Bochum, 4. November 2013
Der Cholesterinsenker Rosuvastatin (Crestor®) und das Schilddrüsenhormonpräparat Levothyroxin ((Synthroid™) waren im letzten Jahr die zwei am meisten verordneten Medikamente in den USA (siehe Tabelle). Vom Umsatz her, also dem Preis, steht das Antipsychoticum Aripiprazol (Abilify®) an der Spitze, gefolgt vom Protonenpumpenhemmer Esomeprazol (Nexium®).
Bei den Antidiabetika führt Glargin-Insulin (Lantus Solostar und Lantus) sowohl bei den Verordnungen als auch vom Umsatz her die Liste an (1).
Kommentar
Diese Liste lässt klar die große Bedeutung der Hormon- und Stoffwechselerkrankungen erkennen, sowohl für die Volksgesundheit als auch die Volkswirtschaft auf pharmazeutischem Sektor. Sie unterstreicht die wichtige Rolle unseres Fachgebietes, der Endokrinologie als der Lehre von den Hormonen und vom Stoffwechsel. Bei der Neustrukturierung der Vorlesung aus Innerer Medizin an der Medizinischen Universitätsklinik Bergmannsheil Bochum im Herbst 1989 einigten sich die Vertreter der Teilgebiete, die Verteilung der Unterrichtsstunden nach den mittleren Seitenzahlen des jeweiligen Fachgebietes in den großen englisch- und deutschsprachigen Lehrbüchern vorzunehmen. Für manche überraschend, für unser Fach aber erfreulich, schnitten Endokrinologie und Stoffwechsel dabei hervorragend ab. Die in der Tabelle präsentierten Zahlen des US-Marktforschungsinstitutes IMS Health bestätigen die wichtige Rolle unserer Disziplin.
Helmut Schatz
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Literatur
(1) Robert Lowes: Top 100 Selling Drugs Through September Reported
http://www.medscape.com/viewarticle/813571_print
Interessanterweise sind die Verhältnisse in Deutschland sehr ähnlich zu denen in den USA. Der Arzneimittelreport der BARMER GEK weist seit vielen Jahren regelmäßig weit mehr als 2 Millionen Verordnungen für Levothyroxinpräparate pro Jahr nach (s. https://presse.barmer-gek.de/barmer/web/Portale/Presseportal/Subportal/Infothek/Studien-und-Reports/Arzneimittelreport/Einstieg-Arzneimittelreport.html für die letzten vier Jahre). Damit ist Thyroxin das mit Abstand meist verordnete Präparat in der Bundesrepublik, deutlich vor Medikamenten wie Metoprolol, Novaminsulfon, Amlodipin oder Protonenpumpenhemmern.
Warum wird in den USA und offenbar auch in Deutschland zuviel T4 verschrieben? Weil die obere Grenze der TSH-Werte immer tiefer angesetzt wird, meint Frau Prof. Führer aus Essen in einem Interview mit Medscape Deutschland von Anfang November 2013. Viele Ärzte verschreiben schon bei grenzwertig hohem TSH Thyroxin, auch wenn keine besondere Situation vorliege, z.B. unerfüllter Kinderwunsch oder positive Schilddrüsenantikörper. Neue Publikationen aus den USA raten jetzt, bei einem basalen TSH zwischen 5 und 10 mU/l im Normalfall noch kein T4 zu geben, erst bei einem Wert >10. Nach meinem Kenntnisstand entspricht dies nicht dem Verhalten vieler Ärzte in Deutschland. Eine Dyslipidämie stellt wohl auch eine Indikation zur T4-Gabe bei latenter Hypothyreose dar.
Ich würde ja verstehen wenn das eine Behandlung der Hypothyreose wäre. Aber wenn man Schilddrüsenhormone gibt, dann wird der TSH reduziert und damit produziert diesmal die Schilddrüse weniger. Der TSH wird so weit runter gesetzt bis die peripheren Werte den gleichen level wieder erreichen. Es ist nicht so, daß die Schilddrüsenfunktion sich nicht anpaßt. Damit bleibt die Konzentration der Schilddrüsenhormone bzw. fT3 oder fT4 unverändert. Es ergibt 0 Sinn Schilddrüsenhormone bei einer funktionierenden Schilddrüse zu verabreichen.
Einige Ärzte gehen sogar so weit, daß sie die Tabletten auf Minidosen wie 12,5 µg verteilen. Es ist egal ob Sie 12,5, 25, 50 der 75 µg/die geben der TSH paßt sich immer wieder an verändert damit die Funktion der Schilddrüse und die peripheren Werte bleiben an einer gewissen Konzentration, die die Hypophyse haben will.