Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Verminderte Spermienqualität junger Männer, die durch intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) gezeugt wurden


Bochum, 18. Oktober 2016:

Die mittlere Spermienkonzentration, deren Gesamtzahl und die Zahl motiler Spermien von 54 durch ICSI gezeugten jungen erwachsenen Männern waren im Vergleich zu 57 auf natürlichem Wege empfangenen Kontrollpersonen deutlich vermindert. Dies ergab eine weltweit erste Studie in Belgien an durch ICSI gezeugten Männern, die jetzt das 18.-22. Lebensjahr erreicht haben (1). Diese Technik wurde 1991 in die klinische Praxis eingeführt (2).

Die Spermienkonzentration (17.7 Millionen/ml), die Gesamtzahl (31.9 Millionen) sowie die Anzahl motiler Spermien (12.7 Millionen) waren bei ICSI-Männern etwa um die Hälfte niedriger im Vergleich zu den Werten der Kontrollgruppe (37.0 Millionen pro ml bzw. 86.8 Millionen und 38.6 Millionen). Auch nach Adjustierung für verschiedene Einflussfaktoren blieb der Unterschied signifikant. Die Autoren weisen unter anderem darauf hin, dass diese Daten von Männern stammen, bei denen ICSI mit Spermien aus Ejakulaten ihrer nicht fertilen Väter erfolgte. Im Lauf der letzten 20 Jahre haben sich die Methoden in der Assistierten Reproduktion geändert, so können inzwischen auch Spermien aus Hodenbiopsien verwendet werden. Bei den heute durch ICSI gezeugten Männern könnten daher die Spermienwerte entweder nach oben oder unten abweichen.

Kommentar

Die Untersuchung zeigt, dass Faktoren männlicher Infertilität vererbt werden können, wenn auch die einzelnen Komponenten der Spermienqualität nicht immer mit denen der Väter korrelierten. Die Studie ergab des Weiteren, dass ICSI-gezeugte Männer ein etwa dreimal höheres Risiko für eine Spermienkonzentration unter 15 Millionen pro ml Samenflüssigkeit haben, eine Zahl, die nach der Weltgesundheitorganisation WHO als Untergrenze für „normal“ gilt. Ebenso ist ihr Risiko für eine verminderte Gesamtspermienzahl unter 39 Millionen (Normalwert) vierfach höher. Die Untersuchungsergebnisse bedeuten aber nicht, dass Männer nach ICSI automatisch eine schlechte Fertilität wie ihre Väter haben müssen. Auch könnten sie auf natürlichem Wege Kinder mit normaler Spermienqualität zeugen. Eine assistierte Reproduktionsbehandlung wie z.B. ICSI sollte nur bei Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch in Erwägung gezogen werden, bei denen der natürliche Geschlechtsverkehr für mindestens ein Jahr ohne Schwangerschaft blieb . Generell sollte man Paaren bei grundsätzlichem Kinderwunsch empfehlen, mit einer Schwangerschaft nicht zu lange zu warten, da mit zunehmendem Lebensalter die Fruchtbarkeit bei Mann und Frau abnimmt.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Florence Belva et al.: Semen quality of young adult ICSI offspring: the first results.
Hum Reprod published online October 5, 2016. doi:10.1093/humrep/dew245

(2) Andre Van Steirteghem et al.: Higher success rate by intracytoplasmic sperm injection than by subzonal insemination. Report of a second series of 300 consecutive treatment cycles.
Hum Reprod 1993;8:1055–1060.

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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