Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss für medizinische Themen.

Subakute Thyreoiditis de Quervain; möglichst keine Korticoid-Therapie!


Bochum, 4. November 2020:

In diesem Herbst erschien in unserem Gesellschaftsorgan „Exp .Clin. Endocrinol. Diabetes“ ein Artikel von Julia Görges et al. (1), welche Patienten mit subakuter Thyreoiditis de Quervain (SAT) retrospektiv untersuchten. Die Nachbeobachtungszeit betrug bis zu 30 Jahre. Die Autoren  fanden, dass in Abhängigkeit von der kumulativen Prednisolon-Dosis, die eingesetzt wurde, nach drei Jahren bei mehr als einem Viertel (26.8%) der Patienten eine permanente Hypothyrose aufgetreten war. Überwiegend war das weibliche Geschlecht betroffen. Lebensalter, TSH-Spiegel vor Behandlung oder die initiale Prednisolondosis waren ohne Einfluss.

Kommentar

Diese sorgfältige retrospektive Untersuchung von 127 Patienten bestätigt die Schlussfolgerung des Referenten (H.S.) von 1975 aufgrund seiner Befunde an 31 Patienten mit diesem Krankheitsbild aus den 1960er und 1970er Jahren:  Kortikoide sollen möglichst  vermieden werden! (2). Er hatte den ganz überwiegenden Teil der 31 Patienten,  in Wien und später in Ulm, nur mit Antiphlogistika behandelt, was anfangs, wenn die Schmerzen in der Schilddüse sehr stark waren, des öfteren längere Gespräche zur Motivation zum Durchhalten dieser Therapie erforderlich machte. Nur 3 Patienten mussten von ihm wegen heftigster Schmerzen mit Kortikoiden behandelt werden, und bei 2 Patienten wurde die auswärts schon begonnene Kortikoidtherapie auf Wunsch der Patienten weitergeführt. In einer mehrjährigen Nachbeobachtungsperiode trat  bei keinen einzigen der 31 Fälle eine  Hypothyreose auf. De Quervain selbst hatte nur bei 2 seiner 102 Patienten Hinweise für eine Schilddrüsenunterfunktion gefunden (3), Cassidy sah nur bei 1 von 215 Fällen ein Myxödem (4).

Die Autoren der Arbeit diskutieren, dass mehr Patienten mit de Quervain-Thyreoiditis  euthyreot bleiben könnten, wenn die Diagnose schneller gestellt und die Steroide rascher reduziert würden (1).  Der Referent selbst empfiehlt hingegen auch heute nach wie vor, möglichst keine Steroide einzusetzen, es sei denn,  heftigste, mit konventionellen Antiphlogistika nicht beherrschbare Schmerzen machen dies erforderlich, was aber sehr selten ist (siehe 3).

Im DGE-Blog wurde am 1. Juni 2020 über eine Publikation italienischer Autoren berichtet (5), welche den Fall einer Frau mit de-Quervain-Thyreoiditis nach leichter COVID-19-Infektion publizierten. Diese Arbeit wurde vom Referenten kritisiert, weil auf die klassische Befundkonstellation einer  stark beschleunigten Blutsenkung bei normalen Leukozyten nicht entsprechend eingegangen wurde. Die Patientin mit einer SAT nach Virusinfektion (hier eben dem Corona-Virus) wurde mit Corticoiden behandelt, ebenso wie drei von insgesamt vier später publizierten Frauen mit SAT der gleichen Autorengruppe (6). Die Befunde der vier Patientinnen wurden dort tabellarisch dargestellt, welche bei allen 4 Frauen typischerweise eine starke Erhöhung von Blutsenkung und C-reaktivem Protein zeigten, jedoch kein Blutbild und somit auch keinen Wert für die Leukozyten. Somit fehlte ein wesentliches (differenzial-) diagnostisches Kriterium für eine SAT, das bei schmerzhafter Schilddrüse als pathognomonisch gilt und die SAT von anderen Schilddrüseninfektionen unterscheidet.

In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass im Oktober 2020 in Horm. Metabol. Res. (7) ein Bericht aus China erschien, in dem bei zwei Fällen von wieder aufflackernder subaktuter Thyreoiditis durch Zugabe von Colchicin  zur Glukokortikoidtherapie  die Schilddrüsenerkrankung „dramatisch“ gebessert wurde (vgl.  auch Lit. 8 und 9:  Colchicin bei kardiovaskulären Erkrankungen).

