Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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SPRINT-Studie mit Blutdruckziel <120 mm Hg systolisch heftig kritisiert


Bochum, 9. September 2016:

Während des Kongresses der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in Rom Ende August 2016 wurde an der Hypertonie-Studie SPRINT heftige Kritik geübt (1). Im DGE-Blog wurde über die SPRINT- Studie im vorigen Jahr berichtet (2,3).

Sverre Erik Kjeldsen von der Universität Oslo bemängelte, dass in dieser Studie der Blutdruck am unbeobachteten Patienten in einem geschlossenen Raum sitzend mit einem automatischen Gerät gemessen wurde („unattended“). Diese Methodik ergibt, so Kjeldsen, noch niedrigere Werte als bei der üblichen Selbstmessung zuhause und ganz deutlich niedrigere Ergebnisse als in der Praxis durch den Arzt („Weisskitteleffekt“) oder auch die Schwester/Arzthelferin. Der systolische Blutdruckunterschied würde mindestens 10-20% betragen. In einer kürzlich publizierten Studie lag er in der Arztpraxis um 16 mm Hg und bei üblicher Messung zuhause um 7 mm Hg über den Werten mit dem in der SPRINT-Studie angewendeten Verfahren.

William C. Cushman von der University of Tennessee, Memphis, der Hauptautor der SPRINT-Studie, verteidigte diese und sagte, die angewandte, unbeobachtete Messung entspreche eher dem Alltagsblutdruck. Er wies auf die günstigen kardiovaskulären Ergebnisse einer so starken Blutdrucksenkung hin. „Erkauft“ wurden die positiven Resultate allerdings durch gehäufte Nebenwirkungen wie Hypotonien, Synkopen und akutes Nierenversagen.

In der Diskussion kamen weitere Punkte zur Sprache, vor allem dass der tatsächlich erzielte Blutdruck bei der streng und weniger streng behandelten Gruppe 130-140 beziehungsweise 140-160 mm Hg betragen habe. Dies bestätige aber nur die alte Erkenntnis, dass der Blutdruck zur kardiovaskulären Protektion <140 einzustellen sei. Ein weiterer Kritikpunkt war die geringe Verwendung von Diuretika in der weniger intensiv behandelten Gruppe. Todesfälle durch Herzinsuffizienz hätten aber allein über die Hälfte des Unterschieds zwischen den beiden Gruppen ausgemacht. Auch merkte Kjeldsen kritisch an, dass die Ergebnisse vorzeitig breit bekanntgemacht worden seien, bevor Wissenschaftler sie hätten überprüfen können.

Kommentar

Die Leitlinien zur Hypertoniebehandlung sollten daher nicht im Sinne der SPRINT-Studie geändert werden. Dies ergab auch eine Abstimmung unter den Teilnehmern bei der Sitzung in Rom. Der Autor der SPRINT-Studie, Cushman forderte dies ebenfalls nicht, weder in seinem Vortrag noch in der nachfolgenden Diskussion.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Sverre Erik Kjeldsen und William C. Cushman: Diskussion über die SPRINT-Studie während des ESC- und EAS–Kongresses in Rom, 27.-31. August 2016.

(2) Helmut Schatz: Blutdruck doch tiefer absenken als nach den aktuellen Hypertonie-Leitlinien: auf 120 mm Hg systolisch nach der neuen SPRINT-Studie? (=ohne Diabetespatienten!).
DGE-Blogbeitrag vom 25. September 2015

(3) Helmut Schatz: Blutdrucksenkung doch unter 120 mm Hg systolisch? ACCORDION, die Follow-up-Studie von ACCORD, stützt die Daten der SPRINT-Studie auch für Diabetespatienten.
DGE-Blogbeitrag vom 16. November 2015

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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