Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Statine zur Primärprävention bei alten und sehr alten Menschen: Kein Nutzen wenn kein Diabetes vorliegt, wohl aber bei Diabetespatienten


Bochum, 14. September 2018:

Vor einigen Tagen erschien im British Medical Journal (BMJ) eine retrospektive Kohortenstudie an  46.864 Personen des Katalanischen primären Systems zur Gesundheitsvorsorge (primary care system) über die Jahre 2006-2015. Es wurden Männer und Frauen im Alter von 75-84 Jahren („alte“)  und ab 85 Jahren („sehr alte“ Menschen), die keine klinisch bekannten arteriosklerotischen kardiovaskulären Erkrankungen (CVD) hatten  beobachtet,  im Mittel 5.6 Jahre lang. Sie wurden in zwei Gruppen, ohne und mit Typ2-Diabetes unterteilt. Primäres Outcome waren  das Auftreten einer CVD und die Gesamtmortalität. Angewandt wurden mehrere statistische Methoden. Ergebnis: Nur die Diabetespatienten profitierten von einer Primärprävention mit Statinen (1).

Bei den alten Menschen (75-84 J.) ohne Diabetes betrug die Hazard Ratio (HR) für den Statingebrauch 0.94 (95% CI 0.86-1.04) für CVD, und 0.98 (0.91-1.04) für die Gesamtmortalität. Zahlen für die sehr alten Menschen (ab 85 J.): HR 0.93 (0.82—1.06) bzw. 0.97 (0.90-1.05).

Menschen mit T2-Diabetes: HR für Statingebrauch bei Alten 0.76 (0.65 – 0.89) für CVD und 0.84 (0.75-0.94) für die Gesamtmortalität, bei sehr Alten  HR 0.82 (0.53-1.26) bzw. 1.05 (0.86-1.28).

Die Anwendung weiterer statistischer Methoden, welche etwa das Alter nicht nur in Gruppen, sondern kontinuierlich berücksichtigten, brachte ein im Prinzip gleiches Ergebnis, d.h. einen fehlenden Statineffekt in der Primärprävention bei Menschen ohne Diabetes, hingegen einen Nutzen bei T2-Diabetespatienten; dieser war aber ab dem 85. Lebensjahr geringer und ab dem 90. Jahr nicht mehr nachweisbar.

Kommentar

Diese sorgfältige Untersuchung, eine retrospektive Kohortenstudie, bestätigt das wohl von den meisten Ärzten bei uns praktizierte Vorgehen. Sie entspricht auch der gemeinsamen Leitlinie 2016 der  Europäischen Gesellschaften für Kardiologie und Atherosklerose (2):

„Statintherapie bei älteren Patienten: Primärprävention, wenn zusätzliche Risikofaktoren vorliegen wie arterielle Hypertonie, Rauchen, Diabetes (Empfehlung Klasse IIaB)“

Es soll nochmals darauf hingewiesen werden, dass es sich bei allen untersuchten Gruppen um Menschen OHNE klinisch bekannte oder diagnostizierte aeteriosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen gehandelt hat.  Im Einzelfall wird man aber immer „personalisiert“ und   gemeinsam mit dem Patienten zu entscheiden haben, unter Berücksichtigung auch des  biologischen Alters.

Helmut Schatz

Literatur

(1) L. Cabratosa et al.: Statins for primary prevention of cardiovascular events and mortality in old and very old adults with and without type 2 diabetes: retrospective cohort study.
British Medical Journal (BMJ), September 2018; 362:k3359

(2) European Society of Cardiology (ESC) and European Arteriosclerosis Society (EAS): Guidelines on the management of dyslipidaemia.
Presentation at the ESC/EAS Congress in Rome, 28 August 2016

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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