Facit: In Bochum, sowohl an seiner Klinik als auch jetzt in seiner Praxis,  hat der Referent alle seine Patienten mit subakuter Thyreoiditis de Quervain ohne Steroide behandeln können.  Erfreulicherweise hat er keine Hypothyreosen gesehen. Er empfiehlt daher die Therapie der SAT zur Vermeidung von permanenten Hypothyreosen nur mit konventionellen Antiphlogistika.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Julia Görges et al.: Long-term Outcome of Subacute Thyroidits.
Exp. Clin. Endocrinol. Diabetes 2020. 128(11): 703-708. DOI: 10.1055/a-0998-8035

(2) Helmut Schatz : Zur Thyreoiditis de Quervain.
Dtsch. Med. Wschr. 1975. 100: 2377-2380

(3) F. de Quervain: Zur Klinik und pathologischen Anatomie der nicht eitrigen Thyreoidits. Schweiz.
Med. Wschr. 1936. 66:1174 ff.

(4) C.E.Cassidy; The diagnosis and treatment of subacute thyroiditis.
In E.B. Astwood, C.E. Cassidy (Eds.): Clinical Endocrinology, Vol. II.
Grune & Stratton, New York – London 1968, Seite761 ff.

(5) Helmut Schatz: Das COVID-19-Virus kann – ebenso wie auch andere Viren – eine subakute Thyreoiditis de Quervin verursachen.
DGE-Blogbeitrag vom 1. Juni 2020

(6) Alessandro Brancatella et al.: Is Subacute Thyroiditis an Underestimated Manifestation of SARS-CoV-2 Infection? Insights From a Case Series.
J. Clin. Endocrinol. Metab: 1. Oct. 2020. Vol. 105(10), dgaa 537.
https://doi.org/10.12210/clinem/dgaa537

(7) Zhenhua Tian et al.: Successful Management of Recurrent Subacute Thyroiditis by Adding Colchicine to Glucocorticoid Treatment: A Case Series Study.
Horm. Metab. Res. 2020. 52 (10): 712-717

(8) Helmut Schatz: Colchicin bei koronarer Herzkrankheit (KHK)?
DGE-Blogbeitrag vom 10. November 2017

(9) Helmut Schatz: Colchicin nicht nur bei Gicht – auch bei Herzinfarkt?
DGE-Blogbeitrag vom 12. Dezember 2019

Posted on by Prof. Helmut Schatz
This entry was posted in Allgemein and tagged . Bookmark the permalink.

3 Responses to Subakute Thyreoiditis de Quervain; möglichst keine Korticoid-Therapie!

  1. G. Salk says:

    “ Der Referent selbst empfiehlt hingegen auch heute nach wie vor, möglichst keine Steroide einzusetzen, es sei denn, heftigste, mit konventionellen Antiphlogistika nicht beherrschbare Schmerzen machen dies erforderlich, was aber sehr selten ist (siehe 3).“

    Das praktiziere ich schon seit mehr als 5 Jahren so und empfehle kein Kortison auch wegen den Nebenwirkungen nicht. Die Patienten nehmen selber, wenn sie Schmerzen haben Antiphlogistika ein und das reicht auch meistens. Nur selten hat man bei subakuter Thyreoiditis so heftige Schmerzen, dass Antiphlogistika nicht reichen. Eine Schmerzsymptomatik ist auch keine Bedingung für eine subakute Thyreoiditis. Es gibt auch mehrere Verläufe ohne Schmerzen. Meistens wird hier über therapiert.

  2. Helmut Schatz says:

    In Heft 12/2020 wird ein Erratum zum o.g. Artikel abgedruckt: Die Säulen (oder die Koordinaten) in Abb. 5 wurden falsch angeordnet. Sie zeigten bei fehlendem und bei weniger als 2 g kumulativer Prednisolon-Dosis die meisten Hypothyreosen an, bei hoher kumulativer Dosis von über 4g hingegen die wenigsten. Es ist aber genau umgekehrt, wie im Text auch richtig steht.

  3. Julia Veiga Martinez says:

    Ich habe am Anfang ( die erste 3 Wochen ) ibuprofen eingenommen 3x Damtag 400mg.

    ich nehme jetzt nichts mehr… fas keine Schmerzen aber Müdigkeit, ich helfe mir selbst mit ausruhen ich esse so wieso sehr gut und gerade Ingwer shots 2-4x am Tag auch kiwis da mein Körper verlangt nach der dir TIROXING Hormon.

    ich bin in die 6 Woche und ich hoffe es bleiben keine Folgen …. ich habe nie was mit der Schildrusse gehabt!!

    saludos

    Julia Veiga Martinez

Bitte kommentieren Sie diesen Beitrag!

- Kommentare sind auf 1000 Zeichen beschränkt. Bei Umgehen dieser Regelung durch mehrere aufeinanderfolgende Kommentare werden diese gelöscht.
- Wir schätzen eine wissenschaftlich-sachliche Diskussion.
- Bei erbetenen Fernberatungen hat der Leser zu entscheiden, inwieweit er seine persönlichen Daten öffentlich bekanntgeben möchte (Datenschutz!)

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 Verbleibende Zeichenanzahl

Mit dem Absenden des Formulars erklären Sie sich mit der Verarbeitung der übermittelten Daten einverstanden. Details hierzu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.