Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Der Süßstoff Erythrit ist mit erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert


Bochum, 2. März 2023:

Vor 3 Tagen erschien in Nature Medicine (1) ein Artikel der Autoren Marko Witkowski et al., die mit dem kalorienfreien Zuckerersatzstoff Erythrit (Erythritol, E 968) ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) und eine gesteigerte Thrombose-Neigung beobachteten. Die Autoren führten ihre sehr aufwendige und sorgfältige in vivo- und in vitro –Studie in vier  Abschnitten durch.

Methodik und Resultate

  • In die erste Untersuchungsreihe (discovery cohort) wurden 1.157 Personen mit hohem Risiko für Herzkreislauferkrankungen aufgenommen und 3 Jahre lang nachverfolgt.  Die Teilnehmer, bei denen in diesem Zeitraum ein MACE (Tod, nicht-fataler Herzinfarkt oder Schlaganfall) auftrat, wiesen eine erhöhte Konzentration von multiplen Polylen, vor allem von Erythrit auf.  Es bestand somit eine Assoziation des Erythrit-Spiegels mit MACE.
  • In einer Metabolomics-Analyse studierten die Autoren 2 Kohorten von stabilen Patienten (2.149 aus den USA und 833 aus Europa), welche sich einer kardialen Untersuchung unterzogen. Bei ihnen bestätigte sich diese Assoziation.
  • Bei präklinischen Versuchen war mit physiologischen Erythrit-Konzentrationen die Reaktivität von Thrombozyten in vitro und in vivo bei Mäusen die Thromboseentstehung erhöht.
  • In einer prospektiven Interventions- Pilotstudie an 8 freiwilligen,  gesunden Personen führte die Aufnahme von 30 g Erythrit zu einer länger als 2 Tage anhaltenden Erhöhung der Erythritspiegel deutlich über die Schwelle hinaus, bei der sich in vitro und in vivo eine gesteigerte Reaktivität der Thrombozyten und ein erhöhtes Thrombosepotenzial gefunden hatte.

Kommentar:

Süßstoffe stehen seit Jahrzenten wegen potenziell pathogen Wirkungen in der Diskussion. Der Referent (H.S.) hatte in den 1970er Jahren während seiner Ulmer Zeit  im Auftrag von Prof.  E.F. Pfeiffer an einer Tagung  am Institut für Ernährungsforschung Bonn-Poppelsdorf über  die Kanzerogenität von Saccharin  teilgenommen. Es wurde damals heftig und kontrovers diskutiert. Heute ist es darüber still geworden und Sacharin wird weiterhin überall verkauft. Ähnliche Diskussionen gab es bei den künstlichen Süßstoffen Cyclamat, Aspartam, Sucralose und Acesulfam-K.  Gegen Erythrit sah die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) keine Bedenken und der Süßstoff darf in der Europäischen Union ohne Mengenbegrenzung zugesetzt werden.

Optisch und  in seiner Konsistenz unterscheidet sich Erythrit nicht von Zucker, seine Süßkraft ist aber nur halb so hoch wie bei diesem. In geringen Mengen wird Erythrit vom Körper selbst produziert. Somit erhebt sich die Frage, ob nicht herzgefährdete oder herzkranke Personen selbst vermehrt Erythrit bilden. Eine genetisch bedingte Erhöhung der Erythritproduktion wurde ebenfalls im Zusammenhang mit Herzerkrankungen und Thromboseneigung diskutiert.

Ob man die Resultate der oben referierten Studie, die an schon herzgefährdeten Patienten erhoben wurden auf die Allgemeinbevölkerung übertragen kann ist fraglich. Erythrit ist in vielen als “zuckerfrei“ verkauften Lebensmitteln, insbesondere Getränken enthalten. So ist der Erythritgehalt von 30 g, wie er in der 4. Studie der Autoren verwendet wurde und den Spiegel im Blut der Probanden sehr stark anhob, etwa vergleichbar mit der üblichen Dosis in einem „zuckerfreien“ Süßgetränk oder in einem halben Liter einer „Diät-Eiscreme“.  Inwieweit  die in der Studie unter Erythrit beobachtete erhöhte Neigung zu Herzkreislauferkrankungen und Thrombose aber längerfristig relevant ist, bleibt abzuwarten. Die Autoren selbst schreiben in ihren Schlussfolgerungen: „Our findings reveal that Erythritol is both associated with incident MACE risk and fosters enhanced thrombosis. Studies assessing the long-term safety of erythritol are warranted“.

Auf jeden Fall kann geraten werden, als Routine-Getränk  Wasser zu verwenden. Der Referent bevorzugt es,  Leitungswasser in Flaschen abzufüllen und in den Kühlschrank zu stellen. Wer will, kann dann auch selbst Sodawasser herstellen. Er selbst verwendet dazu des Öfteren seinen SodaStream-Sprudler.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Marco Witkowski et al.: The artificial sweetener erythritol and cardiovasculaar event risk.
Nature Medicine published online: 27 February 2023. https://doi.org/10.1038/s41591-023-02223-9

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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Eine Antwort auf Der Süßstoff Erythrit ist mit erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert

  1. Helmut Schatz sagt:

    Diesen Zeitungsbericht aus der „Kleinen Zeitung“ Graz vom 3.3.2023 mit einem Bild des Zuckerersatzstoffes wurde mir zugemailt. Erythrit kommt also auch natürlicherweise in Früchten vor.

    Helmut Schatz

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