Bochum, 24. Juni 2015:
Im Juni 2015 erschien im Lancet eine Arbeit, in der gezeigt wird, dass das Risiko eines ersten oder erneuten koronaren Ereignisses durch einen Score aus 27 genetischen Varianten (single nucleotide polymorphisms, SNP´s) vorhersagbar ist und als Grundlage für eine Statintherapie zur Primär- oder Sekundärprophylaxe dienen könnte (1).
Jessica L. Mega et al. (1) analysierten eine Kohortenstudie (Malmö Diet and Cancer Study) und vier randomisiert-kontrollierte Studien mit Statinen zur Primär- (JUPITER und ASCOT) und Sekundärprävention (CARE und PROVE IT-TIMI 22). Bei ~48 000 Personen traten ~3500 Koronarereignisse auf. Ein Score aus 27 SNP´s, die schon einzeln in anderen genomweiten Studien als mit koronaren Ereignissen assoziiert gefunden worden waren, teilten sie in 3 Klassen ein: low, intermediate, high risk. Die multivariabel-adjustierte Hazard Ratio für Koronarereignisse gegenüber der low-risk-Klasse betrug bei mittlerem Risiko 1.34 (p<0.0001) und bei hohem Risiko 1.72 (p<0.0001). Für den Nutzen einer Statintherapie ergab sich ein signifikanter Gradient: Die relative Risikoreduktion verstärkte sich von 13% bei niedrigem über 29% bei intermediärem bis auf 48% bei hohem genetischem Risiko. Entsprechend verhielt sich auch das absolute Risiko: Die NNT (number needed to treat) zur Verhinderung von 1 Ereignis innerhalb von 10 Jahren betrug bei niedrigem Score 66, mittlerem 42 und hohem 25 Personen.
Kommentar
An der koronaren Ereignisrate innerhalb von 10 Jahren orientieren sich auch die Europäischen und Amerikanischen Leitlinien zu einer cholesterinsenkenden Therapie. Inwieweit der genetische Score im individuellen Fall Berücksichtigung finden wird bleibt abzuwarten. Es besteht das Problem der Praktikabilität und natürlich auch der Kosten. Der neue Score muß -ebenso wie neue Biomarker – mit den bereits existierenden Empfehlungen nach dem Euro Score (2) und dem ACC/AHA 2013 Pooled Cohort Equations CV Risk Calculator Score (3) vergleichend untersucht werden (4). Zur vor einiger Zeit zwischen Europa und Amerika lebhaft geführten Diskussion über einen „Zielwert“ für Cholesterin (5) könnte der neue Score auch einen Beitrag liefern.
Helmut Schatz
Literatur
(1) J. L. Mega et al.: Genetic risk, coronary heart disease events, and the clinical benefit of statin therapy: an analysis of primary and secondary prevention trials.
Lancet 385, No. 9984, 2264-2271. June 6-12, 2015
(2) Z. Reiner et al.: ECS/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemia of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Atherosclerosis Society (EAS).
Eur. Heart J. 2011; 32:1769-1818
(3) N.J. Stone et al.: 2013 ACC/AHA guideline on the treatment of blood cholesterol to reduce atherosclerotic cardiovascular risk in adults: a report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Practice Guidelines.
J. Am.Coll. Cardiol. 2014; 63 (25 pt B): 2889-2893
(4) H. Schunkert, N. Samani: Statin treatment: can genetics sharpen the focus? Comment.
Lancet 385, No. 9984, 2227-2229. June 6-12, 2015
(5) Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie: Neue US-Leitlinie zu Herz-Kreislauferkrankungen: DGE sieht Verzicht auf Cholesterinzielwerte kritisch.
Pressemitteilung vom 15.11.2013
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