Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Nach Stuhlübertragung von übergewichtigem Spender Entwicklung einer Adipositas


Bochum, 11. Mai 2015:

Wegen einer rezidivierenden Clostridium difficile-Infektion erhielt eine Patientin Stuhl ihrer übergewichtigen Tochter übertragen. Sie wurde von der Infektionserkrankung geheilt, nahm in der Folgezeit aber stark an Gewicht zu. Wenn ein Zusammenhang auch nicht bewiesen ist, so empfehlen die Autoren dennoch, nur Stuhl von nicht-übergewichtigen, gesunden Personen zu transplantieren (1).

Die 32 jährige Frau, die bis zu diesem Zeitpunkt stets das gleiche Gewicht von 61 kg hatte (Body Mass Index BMI 26 kg/m2), wog 17 Monate später 77 kg (BMI 33). Trotz medizinisch überwachter flüssiger Protein-Nahrung mit einem Programm körperlicher Aktivität betrug es drei Jahre nach Stuhltransplantation 80 kg (BMI 34,5). Auf diesem Gewicht verbleib sie auch in der Folgezeit. Das Gewicht der Tochter nahm in dieser Zeit auch von 70 auf 85 kg zu.

Kommentar

Tierexperimentell war schon früher gezeigt worden, dass nach Stuhlübertragung von übergewichtigen auf normalgewichtige Tiere deren Fettmasse zunahm. Ob der Gewichtszuwachs bei der Patientin durch die Transplantation des Stuhls der übergewichtigen Tochter verursacht wurde, sei dahingestellt. Als mögliche (Mit-)Ursachen sind die Heilung von der Clostridium difficile-Infektion, Wegfall des Krankheitsstresses, genetische Faktoren und Zunahme des Lebensalters zu bedenken. In einem Bericht darüber in der Zeitschrift „Scientific American“ (2) wird der Gastroenterologe Dr. Arnab Ray aus New Orleans zitiert, der bei etwa 60 Stuhlübertragungen an Patienten mit Rezidiven einer pseudomembranöser Colitis vor einigen Wochen auch einen solchen Fall beobachtet hätte. Die Stuhlübertragung bei rezidivierender Clostridium difficile-Infektion ist aber ein äußerst effektiv, wie Dr. Natasha Bagdasarian aus Detroit in einer Übersichtsarbeit belegte (2). Keinesfalls dürfe die vorliegende Fallbeschreibung nicht dazu führen, das Verfahren nicht anzuwenden.

Nur der Stuhl gesunder, nicht übergewichtiger Spender soll übertragen werden. Dies ist in der Regel auch der Fall. In den USA existiert bereits eine Bank mit eingefrorenem Stuhl, „OpenBiome“. Wünschenswert wäre es, wie Ana A. Weil und Elizabeth L. Hohmann vom Massachusetts General Hospital in Boston in einem Editorial (3) zu der Arbeit schreiben, dass zukünftig nur definierte Bakterienmischungen aus Kulturen verwendet werden. Beim Diabetes mellitus (4,5) diskutiert man heute sogar, anstelle von Stuhlbakterien nur kurzkettige Fettsäuren zu verwenden, etwa Propionsäure.

Offen ist die Frage, ob durch Stuhltransplantation die Entstehung oder Neigung zu anderen Erkrankungen gebahnt werden kann, etwa Dickdarmkrebs. In Deutschland existiert ein Register, „MikroTrans“, welches alle Stuhltransplantationen in unserem Lande erfasst und durch Nachverfolgung der Patienten es ermöglichen wird, solchen Fragen nachzugehen.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Neha Alang und Colleen R. Kelly: Weight gain after fecal microbiota transplantation. Open Forum Infectious Diseases (Winter 2015) 2(1): doi: 10.1093/ofid/ofv004
http://ofid.oxfordjournals.org/content/2/1/ofv004.full

(2) Will Boggs: Fecal transplants may up risk of obesity onset. Scientific American, Ausgabe vom 13. Februar 2015

(3) Ana A. Weil and Elizabeth L. Hohmann: Fecal microbiota transplant: benefits and risks. Open Forum Infectious Diseases (Winter 2015) 2(1): doi: 10.1093/ofid/ofv005
http://ofid.oxfordjournals.org/content/2/1/ofv005.full

(4) Helmut Schatz: Fäkalbehandlung – eine Option bei Übergewicht und Diabetes?
DGE-Blogbeitrag vom 19. Januar 2013

(5) Helmut Schatz: Stuhlverpflanzung auch bei Typ-1-Diabetes zum Betazellerhalt?
DGE-Blogbeitrag vom 21. Mai 2013

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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2 Antworten auf Nach Stuhlübertragung von übergewichtigem Spender Entwicklung einer Adipositas

  1. Annett sagt:

    Zum Thema Stuhl Transplantation gibt es interessante Neuigkeiten. Ein weißer Forscher ist seit einiger Zeit Gast in einem afrikanischen Ureinwohner Volk. Sie leben noch wie vor hunderten von Jahren, ohne jegliche zivilisierten Einflüsse. Vor allem ihre Nahrung ist natürlich und unbehandelt. Der Forscher transplantiert seit einiger Zeit Stuhl der Ureinwohner bei sich selbst und dokumentiert exakt, wie genau sich sein Darm, Körper und gesundheits Zustand verändert. Es ist schon interessant, den die Ureinwohner haben Bakterien im Darm, die bei uns in der westlichen Zivilisation überhaupt nicht mehr vorkommen. Ich bin sehr gespannt, wie die Ergebnisse nach Abschluss des Selbstversuches sein werden und welche Auswirkungen dies auf die aktuelle Medizin haben wird.

    Beste Grüße

    Annett

  2. Max sagt:

    Sehr interessant. Gibt’s darüber Publikationen? Wenn ja, bitte ich um Mitteilung.
    Helmut Schatz

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