Zentrum des Alterns und sieht dort viele Patienten, welche an mehreren Krankheiten leiden,  bis zu fünf und noch mehr. Er will daher, statt nur die Vielzahl von Erkrankungen im Alter zu behandeln, gegen das Altern selbst vorgehen – ein Wunschtraum der Menschheit.  Seneca sagte zwar: „Ein Weiser hat mit siebzig  Jahren genug, ein Tor kann mit einem tausendjährigen Leben auch nichts anfangen“ . Seneca war bekanntermaßen ein Stoiker. Die heutige Generation will aber möglichst alt werden, und das ohne Krankheiten. Ob dies mit dem Cocktail aus Dasatinib plus Quercetin gelingt? Kirkland hat mit ersten, orientierenden Versuchen an Menschen bereits begonnen. Er warnt allerdings ausdrücklich, diese Substanzen zum „Anti-Aging“ selbst auszuprobieren. Immerhin ist Dasatinib ein Krebsmittel.

Zum Abschluss ein Wort zur Zellalterung: Viele normale Zellen wachsen, sterben ab und werden durch neue ersetzt . Zellalterung (cell senescence)  hingegen ist ein Prozess, bei dem Zellen Funktionen verlieren einschließlich der  Fähigkeit zur Teilung und Replikation. Dem Absterben, dem Zelltod widerstehen sie aber. In der Laienpresse wurden sie kürzlich – mit einem etwas hinkenden Vergleich –  „Zombies“ (Untote) genannt. Sie können Nachbarzellen beeinflussen, indem sie verschiedene pro-inflammatorische und gewebsumwandelnde Moleküle sezernieren. Seneszente Zellen nehmen  mit fortschreitendem Lebensalter  in vielen Geweben zu. Sie finden sich auch in Organen bei vielen chronischen Krankheiten oder Krebspatienten nach Bestrahlungs- und/oder Chemotherapie (2). Somit wird der Therapieansatz der Gruppe von Kirkland verständlich, diese Zellen zu eliminieren und dadurch den Gesundheitszustand und die Lebensdauer zu verlängern.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Ming Xu …. James L. Kirkland: Senolytics improve physical function and increase lifespan in old age.
Nature Medicine (2018) published: July 9, 2018
DOI: 10.1038/s41591-018-0092-9

(2) Science News: Senolytic drugs reverse damage caused by senescent cells in mice.
ScienceDaily, July 9, 2018. www.sciencedaily.com/releases/2018/07

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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